So, jetzt versetzt euch mal in die Rolle eines Programmanbieters. Ich nehme einen, dessen Chef ich persönlich sehr gut kenne und der auch sein DAB-Engagement in naher Zukunft beendet. Er war mit viel Herzblut bei der Sache dabei und findet die DAB+ Technik auch nach wie vor toll. Gar nicht toll sind aber die Rahmenbedingungen:
1. Es gibt keine Werbekombis, sein Sender musste zuletzt völlig ohne Werbung auskommen.
2. Es gibt keine Fördermittel der Politik.
3. Es gibt keinerlei Anreiz aus der Politik zumindest für die Implementierung eines Eurochips in Geräten oder gar einen UKW-Abschalttermin zu sorgen.
4. Er regt sich auch über die Digitalradio-Betreiber auf. Sie seien gut im Labern und Phrasen wie "wir brauchen, wir müssen, wir sollten, Digitalradio ist die Zukunft". Letztendlich tut sich aber so gut wie nichts, der Bekanntheitsgrad von Digitalradio ist nach wie vor sehr gering.
5. Es gibt viel zu wenig Endgeräte im Markt. In seinem Sendegebiet hat nur jeder 20. ein Digitalradio.
6. Es gibt kaum serienmäßig in Fahrzeuge eingebaute Autoradios mit DAB+. Rund 93 Prozent der Autoneukäufer entscheiden sich für Radios ohne DAB+, damit auch unterwegs kaum Reichweitengewinne.
6. Die Verbreitungskosten reißen ein riesiges Leck in seinen Geldbeutel. Es würde ihn dauerhaft in die Pleite treiben, da nützt auch die Refinanzierungsmöglichkeit durch andere Verbreitungswege nichts. Zumal die Entwicklung derart schleppend verläuft, das auch in den nächsten 10 Jahren nicht mit Gewinnen zu rechnen ist.
7. Er strahlt sein Programm weiter im Internet aus, weiß aber auch, dass das im Endeffekt nichts bringt. Aber es ist wenigstens kostendeckend.
Ich habe die Stellungnahme der Media Broadcast zum Kiss-Ausstieg gelesen. Das hat mir nun den Rest gegeben. Eine solch arrogante Haltung gegenüber seinen Kunden unterstreicht mal wieder die Quasi-Monopolstellung des Ex-Staatskonzerns.
Fazit: DAB+ ist eine tolle, für Privatradio allerdings aktuell nicht finanzierbare Technik. Geld verdienen kann man nur mit UKW, Kostendeckung und sogar kleine Extra-Gewinne kann man mit Internet und Apps generieren. Viele Anbieter sind nicht, wie viele DAB-Hardcore-Befürworter immer unterstellen, gegen die Technik eingestellt. Sie finden die Technik sogar super, abver was nützt es wenn es nicht finanzierbar ist?
Mich erinnert DAB+ an die Technik-Diskussion bei den Videorecordern am Anfang der 80er-Jahre. Video 2000 war eindeutig das beste System in punkto Bildqualität, Aufzeichnungslänge usw. Durchgesetzt hat sich aber das effektivere VHS. So wird in Zukunft auch im Radio die Prämisse lauten: Lokal UKW. darüber hinaus Internet/Apps. Alles andere ist unfinanzierbar.
Übrigens, klasse Aufdröselung von unserem Dr. Fu Man Chu. Und, keine Angst, die nächsten Aussteiger aus DAB+ werden sich in Kürze outen.