AW: Jüngere Hörer in Schlagerwellen? Wie?
Irgendwie geht mir hier in diesem thread zu viel nach dem Motto „alles in einen Topf“. Und jeder hat aus seinem Blickwinkel ein bißchen Recht und wiederum auch nicht...
Und dann wäre da noch der Punkt: Jeder setzt seine persönlichen Grenzen der „passt noch, aber das hier auf gar keinen Fall“ anders an. Insofern reden wir alle von Beginn an aneinander vorbei....
Zunächst „Schlager“: Der Begriff stand im bundesdeutschen Monopol-Miefradio von einst für alles, was ein Hit war... da fehlte die Differenzierung. Die Beatles mit ihrem neuesten Schlager, Tom Jones mit seinem neuen Schlager und gleich noch ein Schlager von den Stones....
Genau so ein gedankenloser Terminus wie „Lieder“.... „Und das nächste Lied von den Rolling Stones“ (ich habe von den Stones in meinem ganzen Leben noch nie ein „Lied“ gehört!).
Gewisse „IGITT“-Kriterien (nenne sie mal bewusst so) entstanden bereits Ende der 60er Jahre: Underground & erste Rockmusik vertrug sich eben nicht mit Drafie Deutscher und Peggy March.
Aber noch funktionierte es -irgendwie. Auch in den Discos samt den damals üblichen langsamen „Bluesrunden“.
Mit dem Beginn der Discowelle (1975) entstand dann eine Differenzierung. „Schlager“ war dann eben das traditionelle melodiöse auf deutsch gesungene Liedgut. Und das passte eben nicht mehr zu Donna Summer, Van McCoy und den Trammps. Und das „deutsche“ differenzierte sich im eigenen Lager: „Hochwertigeres“ von Juliane Werding kontra „Schmalz“ von Peter Alexander und Bata Illic.
Das verschärfte sich dann in den eighties: Die NDW war (u.a.) mit ein Versuch, das deutschgesungene aus der Miefecke heraus zu holen. Und ich kann mich noch genau an Dieter Thomas Heck (ZDF-Hitparade) erinnern, der mit deutlichem Ekel dann Nena und Witt zusammen mit Karel Gott und dem Duo California präsentieren musste (
).
(Auch
er hatte seine Abneigungen, warum dürfen
wir die nicht haben?)
Und für mich war auch schon damals ein deutlicher Qualitätsunterschied zwischen Klaus Lage, Heinz Rudolf Kunze und Wolf Maahn zu Produkten von Ibo, Roland Kaiser oder deutschem von Julio Iglesias gegeben (und zu hören!).
Möglicherweise kann man von Schubladendenken sprechen: Aber als Musikredakteur trägt man Verantwortung und muss die Grenzen eben setzen und ausloten. So war Musik von Nikki, Gitte und Stefan Waggershausen in solchen Popwellen, die einen Deutschanteil fuhr(t)en, auf jeden Fall vertretbar und wurden sogar dankbar eingebaut. Auch eine Pe Werner, Jule Neigel und die ersten tracks von Claudia Jung. Und meine damalige Freundin stand ungeheuer auf Howard Carpendale... aber auch auf Kool & The Gang. Ein gewisser Spielraum war also gegeben.
Die endgültige Verabschiedung vom „deutschen Schlager traditioneller Machart“ sehe ich erst Mitte der 90er. Aber auch da gab es bereits eine Gegenbewegung: Mit Olaf Henning, Drews und Petry entwickelte sich dann der Discofox-Schlager, der erstaunlicherweise eine Menge Fans und internetstreams hat. (Auch nicht unbedingt meine Mukke).
Mit dem, was ich an deutschsprachigen Sachen derzeit -im ersten Jahrzehnt- höre,
bin ich mehr als zufrieden: Ein
Fülle, wie sie einst nur zu NDW-Zeiten gegeben war, und qualitativ erstaunlich gut. Und sie laufen auch auf Popwellen!
WO IST ALSO DAS PROBLEM ? Wollen wir wirklich Popwellen ZWINGEN, deutschen Schlager alter Machart mit aufzunehmen? Dann kommt -berechtigterweise- auch der Aufschrei der techno- und Rock-Fans, die ihre Musik auch zu wenig hören. Und dann haben wir eine musikalische Chaos-Welle on air.
Die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz wird sich auch nicht ändern, wenn man (wieder) Blasorchester und Big Band als Begleitung oder bei Liveauftritten einsetzt: Das hat damit nichts zu tun. Entscheidend ist, was im Ohr ankommt! Schon immer so gewesen. Punkt.
Lösung des Problems an sich? : Da gerade in einem thread darüber diskutiert wird, wie wäre es -in diesem Falle- mit einer dritten Welle des DLF/DLR, die auf deutschsprachige Produktionen setzt? Wo dann eben Titel von den Schäfern, Kastelruther Spatzen und Hubert von Goisern neben denen von Tokio Hotel, Ich+Ich, Silbermond und den Ärzten laufen .... (mir graust schon jetzt....
)
Und last not least: Ich bin für Vielfalt und ich bin auch für Vorstellungen neuer Songs und Trends. Aber ich weigere mich entschieden dagegen, etwas auf's Auge gedrückt zu bekommen, was partout meine Hörer nicht erreicht.
So unter dem Motto „ich wünsche mir mal jetzt die neue Scheibe von 50Cent bei Klassik Radio, weil ich drauf stehe und es hören will und die Nummer gut ist....“
und very last not least: Die beschriebene Spirale
Keine Plattform => niedrige Verkaufzahlen
niedrige Verkaufszahlen => billig(st)e Produktionen
billig(st)e Produktionen => Ablehnung durch Musikredakteure
Ablehnung durch Musikredakteure => keine Plattform
gilt nicht nur für den deutschen Schlager, sondern auch für viele andere
Musikgenres und Neuerscheinungen...
Gleiches Recht für alle...