Onkel Otto hat sehr wichtige Fragen gestellt, deshalb möchte ich als erstes auf diese einzeln eingehen.
Würde eine weitere Aufsplitterung dem Privatradiomarkt in Deutschland eher schaden oder nutzen?
Ich denke, es würde dazu führen, dass den ganzen Gelddruckmaschinen namens "Radio NRW", "ffn", "PSR" usw. Hörer entzogen werden und diese mit einem besseren Programm stärker als zuvor um die Gunst der Hörer buhlen müssten.
Eine allgemeine Qualitätssteigerung, also auch der bereis etablierten Programme, wäre daher durchaus zu erwarten.
Wie ein Blick auf das Ausland zeigt, ist es jedoch übertrieben, anzunehmen, dass aufgrund des Vorhandenseins mehrerer Lokalsender die Existenzgrundlage größerer Networks gefährdet wäre: Diese hätten weiterhin ganz andere finanzielle Spielräume, da sie weitaus mehr Höhrer erreichen und damit ganz andere Preise für die Ausstrahlung von Werbung verlangen können.
Ist es tatsächlich ein Missstand, dass - polemisch gesagt - nicht über jedem Dorf eine eigene Funzel strahlt?
Dorf ist sicher übertrieben, aber nehmen wir mal mittelgroße Orte.
Überall gibt es kleine und mittelständische Unternehmen, denen gegenwärtig nichts anderes übrig bleibt, als in der Lokalzeitung, in Käseblättern oder durch Postwurfsendungen für ihre Dienstleistungen und Produkte zu werden.
Durch einen Lokalsender vor Ort würde sich eine neue Werbemöglichkeit auftun, was wiederum zu einer Ankurbelung der lokalen Wirtschaft beitragen könnte.
Wo ist die Manpower, die so etwas qualitätvoll stemmen könnte?
Viel Manpower braucht man heutzutage nicht mehr; sehr viel kann inzwischen vom Computer erledigt werden (siehe die meisten Campusradios in Deutschland).
Bei den Lokalsendern in Flandern wird vielfach nur in den Morgen- und Abendstunden moderiert.
Die restliche Zeit läuft Musik von einer Festplatte, nur unterbrochen von extern zugeführten Nachrichten zur vollen Stunde und natürlich Werbung.
Wer würde die Sendelizenzen vergeben und was wären die Kritierien für die Auswahl?
Diese Aufgabe könnten die Landesmedienanstalten übernehmen oder eine Behörde auf Bundesebene wie die ZAK.
Im Übrigen würde ich diesen Aspekt nicht überbewerten, denn wer kontrolliert die circa 8000 deutschen Webradios?
Solange es gewisse Regeln gibt, an die sich jeder Stationsbetreiber zu halten hat (keine Verbreitung von volksverhetzenden und menschenverachtenden Inhalten u.a.) sehe ich kein Problem.
Im Ausland gibt es diesbezüglich ebenfalls keine Schwierigkeiten (von ganz wenigen Ausnahmen,
wie bspw. in Dänemark, die dort allerdings auf gesetzliche Mängel zurückzuführen waren, mal abgesehen).
Gibt es in einem Ort weniger freie Frequenzen als lokale Bewerber, trifft die für die Lizensierung zuständige Behörde eine Auswahl nach Kriterien, die noch festgelegt werden müssten.
Wer würde die Qualität kontrollieren, gegenenfalls Lizenzen entziehen?
Für die Qualität der Inhalte sind die Betreiber selbst verantwortlich: Ist das Programm zu eintönig, wandern die Hörer zu anderen Stationen ab. Da aber jeder möglichst viele Hörer erreichen möchte, glaube ich, dass es keinerlei größere Mängel in diesem Zusammenhang geben wird.
Freilich wird man von diesen Programmen nicht die gleiche inhaltliche Qualität erwarten können, wie von finanziell bestens ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Sendern wie bspw. WDR 2, Radioeins, Bayern 3 usw..
Für alle Fragen im Kontext der Lizenzentzug wären die oben genannten Behörden zuständig, für die Frequenzkoordination und die Überprüfung der Einhaltung der technischen Parameter die BNetzA.
Wie schützen sich Kleinstanbieter gegen die Selbstzerfleischungsmechanismen des Marktes? Survival of the fittest?
An mittelgroßen Orten wird es nicht mehr als ein bis max. zwei lokale Programme geben können.
Zu einer Selbstzerfleischung dürfte es nicht kommen, da diese Stationen in erster Linie durch Werbekunden finanziert werden, die aufgrund der anfallenden Kosten nicht in der Lage sind, in einem Regionalsender oder gar in einer landesweiten Welle Werbung zu schalten.
Wie ist wirkliche Vielfalt gewahrt, wie also kann ausgeschlossen werden, dass jeder Kleinsender dasselbe dudelt?
Die technische Reichweite dieser Sender ist natürlich begrenzt, was allein schon aus frequenzökonomischen Gründen gar nicht anders machbar ist.
Es macht also nichts, wenn mehrere Stationen ein vergleichbares Musikformat aufweisen, da im Zielgebiet sowieso nur der jeweilige Lokalsender störungsfrei zu empfangen sein wird.
Welche Art von Werbung soll geschaltet werden (Lokal, national, international)?
Wie ich bereits schrieb: In erster Linie lokale Werbung. Zu einem gewissen Anteil (bspw. 30%) ebenfalls nationale.
Auch dies müsste natürlich rechtlich festgeschrieben werden.
Welche anderen Arten der Finanzierung außer Werbung wären denkbar?
Sponsoring wäre ebenso denkbar, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Sponsor keinen Einfluss auf die Inhalte nimmt.
Beim BRF gibt es ein gutes Beispiel dafür: Die "Saturn Sounds", die jeden Samstag ausgestrahlt werden: Bereits am Namen erkennt man, welcher Sponsor dahinter steht.
Wer würde überhaupt in einem Kleinstsender werben?
Ich würde eher von einem Lokal- oder Sublokal- anstelle eines Kleinstsenders sprechen.
Diese Frage habe ich bereits oben beantwortet.
Wer der Großen (Privat/ÖR) wäre bereit, Frequenzen abzugeben oder UKW-Sendeleistung runterzufahren, um Kleine auf der selben Welle nicht platt zu machen?
Ich denke, das ist nicht erforderlich.
Es wäre notwendig, zu schauen, was am jeweiligen Ort frequenztechnisch realisierbar ist.
Von einem höher gelegenen Standort aus müsste man eine Kleinstadt bereits mit 20 Watt ERP ausreichend versorgen können.
Die gleiche Frequenz könnte dann in 20 bis 30 km Entfernung erneut verwendet werden.
Dass das geht, zeigt ein Blick auf Flandern. An den jeweiligen Zielorten kommt es dabei auch nicht zu gegenseitigen Beeinträchtigungen in der Empfangsqualität.
Wie gesagt: Vielfalt ist wünschenswert, aber Vielfalt nur um der Vielfalt willen dann vielleicht doch nicht.
Es geht mir um eine, zumindest in Deutschland, noch nicht ausgefüllte Nische.
Dazu bedarf es in erster Linie der Bereitschaft der zuständigen Behörden, für einen fairen Ausgleich der Interessen zu sorgen, was derzeit noch nicht der Fall ist.
Mir kommt es wirklich so vor, als bestünde eine der zentralen Aufgaben der Landesmedienanstalten in Sachen Rundfunk darin, die großen Networks vor unliebsamer Konkurrenz durch Kleinanbieter zu schützen.
Genau das halte ich für nicht in Ordnung, denn dadurch wird nicht nur ein größeres Maß an Programmvielfalt verhindert, sondern auch eine Stärkung lokal agierender Unternehmen unterbunden, indem ihnen eine potentielle Werbemöglichkeit vorenthalten wird.
Exklusivmeldung schrieb:
In welchen europäischen Ländern ist dies möglich? Und inwieweit fördert es die Kultur in den jeweiligen Regionen?
Bspw. im niederländischsprachigen Teil Belgiens, teilweise auch in der Wallonie, wo die Vielfalt jedoch in den vergangenen Jahren zugunsten der großen Networks (NRJ, RTL ...) eingeschränkt wurde, in Dänemark und natürlich in den meisten südeuropäischen Ländern, allen voran Italien, Spanien und Griechenland, aber auch bspw. in Kroatien und Serbien (wo inzwischen sogar kick!fm legal auf Sendung ist, während man sich in Deutschland noch immer erfolglos um eine Lizenz bemüht) und, nicht zu vergessen, die Türkei.
Selbstverständlich wird durch derartige Programme die Kultur ebenso gefördert: Veranstaltungshinweise können zu einem integralen Bestandteil einzelner Sendungen werden.
Darüber hinaus wären Livesendungen von diversen kulturellen Events machbar.
Mannis Fan schrieb:
Bei der derzeitigen Lizenzierungssystematik für UKW-Frequenzen ist das sowieso eine eher hypothetische Diskussion. Ich glaube deshalb, dass TS2010 richtig liegt, wenn er auf zukünftige Technologien setzt. Ob das dann DAB+ sein wird wage ich nicht vorherzusagen.
Bei allen Vorzügen, die DAB+ bietet, ist es aufgrund des "Multiplexcharakters" für Lokal- und Sublokalsender weitestgehend ungeeignet.
Es wäre aber denkbar, dass sollte sich DAB+ mittel- bis langfristig durchsetzen (was ich jedoch für nicht sicher halte), landesweite, sowie Regionalsender komplett auf DAB+ wechseln und die freigewordenen UKW-Frequenzen Lokalsendern zur Verfügung gestellt werden (auch wenn das mitunter in der Tat extrem hypothetisch wäre, bei dem Gewinn, der derzeit mittels einer Verbreitung auf UKW erzielt wird).
Aber auch so bietet das UKW-Rundfunkband noch genügend freie Frequenzen für derartige Sender im niedrigen Leistungsbereich (max. 50 Watt ERP).