Auf der einen Seite wird eine gewisse Quote als eine Art von Existenz-Legitimierung um jeden Preis angepriesen. Schaut her, man hört und sieht uns doch, wo ist also das Problem? Und auf der anderen Seite werden die Elemente, welche naturgemäß vergleichsweise kleinere Gruppen interessieren, aber eher dem eigentlichen Auftrag des ÖR zuzuordnen wären, entweder auf unmögliche Sendezeiten verschoben oder ganz wegrationalisiert.
Das ist doch das Kernproblem: Würde man "die Elemente, welche naturgemäß vergleichsweise kleinere Gruppen interessieren" in der Prime-Time ausstrahlen, würden sich die Mainstream-Fans (also die größte Zuschauergruppe) beschweren: "Wofür bekommt Ihr unsere Gebühren, wenn Ihr zur Hauptsendezeit nur Schrott sendet, den fast niemand sehen will?"
Mit der Verschiebung ins Netz versucht man nun, einige Inhalte dennoch weiter anzubieten, wo man dann allerdings völlig zu Recht fragen kann, warum die dann nur im Netz zu finden sind, womit ein Teil der Zuschauerschaft quasi ausgeschlossen wird.
Wieso wird ein Teil der Zuschauerschaft ausgeschlossen? Das war vielleicht in den 1990ern der Fall, als nur wenige Privathaushalte einen Internet-Anschluss hatten, und die Leitung für Multimedia-Inhalte noch viel zu langsam war. Mittlerweile zieht dieses Argument aber nicht mehr.
Allerdings bleibt die Frage, warum das Mainstream-Publikum für kulturelle Inhalte zahlen soll, die es nicht sehen will.
Davon abgesehen wäre ohne jede Frage die Halbierung der kitschigen Dauerserien und mindestens die Halbierung der unsinnigen Boulevardmagazin a la Brisant und artverwandtem nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig. Und beim Radio müßten auf allen Wellen wieder mehr Inhalte ins normale Tagesprogramm, eben damit man sich von den privaten Anbietern mehr unterscheidet.
Ich persönlich würde das ja auch befürworten - aber es scheint einfach nicht zu funktionieren:
Früher hatte das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen den Vorteil. fast konkurrenzlos zu sein. Damals konnten sich die Sender auch leisten, mal ein (bislang) weniger populäres Sendeformat auszustrahlen. Mangels Konkurrenz guckten immer noch genug Leute zu. Als Anfang der 80er-Jahre private Fernseh- und Radiostationen zugelassen wurden, fanden deren Redaktionen heraus, dass billigst produzierter Trash mitunter erfolgreicher ist als Hochwertiges, und so entstanden Quotenrenner wie "Tutti Frutti", "Peep", "Big Brother" oder "Dschungelcamp". Nur wenige etwas seriösere Formate wie die Ratesendung "Kaum zu glauben" (auf ARD) bekommen noch den Spagat zwischen billiger Produktion und einigermaßen guten Quoten hin. Schon bei "Geld oder Liebe" oder "Wetten dass" ging die Rechnung nicht auf.
Auch im Radio ist dieser Trend in ähnlicher Form zu beobachten: Aufgrund der doch recht hohen Preise hatten nur wenige Haushalte mehr als 50-100 Schallplatten oder später CD's. Irgendwann kannte man die dann, und wollte neue Musik hören. Also blieben viele Leute am ÖR-Radio "kleben", auch wenn mal der ein oder andere Titel lief, der einem nicht so zusagte. Es gab ja keine Alternative. Aber heute, wo jeder die Möglichkeit hat, auf einen Privatsender, einen USB-Stick oder Spotify auf dem Handy umzuschalten, tun sich die Radiosender selbst bei populären Acts schwer, die zu spielen, sofern sie polarisieren. So sind z. B. die Hot Banditoz oder die Saragossa Band fast nie im Radio. Und erst recht funktionieren dann noch weiter gehende Nischen nicht. Motörhead, Karlheinz Stockhausen oder Tanith haben heute im Radio einfach nirgendwo mehr Platz, obwohl die schon sehr bekannt sind. Dann haben echte Newcomer-Garagenbands oder Heimstudio-PC-Soundfrickler erst recht keine Chance mehr, obwohl deren Tracks heute teils besser sind als die damaligen Erstlingswerke heutiger Rock- oder Dance-Größen.