Ich hab die 80er radiomässig (allerdings im Südwesten) so erlebt:
Die öffentlich-rechtlichen Anstalten boten qualitativ hochwertige Programme. Sie versuchten, alle Zielgruppen anzusprechen, von experimenteller Musik über Klassik, traditionelle Unterhaltungsmusik, Volksmusik, Schlager, Tanzmusik bis zu Jazz, Pop & Rock, daneben Informationen, Politik, Hörspiele, Features, Sport, Kultur usw.
Durchhörbare Programme waren damals noch ein Novum, Vorreiter war der Saarländische Rundfunk (das vergessen gerne alle SWF3-Fans) mit seiner Europawelle, da man dort Konkurrenz aus Luxemburg hatte. Der SWF folgte dann 1975 mit seiner Popwelle, HR BR und SDR erst Ende der 70er-Jahre. Die öffentlich-rechtlichen waren dort, gegenüber WDR, NDR und Co. gut aufgestellt, auch mit massenwirksamen Programmen. Das einzige Manko: Die Distanz Hörer-Sender war relativ groß. Mit reinen DJ-Sendungen (also Musik, lockere Präsentation ohne große Inhalte) tat man sich immer schwer. So etwas gab es nur stundenweise.
Dann kamen ab Mitte der 80er die Privatsender. Sie brachten teilweise ohne Inhaltszwang eben genau das: lockeres Unterhaltungsprogramm mit Pop- und Rockmusik. Das schlug natürlich gerade dort wie eine Bombe ein, wo die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein sehr dröges, kulturbeflissenes Programm machten, also im Norden (RSH, ffn, Radio Hamburg), in NRW (BNL/Fantasy etc., RTL und auch RPR) und in Bayern (R. Brenner, Radio M1, RBI und Co.). In Baden-Württemberg taten sich die Privatsender anfangs viel schwerer. Die ältere Generation war fest in Händen der öffentlich-rechtlichen, allen voran Südfunk 1. Die jüngere Generation hörte SWF3, tlw. noch SDR3, Bayern3, Ö3, DRS3 oder sogar AFN. Der Großteil der lokalen und regionalen Privatsender versuchte entweder, direkt die junge Zielgruppe ion Konkurrenz zu SWF3/SDR3 abzugreifen, was mangels Professionalität nur ansatzweise gelang. Der andere Teil versuchte die Lücke zwischen den Popwellen und den 1er-Wellen zu schließen und setzte auf Middle-of-the-road, also eine Mischung aus Oldies, gemäßigtem Pop und bisweilen Schlager, war damit ebenfalls nur teilweise erfolgreich. Für mich (damals Schüler, wohnhaft im Dorf ohne große Freizeitmöglichkeiten) war es einfach aufregend zu erleben, wie die Sender wie Pilze aus dem Boden schossen. Ständig gab es etwas neues im Band. Die Programme waren hörernäher, tlw. wurde man geduzt, man konnte auch vorbeikommen und mal reinschauen, während beim SDR die Stippvisite an einem großen Tor beim Pförtner endete. Es gab viel Hörerbeteiligung: Wunschsendungen, Grußsendungen, Spiele mit Hörer (nicht wie die heutigen Gewinnspiele, sondern echtes Spiel in abgeschlossener Sendung mit kleinen Preisen -> CDs, Gutscheine etc.). Man hatte da auch die Chance, durchzukommen und war schon bald mit dem Moderator per Du. Das hatte einfach eine heimelige Athmosphäre, wenngleich es nicht so professionell klang wie bei den Großen. Die Programme, die von Anfang an nur SWF3 nachmachten oder journalistische Zeitungssender waren, blieben für mich uninteressant.
Heute würde so etwas wohl kaum mehr funktionieren, weil es andere Medien gibt, für Musik, für Unterhaltung, für Information, für Spiele und Kontakte, für den Zeitvertreib. Damals gab es kein Handy, kein Internet, im Fernsehen hatten wir drei Programme und einen Computer gab es bei uns im Haus auch nicht. Der letzte Bus fuhr um 19 Uhr. Taxi Mama war damals noch die große Ausnahme. Das war der Unterschied, deshalb funktionierte das damals!