AW: Hörtipp: 60 Jahre Rundfunk in Hessen
Onkel und Victoria,
Glückwunsch zu Eurer erfrischend sachlichen Auseinandersetzung. So bringen mich die Radioforen weiter.
Onkel, die Zeiten, in denen ein golfspielender Hierarch (sowas hattemer schon, als Golf noch kein Volkssport war) allen Ernstes postulierte, Verkehrsmeldungen dürften wegen ihres Nachrichtencharakters nur und ausschließlich von Nachrichtensprechern verlesen werden, und in denen mindestens die Hälfte der Musik als klingende Löschliste über den Äther ging, habe ich auch noch in schwacher Erinnerung. Die Hupgeräusche des Liebenden Löffelvoll auch. (Es hat lange gedauert, bis jemand herausgefunden hat, daß die Hörsituation "Ich sitze im Auto und bin auf hr3 angewiesen" unter 20 Prozent der Radio-Hörzeit ausmacht.)
Und daß der HR zur Gänze dem SWF hinterherhechelte, besonders aber die beiden Dreier-Wellen, hat mich, den Hessen, auch immer geschmerzt. Aber ich war auch mit Verres der Meinung: SWF 3 haben wir schon, wir brauchen was Eigenes wie Frau Hoppenstedt.
Und hätte denn das sympathisierende (und berechtigte) Schlußwort vom nicht stromlinienförmigen und plattformatierten hr3 seine Ursache im tiefen Denken der Verantwortlichen, dann wäre ja noch Hoffnung.
Allerdings ist genau das Gegenteil der Fall: Die Ursache ist Hilflosigkeit.
Das von Victoria beklagte mangelhafte Bedienen der Musik-Format-Software liegt nicht etwa daran, daß sie der verantwortliche Musikchef nicht bedienen kann. Oh nein: Ihm wird immer wieder von oben reingepfuscht. Und zwar von Leuten, die (siehe mein vorheriges Posting) Pop- und Rockmusik als lästiges Übel und hr3 insgesamt eher als störend in ihrem Wellenbouquet empfinden. DAS führt letzendlich zum Rumeiern: Macht einer aus der Mitte der Hierarchie mal was richtig, steht garantiert kurz darauf einer auf der Matte, der "mehr davon versteht". Weil er eine Stufe höher residiert. Nur deswegen.
Nein, Victoria, Formatradio ist nicht per se etwas Schlechtes. Ich stimme Dir zu. Aber Formatradio kann nur funktionieren, wenn es permanent justiert wird von Leuten, die den Hörer lieben, sich in seine Bedürfnisse hineindenken können und schon mal vor Begeisterung über ein schönes Musikwerk mit dem Arsch gewackelt oder auch eine Träne vergossen haben.
Siehste, und genau das Gegenteil wird vom Format bei den Öfis begünstigt: Man kann sich so schön zurücklehnen und dem Computer die Schuld geben. Oder den Beratern. Oder dem Vorgesetzten. Man freut sich nicht mehr darüber, daß man Programm machen darf, man reißt nur noch seinen Tag runter. Bringt ja eh nix.
Ausnahmen bestätigen die Regel, sind aber nur noch bis zu ihrem Aussterben geduldet.