AW: Die Fake-Kultur
Zum Fernsehen:
gestern beim "Deutschen Comedy-Preis" (ein Widerspruch in sich, "Comedy" ist nun mal alles andere als deutsch), hab ich gestern im Einschlafen noch so einen Satz gehört, sinngemäß: "Beim Fernsehen hat ja nun endlich auch das Prekariat Einzug gehalten: ein Volldepp spielt einen Volldepp für Volldeppen". Allerdings ist das, was heute - wie ich finde höchst euphemistisch - als "Prekariat" verbrämt wird, keinesfalls mit einer Menge von Volldeppen gleichzusetzen. Wie gesagt, ich hab schon fast gepennt, deswegen hab ich's auch nur halb mitbekommen. Aber ein Stück Wahrheit steckt drin, zumindest, was die Volldeppen angeht. Ich erinnere mich noch an eine Popstars-Folge letztes Jahr, in der irgend so'n junges Ding völlig aufgelöst am Münchner Hauptbahnhof rumlief, weil es nicht wußte, wie man zum Bandhaus kommt. 1. Kann jeder mit nur ein klein wenig Hirn drauf kommen, daß man sowas im Internet rauskriegen kann, jede Großstadt, die ich kenne, hat irgendwo eine Seite zum ÖPNV und München ist da keine Ausnahme, 2. konnte man in mehreren Einstellungen sehen (wenn man den Hauptbahnhof ein bißchen kennt), daß die Auskunft (neudeutsch: Service Point...) gerade außerhalb der Kameraperspektive war und 3. kommt da so ein junges Hühnchen am Bahnhof an, ganz zufällig lungert da ein Kamerateam von Popstars rum und - oh weia - es kennt sich doch wirklich *keiner* von denen in München aus - die haben das Kamerateam wahrscheinlich in Belutschistan eingekauft, obwohl Pro7 seinen Sitz bekanntermaßen in Unterföhring (b. München, laut Ortsschild) hat. Ach ja, und das Kamerateam hatte seine Ausrüstung natürlich dorthin getragen, deswegen stand bestimmt kein Auto da, daß die Arme hätte zum Bandhaus bringen können...
Im Radio habe ich heute ein Gegenbeispiel gehört (ich war schon sehr früh im Büro und konnte daher mal zu einer untypischen Zeit Radio hören): auf HR1 gab es ein Gewinnspiel (sic!), bei dem man doch tatsächlich eine HR1-Tasse gewinnen konnte, indem man eine Frankfurter Nummer anrief - Aufwand für den Hörer: €0,00, Flatrate vorausgesetzt, Aufwand für den Sender: €2,95 für die Tasse (wenn überhaupt, die bestellen sowas doch bestimmt massenweise) + Versandkosten - und für mich richtiger Hörspaß, denn: wenn es nicht ein extrem guter Fake war, dann war es live. Es wurde nämlich nach einem Roman gefragt, im Einspieler erzählten einige Jugendliche, die das Buch wohl gerade gelesen hatten, einige Fakten dazu. Anruferin war eine vermutlich ältere Dame - darauf ließ zumindest die etwas gebrechlich klingende Stimme und ihre Wortwahl schließen. Der Hinweis, daß das mit großer Wahrscheinlichkeit live war, war aber der: die Sendung lief um kurz nach halb 8 und die Hörerin erwähnte, daß sie bis halb drei Uhr morgens gelesen habe - was die Moderatorin leicht schockierte, worauf die Hörerin entgegnete: "Ach, ich bin's doch gewöhnt". Wirklich ein nettes Gespräch, dem ich gern zugehört habe. Da ging's nicht um "Womit brät man ein Ei? Wählen Sie 'a' für 'mit einem Straßenkreuzer' und 'b' für 'mit einer Bratpfanne'", es gab keine astronomischen Summen zu gewinnen und es wurden auch keine Skandalgeschichten ausgepackt. Trotzdem gibt es Leute (mich) die so etwas auch gerne hören. Nur: wann dringt das mal zu den Verantwortlichen vor? So uralt und ausgelutscht dieser Spruch auch scheint: weniger ist manchmal mehr und ich stimme Radiowaves völlig zu: "Öffentlichkeitsverweigerung" wird zunehmend attraktiver - auch für mich.
LG
McCavity