In den 70ern wurde auch viel gecovert, aber die Produktionen bewegten sich durchweg auf internationalem Pop-Niveau. Um 1986 gingen die Privaten an den Start und überraschten mit interessanten AC-Experimenten, die weit ausholten und von jeder Form von Promotionsdruck weit entfernt waren. Bis Mitte der 90er-Jahre gab es auch Schlager- oder Schlager-Oldie-Mixwellen, die jedoch schon bald nicht mehr in den Werbefokus der Zeitungsverlage passten. Ehrlicherweise muss dazugesagt werden, dass diese Programme bis auf ein paar wenige Randerscheinungen wenig innovativ waren, sondern vor allem die Schlager vergangener Jahrzehnte herunterleiten (Ausnahme: RPR2) - ein Vorgeschmack auf das sich mehr und mehr formierende deutsche Beraterradio neuerer Prägung. Zum damaligen Zeitpunkt meinte man in manchen Verlagen noch die ältere Generationen mit ein paar Best-Of-Samplern mitversorgen zu müssen, immerhin legte man aber noch Wert auf interessante Spartensendungen und attraktive Programmhöhepunkte.
Nach dem Abflauen der "Neuen Deutschen Welle", einer Art verpasster Neuerungsbewegung im deutschen Schlagerbetrieb mit ein paar unbeschwerten Nonsens-Avancen, wandten sich die modernen Musikprogramme weitgend von der deutschen Musikszene ab. Am Ende war klar dass die Musikredakteure und DJs der neuformierten ARD-Servicewellen den "ganzen NDW-Firlefanz" genausowenig leiden mochten wie den Schlager klassischen Gepräges, sondern vielmehr mit leuchtenden Augen gen London blickten, wo der illustre 80er-Rock in die Mitte der Pop-Arena drängte und Disco-Größen wie Michael Jackson, Madonna und Depeche Mode für Begeisterungsstürme und Medienwirbel sorgten.
Schon jetzt begann im Wettsreit der ARD-Wellen untereinander ein Phänomen zu greifen, das später bis zur Ekstase perfektioniert wurde: Ein Sender kupferte beim anderen ab und bald bildete sich ein wellenübergreifender Mainstream heraus, der für beinah alle verbindlich wurde. Während dieser Zeit wurde deutsches Liedgut stark zurückgedrängt. Mangels Airplays verfiel das Produktionsniveau immer mehr auf Bontempi-Niveau, denn die etwas älteren Landeswellen erlaubten keine Hot-Rotation, die eine anspruchsvolle Musikszene hätte ernähren können. Dort liefen neben leichter internationaler Musik viele ältere Schlager und ein paar neuere Produkte, jedenfall viel zu wenige um den Schlager auf Augenhöhe mit internationalen Hochglanzprodukten zu bringen.
Nur Ausnahmefälle wie Grönemeyer, Fendrich oder die EAV hoben sich vom durchschnittlichen Schlagerniveau ab und fanden große Resonanz bei der heimischen Musikkritik, aber selbst sie konnten das Personal in den poppigen Servicewellen nicht erweichen. Große Stimmen wie Ingrid Peters hatten kaum eine Chance auf Aufmerksamkeit und angemessene Produktion und so wurde der Schlager zunehmend zum Synonym für lieblos hingeworfene Schnulzenmusik. Die neu hinzugestoßenen Jungspunde in den öffentlich-rechtlichen Funkhäusern, die Miite der 80er-Jahre einer der interessantesten Innovationsbewegungen der deutschen Musikbranche das Wasser abgruben, legten zugleich den Grundstein für das heutige Beraterradio, das bis in die Verästelungen der Personalpolitik auf die Entscheidungen jener Jahre zurückgeht.
Auf diesen falschen Promissen wurde das deutsche Printradio aufgebaut; diejenigen, die vor wenigen Jahren noch als Entscheidungsträger beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutschen Interpreten die rote Karte gezeigt hatten waren nun wieder dick im Geschäft und sorgten mit wachsender Vehemenz dafür, dass der letzte kommerzielle Schlagerkanal doch noch seine Pforten schließen musste. Alternativen wurden nie erwogen, Ideen und tragfähige Konzepte sind bis heute nicht in Sicht. Statt die deutsche Musikszene zu fördern, wurde sie schon während der zweiten Hälfte der 80er-Jahre kategorisch ausgehiungert, eine Strategie, die beim damals noch breiter aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach viel Ach und Weh schließlich zur Einführung der 4. Programme, der sog. "Schlagerkette" führte. Als reine Seniorenwellen mit großer Playlist (Schwerpunkt 50plus) waren die aber nicht im Stande, die deutsche Musikszene zu retten.
Mein sattsam bekanntes Fazit lautet: Man hätte von Anfang an zwei- oder dreigleisig fahren müssen, und zwar entschieden und ohne Mätzchen. Dann hätte das deutsche Radio heute ein ganz anderes Ansehen. Schlager nur für Rentner zu produzieren macht ebensowenig Sinn, wie die hirnrissige Idee alle zwischen 14 und 49 in einem Programmformat versammeln zu müssen, das noch dazu zu allem Überfluss überall gleich aussieht.