Werter Großmeister, du hast mit vielem Recht, was du sagst. Ich denke aber mal du wirst auch so viel inside sein (zumindest erwecken deine Postings bei mir den Eindruck), daß du auch weißt wie es hinter den Kulissen eines Radiosenders ausschaut. Was mich am Endeffekt zum (übrigens freiweilligen) Ausscheiden aus den Branche bewegt hat ist eben die Unbeweglichkeit der Branche. Was vor 20 Jahren funktioniert hat, funktioniert auch noch in 20 Jahren, so lautet dort die Devise. Statt Dinge aktiv anzugehen und als Chance zu werten, gilt es sie mit allen Mitteln abzuwehren und zu blockieren.
Internet-Geschäftsfelder: Stoßen zunächst immer mal auf Begeisterung, bis es zu den Finanzen kommt. Dann heißt es letztlich "wir konzentrieren uns auf unser Kernprodukt". Schöne Ideen verschwinden dann in der Schublade.
DAB: Habe ich bis vor kurzem auch kritisch gesehen, da ich es immer nur als ein Zwangsinstrument zur Zwangsdigitalisierung gegen den Markt gehalten habe. In fast jedem Meeting, in dem es um Verbreitung ging, wurde uns von oben (Geschäftsleitung, Gesellschafter) diktiert, daß wir DAB als den Feind für das Radio anzusehen haben, der mutwillig funktionierende Geschäftsfelder studiert. Bis ich mir einmal jüngste Studien zu Herzen nahm und verwundert feststellen mußte, daß sich DAB ganz überraschend auch aus dem Markt heraus ganz passabel entwickelt (nicht nur was Geräteverkauf, sondern auch reale Nutzung angeht). Drei Jahre nach Einführung von UKW Ende der 1950er hatten wir noch keine bis zu 14% UKW Radios im Markt. Je erfolgreicher DAB aber wird, um so nervöser werden die Gesellschafter und Geschäftsführer. Sie bauen alleine auf diese, ich nenne sie jetzt einfach mal so, "Mafia-Struktur" aus RMS und ag.ma, die das Modell UKW auf der einen Seite künstlich und mit fragwürdigen Zahlen am Leben erhält, aber zugleich alles daran setzt, daß sich DAB nicht weiter entwickeln darf.
Ja, lieber Fu, du hast Recht: es fehlt der große Investor. Der könnte hier in Hamburg sitzen. Der hat in einem anderen europäischen Land wunderbare Erfahrungen und Riesen-Erfolge mit DAB und digital allgemein. Aber auch der kann nicht in das UKW-Kartell, das den privaten Radiomarkt diktiert, einbrechen. Heißt: Keine Vermarktungschance, keine Refinanzierung, man läßt es, obwohl man eigentlich gerne würde, wie man mir schon selbst bestätigt hatte.
Inwzischen würde es mich herzlich freuen, wenn die ganze Branche für ihre Anti-Digital-Strategie sowas von massiv bestraft würde. Aber im Moment ist meine Wut auch noch zu frisch, das wäre unfair gegenüber allen Ex-Kollegen, die sich täglich für gute Arbeit den Arsch aufreißen. Schade auch, daß Musikstreaming offenbar schon seinen Höhepunkt überschritten hat. Das Bedrohungsszenario war also nicht stark genug, die Gesellschafter und Geschäftsführer einmal aus ihrer "Never change a running system" - Mentalität zu befreien. Schönen Abend noch.