AW: Lieber öffentlich-rechtlicher oder privater Rundfunk?
Das Privatradio hat sich in vorauseilender Kapitulation vor dem Internet von nahezu allen Musikrichtungen abseits des jugendkonformen Pop-Mainstreams verabschiedet; sturmerprobte Klassiker der Popgeschichte natürlich miteingeschlossen. Da modernes Formatradio nicht auf Durchhörbarkeit sondern auf maximale Reichweite ausgelegt ist, wird der Titelbestand immer stärker zusammengestrichen. Je häufiger sich aktuelle Singles im Radio wiederholen, umso höher der Bekanntheitsgrad der Titel und um so höher fallen dann auch die Verkaufszahlen der einschlägigen Künstler/Labels aus. Es ist schon sehr beklemmend mitansehen zu müssen, wie die öffentlich-rechtlichen Popdudler zunehmend ins selbe Horn stoßen wie die mit ihnen um Werbeerlöse wetteifernden Privatsender.
Das Schlimmste an der deutschen Radiolandschaft ist das ermüdende Einerlei auswechselbarer Popmischungen, die ursprünglich auf das Betreiben ignoranter Beraterkreise zurückgehen (Stichwort: "Adult Contemporary"). Statt sich mit einer unverwechselbaren Musikfarbe auf dem Markt positionieren zu können, haben die wenigen privaten Anbieter angesichts abwegiger Determinanten der Werbewirtschaft die lachhafte Auswahl zwischen gerade mal zwei Alternativen: Mainstream-Pop oder Oldieschiene. Exotische Formate wie Klassik und Jazz/Instrumental werden von den Werbern sonderbarerweise akzeptiert, wennn ihnen auch nur ein geringes Hörerpotential innewohnt.
Spätestens jetzt, wo fast jeder mit Verachtung aufs deutsche Musikradio herabblickt, scheint sich unter den Verantwortlichen ein gehöriges Maß an Frustration und Resignation breit zu machen. Von einem Umsteuern kann zwar noch keine Rede sein, die neuen Medien werden aber Adaptionen erzwingen, die zwangsläufig zu mehr Vielfalt und besserer Bedarfsdeckung führen werden. Besonders die gehobenen Altersgruppen müssen besser bedient werden, aber auch die Jugend stirbt allmählich vor Langeweile. Es kann doch nicht sein, dass mehr als zwei Hörergenerationen beinahe ausnahmslos mit Oldies und Klassikern abgespeist werden ("Die Hits Ihrer Jugend"), erwachsene Neuerscheinungen geflissentlich ignoriert und deutschsprachige Musikrichtungen vorsätzlich ausgegrenzt werden. Allein die Fixierung auf eine einzige Zielgruppe (14-49) mit maximal zwei Alterssegmenten, unterstreicht das abwegige Weltbild deutscher Radiowerber und der mit ihnen Hand in Hand gehenden willfährigen Beraterschar.