AW: Sputnik hat Bildungsauftrag erkannt...
Nachdem auf anderen Kanälen Stille herrscht? Würde ich nicht erwarten.
Mir schwant, da könnte jemand selbst nicht ganz glücklich sein. Ich kenne Markuse als Bewunderer von FM4 - und als Realist, der weiß, daß in Sachsen-Anhalt sowas nicht ginge. In Österreich funktioniert das ja letztlich auch nur in den großen (Universitäts)städten einigermaßen. Das war/ist aber nichts neues, das Sputnik-Programm, wie es seit Herbst 2006 aufgezogen wurde, war ja nun auch mit FM4 nicht vergleichbar, im deutschen Maßstab allerdings schon wohltuend - auch tagsüber.
Der Bruch, der nun offenbar vor einigen Wochen stattgefunden hat, mutet mir "aufgezwungen" an. Auch ein Programmchef hat Chefs. Und auch ich kenne "nicht so dürfen, wie ich es für angemessen halte" aus dem beruflichen Alltag, inklusive des ekligen, sich daraufhin auftuenden Spagats. Wie gesagt: das ist mangels Informationen nur eine Vermutung von mir.
M.W. war die Position des Wellenchefs so ziemlich die einzige, auf der es eine personelle Veränderung gab. Sonst handelt es sich doch weitestgehend um dieselbe Redaktion, die schon das Konzept „black, hot and sexy“ gestaltet hatte, oder bin ich da nicht richtig informiert?
Ich habe keine Kenntnisse zur Redaktion, aber auffällig war, daß Stimmen, die jahrelang nicht mehr on air waren, zurückkehrten - und das aus gutem Grund. Hendryk Proske zum Beispiel oder, freilich nicht in Halle produziert, Johannes Paetzold. Auch habe ich mal aufgeschnappt, daß es eine personelle Erweiterung gab und seinerzeit wohl fast alle von Jump am liebsten zu Sputnik gewechselt wären. Da ich aus anderer Quelle mal einen Bericht über das Klima bei Jump bekam, wundert mich das auch irgendwie nicht. Das Klima bei Sputnik habe ich als "fleißigen, begeisterten Ameisenhaufen" erlebt. Die sitzen da auf engstem Raum und brüten an Ideen. Das wirkte wie geistigeFreilandhaltung, nicht wie Käfighaltung.
Tatsache ist aber auch, daß Markuse die Sputnik-Moderatoren der vor-Markuse-Zeit nicht feuerte, sondern aufbaute. Und das war aus jetziger Sicht eine sehr gute Entscheidung, denn die können was. Abgänge gab es freilich auch, ich weiß nicht mehr, ob es mit dieser Zeit (Herbst 2006) zusammenfällt. "Rob" plärrte mir in highspeed vor einer Woche entgegen, als ich, frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt, nahe des Ostkreuzes eine Pizza essen war. Hunahtvieapunktsex wars wohl, mit wimmerndem Michael Jackson ("Heal the World") - selbst eine Gruppe Passanten Mitte 20 und typisches Friedrichshain-Publikum (alle Kerle 15 Jahre älter aussehend und Glatze, alle Frauen Zigarette und "tough" wirken wollend) machte sich im Vorübergehen über das Jackson-Gejaule lustig. Das nächste mal suche ich mir einen Laden aus, in dem nichts, MP3 oder Radio Eins läuft.
Wenn doch, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder war man dort vorher permanent am Kotzen und arbeitete nur noch aus der inneren Emigration heraus, oder die Eigendarstellung auf der angeführten Seite ist nicht allzu ernst zu nehmen.
Ob sie "am Kotzen" waren, weiß ich nicht. Ich kann nur das Gefühl einer Dankbarkeit, Erleichterung und Begeisterung mitteilen, das ich beim Lesen einer "Klimabeschreibung" aus der Sputnik-Redaktion vor etwa 2 Jahren hatte. Ich hatte den Eindruck, schlechtbezahlte (Freie?), die über das, was sie jetzt dürfen, sehr glücklich sind.
Mir kommt das so vor, als sei man mittlerweile zu der Ansicht gelangt, die in der zitierten Selbstdarstellung ersichtliche Zielgruppe existiere in Sachsen-Anhalt nicht in ausreichendem Umfang.
Das glaube ich wohl, denn die exisiteren im Osten zumindest nur noch in größeren Universitätsstädten, der Entbürgerlichung des Ostens sei "Dank". Da gibt es keine gesellschaftliche Mitte mehr, sondern oft nur noch extreme Ränder. Wenn ich in die Provinzen schaue oder in aufgegebene einstige Großstädte, da bestimmen deutlich sichtbar sehr junge Mütter mit Kinderwagen und Nazitypen an ihrer Seite das Straßenbild. Und da sind extrem viele sehr junge Mütter in sozialen Netzwerken in Gruppen der Art "Todesstrafe für Kinderschänder", als geschähen jeden Tag in jeder Stadt mehrere solche Verbrechen. Gebildete Eltern habe ich in meinem Freundeskreis - denen ist die Teilnahme an sowas so fremd, wie es die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses gebietet. Damit ist die Sache klar: es geht nicht um das vorgegebene Anliegen der Gruppe, sondern um die rechte Propaganda, die damit veranstaltet wird.
Ja, Sputnik sendet(e) vermutlich in einem Großteil seines UKW-Gebietes völlig Perlen vor ohnehin-nicht-hörende-Bevölkerungsgruppen, während wirklich interessante Städte (Jena, Dresden, zu gewissem Teil auch Leipzig) unversorgt sind. Daß das bei Sputnik durchaus bekannt war und so empfunden wurde, wage ich mit Sicherheit zu sagen.
Möglicherweise dachte man da sogar an die DT64-Kinder damals.
Definitiv nicht. Damit wollte das neue Sputnik nichts zu tun haben, das ist aus einer anderen Zeit und einem völlig anderen gesellschaftlichen Zustand.
Möglicherweise nicht mal, weil es das angepeilte Segment potentieller Hörer nicht gibt, sondern weil das Programm dort nicht zusagte. Was mich, offen gesagt, nicht überraschen würde.
Es wirkte auf mich immer wie ein Spagat zwischen "FM4 ist was tolles" und "Sachsen-Anhalt ist nicht Wien". Ich hätte gerne "Wien konsequent" gehabt, zum Beispiel andere Inhalte und andere Gewichtungen in den Nachrichten und deutlich "schrägere" Musik im Tagesprogramm. Das ist ja
kein wirklich neues Problem, es hat sich nur halt jetzt zugespitzt.
Ich bin inzwischen der Meinung, daß sich das Konzept „Jugendradio“ insgesamt überlebt hat. Früher war das ganz einfach: Jugend = Popmusik.
Das ist tatsächlich so. Oder es liegt daran, daß wir uns damals zur "Jugend" zählten (so mit 13-16) und eben Popmusik hörten. Irgendwas halt, bervorzugt englisch, bevorzugt ausm Westen, Inhalt und Aussage egal. Wenn ich meine alten Kassetten durchschaue, kommt mir auch ab und an das Grauen. Schon mit 16 wars bei mir durch eine Internats-Umbelegung so, daß ich an gleichaltrige, aber völlig andere Leute kam (Parallleklasse, da hatten sich ganz andere Kulturen herausgebildet als bei uns). Statt Madonna und Sandra hörte man dort Slime und Normahl oder Ton Steine Scherben und las den Baader-Meinhof-Komplex. Kulturschock - und dabeigebleiben bzw. übergewechselt. Auch das war - mit 16 - noch "Jugend", aber eine mit völlig anderer Lebensrealität. Dort hörte man dann auch nicht RIAS 2, sondern DT64. Der Rest ist Geschichte.
Heute wissen wir: "Jugend" ist eine Sammelbezeichnung von Leuten, die keine Ahnung haben, wie die junge Generation tickt. Letztlich eine Bezeichnung von denen, für die Deathmetal, Loveparade und HipHop das gleiche ist, für die es keine Differenzierungen in der Lebensrealität junger Leute gibt. Die bildet sich aber - nebst eigener Kultur - so um das 15. Lebensjahr herum aus und führt zu einer Gruppenzugehörigkeit, die so dermaßen zersplittert ist, daß man kein Vollprogramm für jede dieser Gruppen anbieten kann. Braucht man auch nicht - das Vollprogramm heißt iPod (oder iPhone).
Was man aber aus meiner Erfahrung heraus gruppieren kann: konsumorientierte, weitgehend "fremdsteuerbare" Jugendliche, die jedem Hype hinterherlaufen und eher "konstante", kulturell emanzipierte Jugendliche, die vielleicht nicht unbedingt das "Gute" und das "Schöne", aber doch immerhin das "Wahre", das "Unverfälschte" haben wollen. Also Jugendliche, die irgendwie auf bestimmten Gebiet "erwachsen" (nicht altersbezogen!) sind.
Erstere kann man mit Brüllaffenprogrammen erreichen, mit quietschebunten Umfeldern, mit schnellen Aktionen - und ohne Substanz. Brauchen die nicht, stört nur. YouFM wäre da aus meiner Sicht ein entsprechendes Programm.
Die anderen erreicht man trotz möglicherweise musikkulturell völlig disjunkter Interessen mit ehrlichen Programmen wie z.B. FM4. Die gehen dann auch zu den Bavarian Open ins Funkhaus des BR - und hören vermutlich eher Zündfunk als Galaxy. Auch, wenn sie erst 16 sind.
Ach so:
aktuell gibt's auch was im Forum, freilich ohne Antwort.