Das Problem liegt doch ganz woanders. Mindestens ein Programm mit (idealerweise ausnahmslos) deutschsprachiger Musikfarbe sollte es überall in Deutschland geben, wobei es von Anfang an wichtig gewesen wäre kommerzielle Radiowellen mit deutscher Musik für eine Kernklientel zwischen 25 und 50 Jahren einzurichten, um die Musik konsequent massenattraktiv zu halten und kein Abdriften in die Seniorenecke zu riskieren, wie es im öffentlich-rechtlichen Sonderfall aus möglicherweise nachvollziehbaren Gründen geschehen ist.
Der Schaden der im Bereich der Radiovorfeldorganisationen grundfalsch angelegten Ausgrenzungspolitik ist jedenfalls unermesslich, weil die breite Mitte der Gesellschaft, die immer für deutschsprachige Titel empfänglich war, über die Jahre kaum mit interessanten musikalischen Innovationen versorgt wurde und die heimische Musikszene im Gegenzug keinen Anschluss ans Radio hatte und damit kaum noch Refinanzierungsmöglichkeiten vorfand. Es fehlen einfach die kreativen Spielwiesen, die für alle Produktinnovationen zwingend vonnöten sind und die außerhalb des deutschen Sprachraums für eine große musikalische Vielfalt gesorgt haben. Der Nutzen des deutschen Modells ist mir absolut schleierhaft, denn gegenwärtig läuft sich das zentral gesteuerte Einheitsformat sichtlich tot, das junge Dudelradio wird die fundamentale Zeitungskrise jedenfalls nicht beheben können.
Die emotionsgeladene Debatte über Targets wie "Schlager", "Deutsch-Pop", "Deutsch-Rock" oder "Volksmusik" fand ich schon immer völlig hirnrissig, zumal es nur gute oder schlechte Musik gibt und kein Titel an Qualität verliert, nur weil jemand das Etikett "Schlager" draufgklebt hat. Aber wir wissen ja wie die Weichen in der deutschen Radiowerbung gestellt sind. Jetzt liegt das Kind endgültig im Brunnen, ich glaube nicht, dass man dem bestehenden deutschen Musikradio jetzt noch eine in wirtschaftlicher Hinsicht zukunftsweisende gesellschaftliche Relevanz verschaffen kann, denn das Zeitfenster wird immer kleiner und die Leute orientieren sich längst um. Im digitalen Zeitalter wird sich das Radio neu erfinden müssen, wie auch immer es dann organisiert sein mag.
Jetzt graben sie also nach jahrelangem Boykott wieder die 70er-"Kultschlager", äh "Hits" aus, na ja, neues Material ist ohnehin nicht zu erwarten. Die für den Geldfluss verantwortlichen Musikbevollmächtigten im Radiovorfeld halten es lieber mit David Guetta und Rihanna.