AW: Erfahrungen mit Beratern und Consultings
Thema Berater aus Sicht eines wirklich Außenstehenden (Hörer):
Wir hatten in Thüringen Radio Top40, eine Jugendwelle auf 17 lokalen, schwachen Stadtfrequenzen und im Kabel, aufm Land nicht zu empfangen - außer in DAB. Top40 gehört zu Antenne Thüringen und hat seit 2000 ein einzigartiges Musikformat gehabt: Schwerpunkt House/Electro, dazu bissl alternative Rock, bissl Black, bissl HipHop, einige Pop-Perlen, aktuelles, Remixe von Charts-Titeln, auch alte Sachen aus den frühen 90ern oder gar 80ern (Inner City - "Good life"). Halt alles was auf den Tanzboden treibt. Redaktioneller Inhalt: nahe null, durfte nicht viel kosten und das Programm verstand sich als "Sounddealer". Die Hörer: Jugendliche ab etwa 15-16 bis hinauf zu über 50-jährigen. Soziales Milieu: vor allem bei den über-30-jährigen Berufstätige höherer Schichten, Anwälte, Ärzte, Geschäftsführer auch großer Firmen (zumindest sind mir da genug indirekt bekannt, da ein befreundeter Antennenbaubetrieb bei solchen Leuten nicht wenige UKW- oder später Satantennen für Top40 aufstellen mußte). Die älteren hörten das eigentlich als Jugendformat geführte Programm, da es sie entweder an ihre eigene wilde Zeit anfang der 90er erinnerte (Houseklassiker, die damals schon in den Clubs liefen) oder, weil das Programm einfach musikalisch erfrischte.
Genau so hatte Programmchef Wetzel das Konzept auch geplant.
Top40 war integraler Bestandteil der Thüringer Jugendkultur. Trotz mieser Empfangbarkeit wurde das Programm sehr gut aufgenommen, kauften sich Kiddies sogar DAB-Empfänger. Es gab zwischenzeitlich dem Hörensagen nach mehrere illegale UKW-Dorffrequenzen in den Tälern des Thüringer Waldes und auch anderswo, die von DAB gespeist und freilich ohne das Wissen der Programmleute in Eigeninitiative das Sendegebiet erweiterten. Welches andere Programm kann so etwas von sich behaupten?
2008 bedankte sich Clueso im Booklet seiner aktuellen CD bei Thomas Wetzel für "8 Jahre Top40 und Support".
Im Jahre 2008 fielen in Weimar offenbar die Berater ein. Top40 sollte vom Finanztropf des Mutterhauses freikommen und Geld verdienen, was sich auf dieser Funzelkette kaum tun läßt. Programmchef Wetzel verließ Top40, bevor es richtig schlimm wurde. Die senderinterne Abschiedsparty fand in der Villa Haar in Weimar statt. Wetzel wurde stark erkältet unter einem Vorwand zu Hause rausgeklingelt und faktisch im Schlafanzug in die Villa gefahren - er wußte von nichts. Ihm wurde zum Abwschied eine bitterböse Fotomontage einer SPIEGEL-Titelseite ("Der Untergang") überreicht, die er wörtlich mit "Belehrt mich eines besseren!" kommentierte.
Seit August 2008 wurde das Musikprogramm auf bis zu 7-mal-am-Tag gespielte A-Rotation umgestellt, House und Electro flog weitgehend raus. Stattdessen gab es ausgelutschte aggressive Rocktitel, seit Herbst 2008 auch stupide Höreraktionen und Moderationen ("Normal ist anders"). Die Hörer beschwerten sich, daraufhin wurden Gästebuch und Thread im Forum geschlossen.
Auf Top40-Parties (es gibt kaum noch welche) konnte selbst noch im Frühjahr 2009 registriert werden, daß der House/Electro-Floor massiv geht, der Rockfloor hingegen gar nicht. Als Antwort darauf wurde noch mehr Rock im Programm gespielt.
Bereits bei der MA 2009/I gab es 40% Quoteneinbruch, und das, obwohl eine Welle dieser MA in die Zeit vor der Formatänderung fiel. Da könnte also noch was kommen, hinter den Kulissen der Landesmedienanstalten munkelt man von um die 70 oder noch mehr Prozent (d.h., man weiß es offenbar, da man die Befragungswellen einzeln ausgewiesen hat, sagt es aber nicht offiziell).
Am 17. 7. 2009 wird Hörerliebling Anne bei Top40 ihre letzte Sendung moderieren. Anne hat gekündigt, will sich das offenbar nicht weiter antun. Top40 war einst eine Familie, kaum Fluktuation, Mitbestimmung beim Programm war unter Wetzel normal und Bestandteil des Konzepts. Damit ist natürlich längst Schluß, das Klima in Weimar soll am Boden sein. Derweil wird munter weiter am Programm herumgeschustert, obwohl kaum noch jemand zuhört. Jump hatte bei der letzten MA in Thüringen Zuwächse, von denen ich mir denken kann, wo sie herkommen. Die Leute wechseln dann lieber gleich zum besser empfangbaren Original. Die Jugend hört wieder CD im Auto, das Radio bleibt aus. Andernorts wurden Kabelnetze auf JayJay (ex BluFM) umgestellt.
So, und da fragst Du, was wir von Beratern halten? Ich zumindest halte gar nichts von ihnen. Aus zutiefst naiver Hörersicht (die sich freilich nur auf das Programm erstreckt und nicht auf die Finanzlage) sollte das Herz und der Bauch beraten, nicht der Berater. Sonst haben wir Zustände wie bei Top40, dem ehemaligen Thüringer Kultradio. oder wie bei hr1, das mal ein intelligentes Programm war. Oder...