Bzw. wenn ich es richtig gelesen hab, ist ein Buch eh schon in Arbeit?
Es gibt ein Buch, das ist aber kein Nostalgie-Buch und kein Geschichts-Buch, sondern ein Buch zur Hälfte der Raumakustik und zur anderen Hälfte der elektronischen Studiotechnik gewidmet:
https://www.fktg.org/node/5232/raum_daskleid_dermusik
Ruf mal in Johannisthal in der Druckerei an und frage, ob eins vorrätig ist und Du mal reinschauen darfst:
https://www.kopie-druck-berlin.de/weg.html - von S-Schöneweide aus bissl den Groß-Berliner Damm in Richtung Adlershof rein, dann nach rechts in den Segelfliegerdamm abbiegen und ein ganzes Stück weit hinter, fast bis ans Ende. Die Druckerei befindet sich in einem hinteren Gebäude im Obergeschoss. Bissl verwinkelt, aber zu finden.
Ob die alten Akustiker wohl noch Tipps für die junge Podcaster-Radiomacher Generation in Sachen Akustik für zu Hause haben?
Die bekannten Tips für die "Notfall-Hilfe": schwere Vorhänge zum Regulieren der Nachhallzeit, Bücherregale mit nicht bündig abgeschlossenen Reihen von Buchrücken, Schranktüren während Aufnahmen "wild" in unterschiedliche Richtungen öffnen, ...
Kann ja niemand erwarten, dass Du Dein Wohnzimmer abreißt und mit nicht-parallelen Wänden neu aufbaust oder einen kompletten Raum in den Raum baust, der auf Spiralfedern steht.
Ich frage mich gerade, was aus den ganzen UM70 Mikrofonen geworden ist, ich würde ja gerne mal eines ausprobieren.
Ich hatte mal 4 oder 6 Stück davon vor mir liegen. Gravur "Studiotechnik Rundfunk". Anschluss nachträglich vom alten Tuchel-ähnlichen Schraubstecker auf XLR umgebaut - in mehreren unterschiedlichen mechanischen Realisierungen. Manche sahen aus wie die Stufen einer Rakete.
Das Problem: es ist nicht nur der Stecker. Es ist die Betriebsspannung. 12,6 Volt bei der Originalvariante, 48 Volt wären es bei Phantomspeisung. Das Exemplar, das ich dann öffnete, hatte keinerlei Schaltungsanpassung. Hätte man das an einen heutigen Preamp angeschlossen, hätte man riskiert, den Hescho-Hybridschaltkreis zu himmeln.
Es gibt professionelle Umbauten (und wie ich letztens lernte, auch entsprechende Adapterkabel, die auch die Spannung aufbereiten).
Aber wenn schon in der Kapsel was herumklappert, ist ohnehin mehr fällig. Dann wird das Schnäppchen schnell dreistellig im mittleren Bereich. Machbar ist alles. Kapseln macht Gefell oder
Herr Thiersch gleich nebenan, Elektronik Gefell oder auch manch andere. Für lau bekommt man das freilich alles nicht. Eine Generalüberholung kommt schnell auf den Preis eines Neumann TLM 102. Und dann überlegt man sich das mindestens zweimal.
Das originale UM70 rauscht vernehmlich. Die erste nachwende-Version mit modernisiertem MV692 (schon mit P48) hat 18 dB-A Ersatzgeräuschpegel nach IEC im Datenblatt stehen, die Version mit elektronischem Symmetrierübertrager UMT70 dann schon 14 dB-A. Beim M930 standen dann schon nur noch 7 dB-A im Datenblatt - genau wie beim Neumann TLM 103. Da liegen mehr als 10 dB zwischen den 1980er Jahren und heute! Das ist, als wenn du Dolby B beim Tapedeck zuschaltest!
Im direkten Vergleich zwischen meinem UM70 mit Nachwende-MV692 und einem 40-EUR-Kleinmembranmikrofon Thomann SC140 offenbart sich bei gleichem Ausgangspegel des Vorverstärkers etwa 7 dB Unterschied im Grundrauschen. Das UM70 klingt freilich deutlich "edler" (das SC-140 klingt etwas ruppig-spitz), dafür ist es als Niere rückseitig deutlich empfindlicher als das SC-140.
Also ja was ist aus der ganzen Technik geworden, ist das wirklich alles in die Tonne gewandert?
Manches kam abhanden, bevor es überhaupt verwendet wurde. Ich kenne die Geschichte von Panasonic-DAT-Recordern, die 1991 noch fürs Funkhaus gekauft wurden und wohl im Originalkarton verschwanden. Ob das stimmt oder ob das Wichtigtuerei des Erzählenden war? Manche recht neue Technik wurde von den neuen Ost-Anstalten übernommen (MDR, ORB, NDR Ost), das DT64-Mischpult kam zum Studentenradio Ilmenau und wurde dort entkernt und umgebaut. Einiges kam mitsamt den Räumen in Block B oder A zu den neuen Nutzern und ist dort heute noch vorhanden. Vieles wurde einfach brutal rausgerissen und verschwand in dunklen Kanälen. Das Pult aus Hörspiel 2 wurde noch viele Jahre am originalen Ort für Hörspielproduktionen genutzt und kam wohl gegen 2010 ins technische Museum Berlin. Das große Mischpult aus Hörspiel 1 (einsatzbedingt eine komplexe Anlage) fand sich zum Beispiel... ach, sieh selbst:
(Steinke / Herzog: "Der Raum ist das Kleid der Musik", S. 131)
Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass die Verantwortlichen für diese Verbrechen an der kulturellen Substanz Ostdeutschlands, so sie noch leben sollten, vor Gericht gehören. Aber was will man denn erwarten angesichts der Tatsache, dass die Annektion vom Ostvolk letztlich selbst sehnlichst herbeigewünscht wurde?