AW: Ö3-Empfang im Ausland
Ich kann das nachvollziehen, was du geschrieben hast: Ich vergleiche gern das Radio und eine Einkaufsstraße in einer größeren Stadt miteinander: Früher waren die Geschäfte klein, individuell, auf den Konsumenten und dessen Bedürfnisse ausgelegt, so ähnlich waren es auch die Radiostationen: Sie haben uns deshalb begeistert, weil sie noch nicht formatiert waren, weil der Wortgehalt noch gehaltvoll und sehr sinnvoll war, und weil die Interviewer noch den Charme hatten, und auch gebildet waren. Die Musikauswahl lag nicht im Interesse der großen Plattenindustrie, sondern im Interesse der Künstlerinnen und Künstler und auch der Moderatorinnen und Moderatoren; nicht selten kam es vor, daß ein US-Superstar auf Europatour in einem Studio vorbeischaute und mit dem sehr charmanten Moderator ein Interview führte. Das waren noch unerreichte Vorbilder für manchen Radiozuhörer, und wie erst für einen Musikbegeisterten! Es war wie ein Kassenschlager in einem Tante-Emma-Laden, nehmen wir die bekannten Zucker-Drops.
Heute schaut eine Einkaufsstraße einer größeren Stadt aus wie eine Aneinanderreihung von etwa gleichen Ladenkonzepten, ein Schuh- und Bekleidungsgeschäft mit fast den selben Sachen nebeneinander, egal ob man das Ding Deichmann oder Sutor oder was auch immer nennt, man kann Schuhe der gleichen Qualität kaufen. Diese Schuheinkaufsgeschäfte wurden "formatiert", man hat das Leben aus ihnen genommen, das der Schuhmacher vor Ort in früheren Zeiten hatte, mit dem Plausch, etc. Und ähnlich ist es dem Radio gegangen. Mit der Formatierung und den damit verbundenen negativen Konsequenzen hat das Radio an Leben verloren, an Vitalität, hat keinen Inhalt mehr, auch die Musik ist austauschbar, weil sich die Stars musikalisch immer ähnlicher werden, und auch von den mit den Sendern verbundenen Plattenlabeln immer mehr gepusht werden. Hinzu kommt, daß eine Unzahl von Internetradiosendern auch noch den "herkömmlichen" Sendern das Leben schwer macht, weil manche von ihnen sich wieder an die alten Zeiten erinnern, in denen Wortwitz, lakonische Schlagfertigkeit, das Bestreiten neuer musikalischer Wege und so weiter an der Tagesordnung gewesen sind.
Leider haben das aber die herkömmlichen Sender nicht mehr so, weil man ihnen ein Korsette angelegt hat: "Du spielst jetzt das und das, und wenn nicht, wirst du geschasst."
Und diese Dinge, wie auch die immer mehr eintönig werdende Musikindustrie, machen alle Radiosender, egal, was, auf ihrem Segment immer ähnlicher und gleichen damit einer Fußgängerzone einer Großstadt in Deutschland, Österreich im Jahre 2011. Ich nenne gerne manche Sender "Franchisenehmer" der Labels und der Gesellschafter, und ohne diese Franchisenehmer könnten sich manche Gesellschafter gar nicht mehr richtig halten.
Das ökonomische Streben nach Quote, Gewinn und Einfluss wird leider mehr geschätzt als der Sozialauftrag des Radios, ein Medium für alle zu sein und nicht nur für ein paar ganz wenige.
So gesehen ist ein Radio-Oligopol entstanden.
Zudem noch: Der Entdeckergeist im Medium Radio scheint auch weggeblasen zu sein, auch und v.a., weil staatliche Regelungen, etc. die Gründung eines Radiosenders manchmal behindern.
Und "nur" Internetradio will man auch nicht tun.
Daher können sich nur noch finanziell starke Sender halten, zumeist. Und das schafft auch ein Oligopol, was mitunter auch diese Eintönigkeit beschleunigt.