Musikalisches Jammertal Deutschland

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Ich muss zur Ehrenrettung der deutschen Musiklandschaft anmerken, dass einige sogenannte "Schlagersender" (allen voran WDR4) die deutschsprachige Musikszene teilweise vorbildlich abbilden. Dort laufen nicht nur Durchschnittsschlager und Klassiker, sondern auch Liedermacher, "Deutsch-Pop" und deutschsprachige Musik verschiedenster Stilrichtungen wie Rock, Country, R&B, Folk, Latin etc.

Aber die meisten Leute, die sich berechtigterweise über den superflachen Mainstream beklagen, kriegen das nicht mit, weil sie diese Sender grundsätzlich nicht einschalten.
 
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Mich würde viel mehr interessieren, warum man erst so großartige Portale wie meinfritz.de, myyou-fm.de etc. installiert hat, welche von Nachwuchsbands aller Colour durchaus gut genutzt werden, die dortige Musik im normalen Radioprogramm aber dennoch nicht zu hören ist. Es bleiben Alibi-Portale, die zwar einen guten Ansatz darstellen, aber mehr eben auch nicht. Da hilft es den angeblich so innovativen Jugendwellen der ÖRs auch nicht, das man eine Stunde am Tag (Fritz) bzw. eine Stunde in der Woche (YouFM) mal ein paar Songs aus dem Portal spielt. Sowas gehört übers gesamte Tagesprogramm verteilt.
 
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Na komm, bei Fritz läuft relativ viel von neuen deutschen Acts, vielleicht nicht in dem Maße wie Du Dir das wünscht, aber neue deutsche Bands haben ihren festen Platz seit jeher bei Fritz und zwar schon länger als es MeinFritz gibt, aktuell ganz groß: Kraftklub.
 
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Noch ist Fritz da eine gewisse Ausnahme. Die Frage ist: Wie lange noch? Schließlich soll es ja auch dort hinter den Kulissen heiß her gehen, ich sag nur mal "Blue Moon" als Stichwort.
 
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Ja, Fritz blutet ja seit gut 3 Jahren aus, mir fehlen einfach Sendungen wie der Bollmann, die Kürzung des BlueMoons auf 2 Stunden, die Automatisierung in der Nacht und das Umbenennen aller Sendungen in Soundgarden beschnitten Fritz auf eine beunruhigende Weise, wenn die Musik nicht immer noch eine Alternative in der Musik bieten würde dann hätte ich keinen Grund mehr den Sender einzuschalten...!
 
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Oh mir kommen die Tränen! Selbst Fritz ändert sich? Ja wo mag das dran liegen?? Ach ja, ich vergaß, auch nur noch Fl...pfeifen am Ruder oder wie? Oder erst Sputnik! Alles nur noch Formatmüll? Nur warum? Warum? - Tja, wer das nicht weiß ist selbst ein Auslaufmodell. Pfüati!
 
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Ja, richtig: ein Auslaufmodell.

Einer, der ein eigenes Wertebild hat. Wertvolles von wertlosem unterscheiden kann, wichtiges von belanglosem, leidenschaftliches von lieblosem, authentisches von künstlich inszeniertem. Einer, der nicht grübeln muß, ob etwas "Kunst" ist oder Kommerz, sondern es sofort und richtig im Bauch und im Herzen spürt. Und sei es durch spontane Übelkeit bei der Konfrontation mit deutschen Medien oder auch nur mit dem ganz normalen kranken Straßenbild.

Solche Menschen sind in der Tat in unserer Gesellschaft Auslaufmodelle. In der Öffentlichkeit tauchen sie kaum noch auf. Die Mehrheit da draußen ist von beschämend niedriger kultureller Entwicklungsstufe, hat selbst als Erwachsener nur so viel geistig-kulturelle Eigenständigkeit wie ein Kindergartenkind, wenn es sich normal entwickelt hat. Sie ist damit leichte Beute für jede Form von Kommerz. Da die deutsche Gesellschaft inzwischen komplett durch wirtschaftliche Interessen bestimmt wird und das Staatssystem genaugenommen nichts anderes als die bereits von Marx benannte Diktatur des Kapitals darstellt, die man um einige pseudo-Demokratie suggerierende Mechanismen zur Diktatur der Prolls erweitert hat, paßt hier doch alles prima zusammen.

Der deutsche Depp, unfähig, ein selbst(!)bestimmtes Leben zu führen, ist hier erst einmal willkommen. Er garantiert Verläßlichkeit für das Kapital. Er kauft jeden Scheiß. Er glaubt sogar, durch Kaufen Geld sparen zu können. Er rennt jedem "Trend" nach. Er lauscht auf geheimnisvolle Geräusche und meldet brav "Flitzer-Blitzer". Er hält Schönheitsoperationen für Maßnahmen, die menschliche Werte steigern. Er richtet sein Leben nach dem gerade angesagter "Superstars" aus.

Das funktioniert erstmal alles wunderbar und spült der Industrie Geld in die Kassen, das sie mit geistig-kulturell normal entwickelten Menschen nichtmal ansatzweise bekäme. Ganze Industriezweige leben davon, daß diese Gesellschaft auf dermaßen niedrigem Niveau stattfindet. Natürlich muß das weiter optimiert werden, denn das einzige Gesetz, dem Kapital unterliegt, ist das Naturgesetz vom Wachstumszwang. Und also werden auch weiterhin Missionare des Kapitals in öffentlich-rechtlichen Anstalten hofiert und finanziert und dürfen ungehemmt ihren Hass auf emanzipierte Menschen ausleben, bis auch das letzte bißchen Kultur unter die Räder gekommen ist. Bei Sputnik sehen wir aktuell, wie schnell das gehen kann - und wie wenig die Öffentlichkeit noch Anteil daran nimmt, weil sie bereits fast nur noch aus denen besteht, die sich auf der vom Kapital gewünschten Entwicklungsstufe befinden.

Doch die Sache hat einen Haken: sie ist nicht nachhaltig. Emanzipierte Menschen sind eine Ressource, auf die keine Gesellschaft verzichten kann. Sie mögen zwar keine sonderlich wertvolle Funktion als Konsument erfüllen, aber sie stellen diejenigen, die durch Kreativität und Eigenständigkeit überhaupt erst in der Lage sind, eigene und neue Wege zu gehen, Lösungen für anstehende Probleme zu finden, neue Produkte zu ersinnen - und damit letztlich der Gesellschaft progressive Impulse zu geben. Sie sind damit selbst für die Wirtschaft genauso wertvoll wie Ölfelder oder Kupferminen. Man ist bereits heute in der durchaus obskuren Situation, auf der einen Seite alles erdenkliche zu tun, durch Diskriminierung und Demütigung diese Menschen aus der Gesellschaft zu vertreiben (nichts anderes beobachten wir seit 2 Jahrzehnten in unserem Spezialgebiet, den Medien) und ein Nachwachsen solcher Menschen zu verhindern, während auf der anderen Seite bereits auf allerniedrigster Ebene geklagt wird, daß kein Nachwuchs für die Wirtschaft gefunden werden kann, da sich ein Großteil der nachwachsenden Generation auf dermaßen erbärmlichem Niveau befindet, daß er für nichts mehr geeignet ist. Und dabei geht es nicht einmal um Fachwissen oder besondere Intelligenzleistungen, sondern um Dinge, die zum ganz normalen Handwerkszeug eines erwachsenen Menschen gehören sollten.

Im Klartext: diese Gesellschaft generiert massenhaft Vollpflegefälle. Die zugehörigen Pflegeheime für diese Art geistiger Umnachtung und Lebensunfähigkeit werden dabei jedoch nicht nachträglich geschaffen, sondern waren bereits vorab errichtet worden, zu Lasten selbständiger Menschen. Diese Pflegeheime heißen in unserem "Fachgebiet" z.B. 89.0RTL, Radio Top40, Jump, Hitradio xy und neuerdings halt auch wieder Sputnik. Da läuft der Soundtrack eines Landes, das sich selbst abwickelt und nicht verstehen will, warum dem so ist. Man kann die Wahrheit ja nicht einmal aussprechen, ohne durch wütende Reaktionen bestätigt zu bekommen, daß man Recht hat.
 
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@Radiowaves
Hut ab! Zutreffende Analyse, die ich inhaltlich voll unterschreibe. Ich hätte allerdings nicht so bitter formuliert, sondern eher mit fröhlichem Galgenhumor. Denn wenn man unter lauter Nichtschwimmern zu den wenigen gehört, die schwimmen können, dann ist das doch eher ein Grund zu optimistischer Zuversicht.
 
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radiowaves schrieb:
Emanzipierte Menschen sind eine Ressource, auf die keine Gesellschaft verzichten kann. Sie mögen zwar keine sonderlich wertvolle Funktion als Konsument erfüllen, aber sie stellen diejenigen, die durch Kreativität und Eigenständigkeit überhaupt erst in der Lage sind, eigene und neue Wege zu gehen, Lösungen für anstehende Probleme zu finden, neue Produkte zu ersinnen - und damit letztlich der Gesellschaft progressive Impulse zu geben
In der Aussage gehe ich mit radiowaves d'accord. Insbesondere vermisse ich Lösungen für anstehende Probleme zu finden, neue Produkte zu ersinnen im Moment noch an der consultant-Front (:D).
kein Nachwuchs für die Wirtschaft gefunden werden kann, da sich ein Großteil der nachwachsenden Generation auf dermaßen erbärmlichem Niveau befindet, daß er für nichts mehr geeignet ist.
Stimmt. Ist aber nicht die Schuld der deutschen Radiolandschaft.
Bei Sputnik sehen wir aktuell, wie schnell das gehen kann - und wie wenig die Öffentlichkeit noch Anteil daran nimmt, weil sie bereits fast nur noch aus denen besteht, die sich auf der vom Kapital gewünschten Entwicklungsstufe befinden.
Heftiger Widerspruch beim letzten Halbsatz. Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen möglicherweise so ein Denken vorherrscht (eine Aldi-Kassiererin bleibt eine Aldi-Kassiererin...) ist bestimmt nicht "das Kapital" daran schuld. Schade um die Kurskorrekturen bei Sputnik, aber erwartest Du wirklich Aufschreie und massenweise Proteste? Vielleicht erreichen die jetzt sogar mehr Hörer als zuvor?
Nee, lese da immer wieder diesen unterschwelligen systemsteuernden Generalangriff auf Bildung und Runterfahren aller Medien heraus, und da bin ich gar nicht d'accord. Unterhaltung darf und wird es immer geben und auch ein Radio als Nebenbeimedium hat seine Erklärung und Daseinsberechtigung. Solange es Alternativen gibt und -bald- mal die Gegenbewegung aus ganz einfachen markttechnisch bedingten Gründen eintritt.... und dann war wohl auch das böse Kapital daran schuld?
 
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Jau, Radiowaves. Zwar bin ich, Gott möge es in alle Zeit verhindern, noch nicht ganz auf der fatalistischen Stufe angekommen, die aus Deinen Postings spricht...aber wenn ich mal wieder durch irgendwelche absurden Umstände dazu gezwungen werde, unsere ortsansässige "Partymeile" zu kreuzen, dann kann ich oben gesagtes gut nachfühlen. Wenn ich feststelle, wie sich der akademische Nachwuchs unserer Elite-Hochschule in eifriger Zusammenarbeit mit dem übrigen Bespassungs-Mob dort gebart, dann greifen bei mir sämtliche Fluchtinstinkte. Und wenn ich dann am Morgen danach dieselbe Altersgeneration erlebe, wie sie nicht einen fehlerfreien Satz zu Papier bringt, weil das Facebook-Posten und Chatten neben der Arbeit wichtiger ist und das sprachliche Niveau bei letzterer Tätigkeit der Erstgenannten angepasst wird, dann neige ich beinahe auch zur Verzweiflung.
 
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Hm. Was mich bei der ganzen Sache dann aber doch deprimiert ist, dass sich Opfer und Täter bei dem Thema gegenseitig nahezu unentwirrbar durchdringen. Radiosender spielen Kommerzkram, weil die Hörer das eher annehmen als anspruchsvollere Musik. Der Kunde ist hier König. Würden die Hörer den ganzen Dreck einfach abschalten, ganz schnell würde auch andere Musik laufen, damit wieder eingeschaltet wird. Radiosender spielen das, bei dem die meisten Hörer einschalten. Also - sind die Radiomacher die Opfer.
Stimmt aber natürlich auch nicht ganz. Der durchschnittliche Hörer hat keine Zeit und keine Lust sich selbst auf die Suche nach Musik zu machen, kennt also nur das, was ihm vorgesetzt wird. Und das ist Kommerzkram. Also - ist auch der Hörer in der Opferrolle.
Und dann kommt da noch die Plattenindustrie, die großen Labels trauen sich kaum noch an innovative Themen. Weil - genau, es wird nicht gespielt und nicht konsumiert.

Ich finde ja hier wird sehr viel Wahres geschrieben (von manchem). Nur die Schuldfrage, um aus dem ganzen Mist herauszukommen, wird kaum zu klären sein.Huhn und Ei lassen grüßen.
 
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Korrekt. Und eine schöne Definition von Kommerzkram. Das, worauf sich die meisten einigen können. Richtig glücklich werden die wenigsten, als okay empfunden und toleriert wird es von den meisten, gehasst nur von einer kleinen feinen Gruppe.
 
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Das ist der Punkt. Würde das musikalische Jammertal oder auch das dudelformatierte Radiojammertal die Leute glücklich machen, wäre ja nicht allzuviel dagegen einzuwenden. Tatsächlich aber führt die beschriebene Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners oft zu einer banalen Minimalkonsens-Sauce, die letzlich keinen zufrieden macht.
Warum funktioniert es trotzdem? Weil ausschließlich die quantitative und nicht die qualitative Akzeptanz eines Programms für den Erfolg entscheidend ist. Einfacher gesagt: Ob der Hörer zufrieden oder unzufrieden am Radio/Fernseher hockt, ist ebenso gleichgültig wie die Frage, ob er hochkonzentriert lauscht oder es vollkommen desinteressiert im Hintergrund laufen läßt (letzteres wird in Bezug auf unbewußte und damit unkritische Rezeption von Werbespots zuweilen sogar präferiert).
Wäre das Geschäftsmodell ein anderes, d.h. würde der wirtschaftliche Erfolg eines Senders vom Commitment seiner Rezipienten abhängen, dann sähe es anders aus. Denn der rein quantitative Konsum von Dudelradio und Trash-TV ist zwar hoch, aber da es kaum jemandem etwas WERT ist, wäre auch kaum einer bereit, dafür etwas zu zahlen.
 
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Ebenfalls sehr richtig gesagt und geschrieben. Was den Fokus auch gleich wieder in eine andere Richtung drängt. Wenn wir schon einen Schuldigen suchen, sind das für mich weder die Dudelradios noch die Hörer und auch nicht die Labels. Die unsinnige MA ist es. An der nämlich müssen Dudelradios sich ausrichten. Gäbe es diese Form von MA nicht, ich bin mir sicher, das Jammertal wäre bei weitem nicht so tief wie es das momentan ist.
 
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Ich habe die damalige NDW weitaus besser in Erinnerung, als vieles, was heutzutage im deutschen Rock- und Pop-Bereich so veröttentlicht wird. Insofern bin ich froh, dass die "Deutsch-Quote" noch nicht eingeführt worden ist. Wäre für mich sonst kaum auszuhalten!

Wie so oft in diesem Forum: Die Zeiten erscheinen (!) größer, je weiter sie sich entfernen...
 
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Ich möchte aber schon mal die Prognose wagen, dass von den heute aktuellen deutschsprachigen Heulsusen in 25 Jahren auch nicht ein Bruchteil soviel übriggeblieben sein wird, wie von den NDW-Protagonisten heute noch in den Programmen auftaucht.
 
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