AW: Funkhaus historisch: Nalepastraße
Hallo miteinander,
mit einem tränenden Auge verfolgte ich die Diskussion hier. Die Stichworte Nalepastraße und DT64 sind für mich einerseits eine Erinnerung an einen spannenden und glücklichen Teil meiner Biografie, andererseits aber empfinde ich viel Wehmut. Ich hab 1989 in der Nalepastraße als Techniker gearbeitet und danach vergebens für den Erhalt von DT64 gekämpft. Tja...
Genug der Gefühlsduselei. Vielleicht interessiert ja den einen oder anderen, woran ich mich noch erinnere. Zuvor aber einen Link auf meine Homepage. Ich habe nämlich gestern mal die Aufnahme der letzten Sendestunde von DT64 rausgekramt. Eigentlich ist die Qualität dank FM-Schrägspurverfahren auf der Videokassette erstklassig. Leider kommen heutige Billig-Stereo-Videorekorder nicht mehr mit Audio-Longplay ohne Videospur zurecht. Die Spurlage ist teilweise ungenau, was die Qualität schmälert. Vielleicht schneide ich es später mit einem besseren Gerät mal um.
Zu hören ist die letzte halbe Stunde des Sendebetriebs auf Berlin 102,6 MHz und ein paar Minuten des Anfangs von Rockradio B/ R4Y. Etwas später sind noch die ersten Minuten auf MW 1044 kHz zu hören. Leider war der Empfang hier in Berlin nicht gut.
http://www.oberschoeneweide.de/dt64_abschaltung.mp3 (55 mb, 128kbit/s, 44,1 kHz)
Meine Erinnerungen an die Nalepastraße:
So, nun zu mir. Ich habe "Facharbeiter für Nachrichtentechnik" im WF gelernt und mich am Ende der Lehre im Februar 89 bei der Deutschen Post - Studiotechnik Rundfunk in der Nalepastraße beworben. Ich konnte mir aussuchen, ob ich als Tontechniker auf einen Ü-Wagen will oder ob ich zur Meßtechnik komme. Ich entschied mich für die Meßtechnik, was ich später bereute.
Angeboten wurde mir gleich die höchste Lohngruppe (9), da der Posttarif eh sehr niedrig war. Und das stimmte auch. Ich hatte 700 - 720 Ostmark pro Monat auf meinem Konto. Meine Kollegen auch, denn mehr ging nicht. Nur die Ingenieure (jeder zweite war Ing.) hatten 50 Mark mehr. Kein wirklich gutes Ing-Gehalt. Ein Produktionsarbeiter im WF im Farbbildröhrenwerk im 3-Schichtbetrieb hatte 1400 Mark raus.
Eingesetzt wurde ich nach einer Zusatzausbildung in Grünau (Akustik...) in der Verstärkertruppe bei Herrn Murkisch. Für den Anfänger bedeutete das hauptsächlich Regler putzen und reparieren. Elektronik war mein Hobby und da ich Regler nicht mochte, nahm ich mir an Henry Ford ein Beispiel und reparierte die Regler fließbandartig. In der Zeit zwischen Frühstücks- und Mittagspause arbeitete ich einen Wäschekorb voller Regler ab und konnte mich dann interessanteren Dingen widmen. Und Interessantes gab es vieles! Ich liebte es, Dinge zum ersten Mal zu reparieren, deren Funktionsweise zu ergründen und knifflige Fehler zu finden. Meist waren es prasselnde Bauelemente. Meist nur schwer zu finden.
Schwer geschuftet haben wir selten. Meist hatte man den halben Tag Zeit, eigene Geräte zu bauen. Ich baute mir z.B. den Verstärker der HMK-100 Anlage nach. Dienstags gab es Warenlieferung für den Buchladen, da "konnten" wir nicht arbeiten und stöberten den halben Tag in Neuerscheinungen. Donnerstags war Saunatag. Gegen eine Spende von 1 Mark (per "Kasse des Vertrauens") konnte man während der Arbeitszeit die betriebsinterne Sauna nutzen. Herrlich! Neben Sauna, Buchladen und diversen Kantinen gab es auf dem Gelände auch einen kleinen Lebensmittelladen und eine Eisdiele. Letztere war zu meiner Zeit aber leider geschlossen. Der Laden hatte einen eigenen LKW und beschaffte uns Südfrüchte, Pfirsiche und Erdbeeren aus Werder. Wir waren stets gut versorgt. Angestanden mußte zwar auch werden, aber während der Arbeitszeit. Kein Wunder, daß die DDR wirtschaftlich am Ende war. Schlechte Produktivität trotz niedriger Löhne.
Im Sommer saß ich in der Mittagspause meist am Spreeufer. Das war idyllisch. Der Blick übers Wasser zum Plänterwald und der kleinen Insel. Zur Arbeit führ ich immer mit Moped - quer durch die Kleingartenkolonien. Ich wohnte ja auch in Oberschöneweide. Zur Arbeit brauchte ich nur 5 Minuten. Ach ja. Mein Chef war ein komischer Kautz. Er trocknete immer nach der Benutzung das Waschbecken mit einem extra Handtuch ab. Ich fand das idiotisch, so wie die anderen Kollegen auch. Aber ich machte mir den Spaß, dies entgegen meiner Art doch einfach sehr gewissenhaft zu tun. Und fortan hatte ich bei ihm ein Stein im Brett. Herr Murkisch. Sicher lebt er inzwischen nicht mehr...
Im Oktober 89 bin ich dann über Ungarn weg, weil ich einen Einberufungsbefehl zur NVA erhielt, aber auf gar keinen Fall eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen wollte. Ich ging davon aus, daß Blut fließen wird. Zum Glück irrte ich mich. Als ich nach der Wende nach Oberschöneweide zurück zog, bewarb ich mich bei DT64 als Tontechniker. Ich wollte unbedingt den Sender unterstützen und weiter beim Rundfunk arbeiten. Beim Bewerbungsgespräch erfuhr ich, daß gerade beschlossen worden war, daß sie nach Halle umziehen. Ich lehnte dankend ab, denn Berlin verlassen wollte ich nicht. MDR Sputnik - pfui! Zum Glück blieb ich hier. Was dann kam, ist eine andere Geschichte...