AW: Private- und ÖR-Mainstreamsender
AirwaveMHz schrieb:
Man kann die Diskussion immer wieder aus zwei Perspektiven führen, die meiner Meinung nach beide ihre Berechtigung haben.
Das Dilemma dürfte bekannt sein. Quote und Qualität korrelieren nicht, weil die Hörer "Qualität" unterschiedlich wahrnehmen, weil sie unterschiedliche Erwartungen an das Radio haben. Project 89.0 wird z.B. sehr gerne in Flachfunk-Diskussionen als leuchtendes Alternativ-Beispiel gehandelt - und war eines der am härtesten formatierten, inhaltsleersten Programme überhaupt.
AirwaveMHz schrieb:
Nummer 1: Warum soll der Bürger Gebührengelder zahlen für ein Programm wie Jump, das die Privaten genau so anbieten?
Die Frage ist angesichts der Tatsachen, daß man immer nur ein Programm gleichzeitig hören kann und daß die Privaten die "Grundversorgung" auf diesem Gebiet bereits leisten (leisten müssen), aus meiner Sicht berechtigt.
AirwaveMHz schrieb:
Nummer 2: Warum sollen alle Bürger Gebührengelder bezahlen für Programme, die nicht die Masse ansprechen, d.h. von denen der Großteil der Bürger nix hat?
Gegenfrage: warum zahle ich jeden Monat in die Arbeitslosenversicherung, in die Rentenversicherung und in die Krankenversicherung ein? Ich bin doch weder arbeitslos, noch Rentner, noch (hoffentlich) krank. Die Antwort ist in diesen Fällen völlig klar: ich könnte arbeitslos werden und meine Situation dann durch gewisse solidarisch erbrachte Leistungen etwas abgefedert werden. Ich könnte das Rentenalter erleben und möchte dann freilich auch nicht betteln gehen (daß die demoskopische Entwicklung nicht gerade das beste für diese Zeit erwarten läßt, ist klar). Und: wenn ich erkranken sollte, dann möchte ich auch eine gute Versorgung bekommen. Es ist völlig klar, daß ich zumindest in die Arbeitslosen- und die Krankenversicherung einzahle, ohne überhaupt zu wissen, ob ich die Leistungen einmal in Anspruch nehmen werde.
Der Unterschied zur GEZ, in die ich auch einzahlen muß und die ich inzwischen (aufgrund ihrer Erhebungsbedingungen, der sich fast niemand legal entziehen kann) für eine gesellschaftliche Solidarleistung halte: beim ÖR ist es (hoffentlich) keine Notsituation, in der ich ihn nutze. Die Gemeinsamkeit: ich zahle für etwas, das ich eventuell einmal gebrauchen könnte, auch, wenn ich es vielleicht normalerweise nicht gebrauche. Medien können wichtig sein, der Rundfunk ist das schnellste Medium und das mit dem unkompliziertesten Zugang. Was ist im Kriegs- oder Krisenfall? Wer informiert mich seriös und umfassend? Wer hat Glaubwürdigkeit? Wen kann ich ernst nehmen? Wer kann auch unabhängig von wirtschaftlichen Eigeninteressen Themen bearbeiten? Wer kann auch Randgruppen der Gesellschaft ein guter Vertreter sein? Oder viel harmloser: wer spiegelt die Realität wider und nicht ein Leben, das ausschließlich als Prototyp in Marketinginstituten herumgeistert? Selbst, wenn ich all das derzeit nicht brauche, habe ich doch ein Recht darauf, daß mir im Fall der Fälle genau dies zur Verfügung steht. Dann kann ich hoffentlich auf ein Medium zurückgreifen, das genau diese Anforderungen erfüllt. Deshalb: GEZ = Solidarleistung, mit all ihren Eigenschaften. Unter Umständen auch mit der, daß ich normalerweise auf das, was ich damit finanziere, nicht zurückgreife. Zumindest ist das meine Sicht auf die Dinge.
AirwaveMHz schrieb:
Und, ihr dürft mich gern dafür verteufeln, ich glaube nicht, dass Radio Eins im MDR-Gebiet Erfolg hätte. Sowas geht in Berlin, aber nicht hier.
Ich bin auch von "hier", nämlich aus Jena/Gera. Von meinen Freunden und Bekannten dort hört keiner gezielt terrestrisches Radio, einer hat eine Satschüssel. Immerhin gibt es also genug Leute, die das, was terrestrisch dort so geht, nicht gutheißen. Und auf das Experiment, Radio EINS auf der Kette von Jump zu verbreiten, wäre ich schon sehr gespannt. Freilich, kann voll nach hinten losgehen. Muß es aber nicht. Wie sang schon Gerhard Schöne? "Du hast es nur noch nicht probiert, und darum glaubst du's nicht." Außerdem: was haben die Menschen dort verbrochen, daß sie im Dunkeln bleiben sollen?
AirwaveMHz schrieb:
Wenn aber die Brötchenverteilstelle sich vom Mainstream-Bäcker bewusst dadurch abgrenzt, dass sie spezielle Brötchen verkauft, die nur einer kleinen Minderheit schmecken, dann fragt sich die Mehrheit auch, warum sie die Verteilstelle subventionieren muss.
Wenn aber die Brötchenverteilstelle sich vom Mainstream-Bäcker bewusst dadurch abgrenzt, daß sie gesunde, wohlschmeckende Brötchen verkauft, während das Volk lieber bei Fertigbackmischungen zugreift und sich regelmäßig eine Blähung holt, dann...
AirwaveMHz schrieb:
Und zu den Flachpfeifen: Wenn es nun aber im Lande ein Vielfaches mehr Flachpfeifen als ordentliche Hörer gibt, dann kann der ordentliche Hörer nicht in gleichem Maße berücksichtigt werden, weil nun mal auch ein Vielfaches mehr Flachpfeifen Gebührengelder bezahlen.
Das sehe ich grundlegend anders, eben unter dem Gesichtspunkt, daß es sich bei der GEZ inzwischen tatsächlich um eine Art Solidarabgabe handeln muß.
AirwaveMHz schrieb:
Ein wirklich erfolgreiches Massenprogramm, das unsere Ansprüche erfüllt, wird es in diesem Leben nicht geben.
Da stimme ich Dir vollkommen zu!