Jeder zieht sich halt den Schuh an, der ihm am besten passt.
Ich bin ja nun auch schon ein paar Tage alt, beobachte mein Umfeld sehr genau (vor allem im öffentlichen Nahverkehr) und kann beurteilen, ob technischer Fortschritt und messbare Produktivität im Einklang sind. Für jüngere Menschen mag das nicht so drastisch wirken; für mich als Schulabgänger der 1980er-Jahre habe ich da jedoch eine ganz andere Sichtweise.
Fakt ist doch, dass wir glauben, in einem Hochtechnologieland an der Spitze zu stehen und haben auch hohe Erwartungshaltungen (weniger an uns selbst als mehr an andere), aber nüchtern betrachtet sind wir im Grunde ziemlich rückständig und glauben trotzdem, die Richtung vorgeben zu müssen.
Beherrschen wir denn die Technik oder sie uns?
Exkurs: Ich hatte ein Event abzumikrofonieren. Ging aus bestimmten Gründen nicht mit Festinstallation - andererseits konnte einer der Künstler kein Headset tragen, weil eine Umkostümierung auf der Bühne Bestandteil des Programms war (er hätte mindestens zwei Systeme gebraucht). Ich musste heftig improvisieren - eben auch in frequenztechnischer Hinsicht. Wenn dann einer kommt und sagt "gib dem Typ doch mal ein Funkmikrofon" möchte man am liebsten zurückbrüllen "Nur wenn hier alle den Flugmodus einschalten!", weil ich manchmal keine Reserven mehr habe.
Das nur zur Einleitung.
Die an meinem Technikplatz sitzende Regisseurin habe ich in einer Pause gefragt, ob sie auf ihrem Smartphone LTE eingeschaltet hätte. Sie wusste es gar nicht (ja, war es) und meinte nur, das sei vom Provider bei Auslieferung des Mobiltelefons so voreingestellt gewesen. Ob sie Highspeed-Internet brauche? Nein, für das was sie macht, eigentlich nicht.
Exkurs Ende.
Wir sitzen bei Galaveranstaltungen, bekommen leckeres Essen serviert und statt es einfach zu genießen und die Seele baumeln zu lassen, fotografieren wir es und müssen es sofort hochladen ins Netz (sofort, bloß nicht später!).
Warum hören wir Radio nicht über Radioempfänger? Es gab doch früher auch schon Küchen- und Badezimmerradios. Heute gibt es für wenig Geld W-LAN-Radios, oder UKW- und DAB+ Empfänger. Batteriebetrieben. Aber nein, wir müssen Streams über das Smartphone empfangen..
Wie war das eigentlich vor dem Mobilfunk und den Smartphones? Wie haben wir da bloß überlebt? In meiner Jugend, mit den Großeltern, am Gardasee?
Wie wurden damals Angehörige über Notfälle in der Heimat informiert? Und ginge das heute, moderner und schneller, auch ohne Smartphone? Ja, das ist möglich. Doch stattdessen lassen wir uns von unseren SmartHomes wegen der vermeintlichen Sicherheit an das Gerät fesseln und wehe, wir können einen Tag nicht chatten (ich erlebe gerade Mütter, die sich von ihren Kindern, aber auch Freunden, Nachbarn (!) und Vereinskollegen diesbezüglich unter Druck setzen lassen).
Telefon? SMS? Wie uncool!
Aber gut: Es ist die Entscheidung von Dir und Deiner Frau. Ich respektiere sie, habe aber die Freiheit, darüber zu lachen. Merkt ihr gar nicht, wie ihr euch wegen Pillepalle das Leben unnötig schwer macht?
"Ich brauche eine App zum Radio hören, aber die im Markt gängigen Player sind uns zu kompliziert."
Hallo? Dann programmiert das doch selber was und rootet euer Smartphone! Auch dafür gibt es Foren.
Für mich ist es außerdem auch äußerst wichtig, wenn ich nächste Woche in meinem verdienten Urlaub am Strand in Portugal liege und mich informieren kann, ob zu Hause mein Haus noch steht oder ein Unwetter es weggespült hat.
Wobei es äußerst wichtig ist, dass Dich diese Information in Portugal sofort erreicht und nicht erst ein paar Stunden später z.B. über deutsche Fernsehnachrichten via Satellit in Deinem Hotel oder einer deutschen Bar am Strand (denn das wäre ja eine Meldung).
Bestimmt kannst Du dann noch über eine Funkfernsteuerung das Fundament retten und umgehend der Versicherung eine Mail schreiben (früher gab es Vertreter, mit denen konnte man auch telefonieren, aber Menschen sind ja überflüssig).
Genau das meine ich mit Produktivitätsfortschritt: Was haben wir jetzt an Mehrwert eigentlich hinzugewonnen?
Und Musik hören wir nicht auf irgendwelchen Plärrlautsprechern - dazu haben wir eine 9.1 Anlage!
Herzlichen Glückwunsch!
Für mich reichen zu diesem Zweck bereits gute Kopfhörer. Ohne Smartphone, sondern einfach nur an einem guten Audio-Interface am PC.
Auch ich habe einiges an Apps auf dem Smartphone, aber das lässt sich schnell zusammenstreichen auf:
- KatWarn
- NINA
- DWD Warnwetter
- Hilfe im Wald
- Wetter Online (nur aus beruflichen Gründen)
- Pegelstände (amtlich) der deutschen Flüsse (ebenfalls aus beruflichen Gründen).
Zusammen mit allem anderen Zeugs könnte ich, als Rentner, sogar die zwei letzten auch noch löschen.
Fertig.
An manchen Tagen wünsche ich mir tatsächlich den Zusammenbruch dieser ganzen blablabla-Infrastruktur, damit wir uns mal wieder auf das besinnen, was wirklich wichtig ist.
Lesetipp:
https://www.radioforen.de/index.php?threads/radioempfang-im-ernstfall-wie-was-wo.24187/
Und dann unterhalten wir uns noch mal über moderne Technik.