AW: Sputnik hat Bildungsauftrag erkannt...
Allen eine Neurose zu unterstellen, die an der kommunistischen Unfreiheit litten, ist ein unglaublicher Zynismus, der eigentlich auch aus dem Munde Erich Mielkes selbst stammen könnte.
Und allen eine Neurose zu unterstellen, die den seit ca. 1992 galoppierenden Kulturabbau und den vollständigen Umbau der Gesellschaft nach Kriterien des Massenmarktes kritisieren, ist... aber lassen wir das.
Vielleicht wäre es wieder mal an der Zeit zu Maaz zu gehen
Der Herr ist im wohlverdienten (Un)ruhestand, wenn ich recht informiert bin.
Abgesehen davon: ich habe genug Kontakt mit auf solcherlei Gebiet aktiven Menschen, denn ich habe auch welche im Freundeskreis. Ist es jetzt verwunderlich, daß die sich auch weitgehend in ihre 4 Wände zurückgezogen haben, soziale Kontakte restriktiv handhaben und ihr Arbeitsschwerpunkt halt genau diejenigen sind, die da draußen zu zerbrechen drohen? Also keine Sorge, ich habe schon bei freundschaftlichen Kontakten genug Möglichkeit, solche Themen zu diskutieren.
ich glaube einer derartige Selbsüberschätzung gepaart mit einer sehr ungesunden Form von Selbstwahrnehmung ist mir selten untergekommen.
Auch wenn ich Dir damit nur Dein Urteil bestätige: ich sehe das grundlegend anders. Und wer mich kennt, weiß, daß ich mich, was fachliche Fähigkeiten betrifft, sehr vorsichtig und tendenziell deutlich unter Wert verkaufe. Schon, um solche Dinge zu vermeiden wie diese Peinlichkeit, als völlig überbewertete Pfeife in einem Unternehmen zu recht vom bodenständigsten, einfachsten Arbeiter entlarvt zu werden.
Was meine Wahrnehmung für "Wahr" und "Falsch", für "wertvoll" und "wertlos", für "ästhetisch" oder das wie-auch-immer-zu-bezeichnende Gegenteil davon betrifft: darüber läßt sich sicher streiten, aber das tue ich auch bereits intensiv im Bekanntenkreis mit Menschen, die einige Jahrzehnte mehr Lebenserfahrung haben als ich und kulturell teils aus völlig anderen Gebieten stammen. Wenn sich dann die Auffassungen erschreckend decken, wenn Klassik-sozialisierte Menschen das gleiche empfinden, wenn selbst ein Aktivist aus dem Umfeld der
Umweltbibliothek mir bereits 2004 seinen Weggang aus Deutschland mit der gesellschaftlichen Situation begründete, wenn er sich mit mir und meiner Gedankenwelt überhaupt abgab (und er tat es gerne), dann kann ich doch durchaus davon ausgehen, ...
Ich bin entsetzt, wie jemand, der sich als "Kulturmensch" bezeichnet, mit solchen Äußerungen hier versucht, seine ganz eigenen, privaten Interessen durchzusetzen.
Wenn ich eins in den vergangenen 18 Jahren gelernt habe, dann das: kümmere dich um dich und deine Interessen, um die der anderen müssen sich die kümmern und um die der Masse kümmert man sich automatisch aufgrund deren "Qualifikation", Mitglied der "Masse" zu sein. Das ist durchaus frustrierend, denn so habe ich mir gesellschaftliches Leben einst nicht vorgestellt. Leider scheint die Realität aber so zu sein.
Für wessen Interessen soll ich denn eintreten, wenn nicht für meine, wenn ich davon überzeugt bin, daß sie berechtigt sind? Soll ich dafür eintreten, die letzten kulturellen Nischen noch abzuschaffen, damit die Masse noch mehr ungestörte Spielfläche hat? Sorry, da wäre ich doch bescheuert. Ich trete für das ein, von dem ich empfinde, daß ich es aus meinen tiefsten Bedürfnissen heraus muß, um ein lebenswertes Leben führen zu können. Da gehört für mich auch ein Hörfunkprogramm dazu, das andere als nur marktwirtschaftliche Belange befriedigt.
Radiowaves, Du hast keine Ahnung, was für eine Unfreiheit gerade auch in der Kulturlandschaft der DDR herrschte, wie viele Bücher nicht erschienen, wie viele Theaterstücke nicht aufgeführt worden sind.
Ich kann die umfasende Ahnung nicht aus eigenem Erleben haben, ich war schlicht zu jung. Auch ich habe "Das Leben der anderen" gesehen und die "Grauheit" des Films lies bei mir manche unangenehme Erinnerung aus der Schulzeit wieder erwachen, manche bange Stunden, welche Konsequenzen mein Eintreten für dieses oder jenes wieder nach sich ziehen würden. Gottlob bin ich immer mit einem blauen Auge davongekommen und nie in die Mühlen dieses Systems geraten. Andere sind es, auch welche nahe meiner Altersklasse.
Aber - ich weiß, das wird wieder ketzerisch ausgelegt werden - macht es einen Unterschied, ob Bücher nicht erscheinen und Theaterstücke nicht aufgeführt werden oder ob z.B. der Hessische Rundfunk seine Popkultursendungen (darunter eine, die tatsächlich meilenweit davon entfernt ist, nur wegen "Krach" mit "Kultur" verwechselt zu werden) trotz Hörerprotesten einstellt, ob seit 1992 jegliche seit dem Wendeherbst gewachsene Diskussionskultur, Ehrlichkeit und Direktheit im Fernsehen verschwunden ist und boulevardesken Inszenierungen der Belanglosigkeit weichen mußte?
Und Du tust genau das, was Du selbst am meisten kritisierst: Du kanzelst Andersdenkende ab, Du beschimpfst sie als dumpfe Deppen und stellst Deinen eigenen Geschmack als den alleinig gültigen auf. Das ist - und ich bleibe dabei - Meinungsdiktatur.
Sorry, wenn ich mich für "fünf zu eins" statt "sechs zu null" einsetze, kann ich wirklich nicht erkennen, wem ich was aufdiktieren würde. Bei der Aussage bleibe ich: dieses Land braucht nicht noch weitere mediale Massenangebote, es hat derer genug und sie überschneiden sich bereits heute massiv. Es gibt zig Mehrfachversorgungen, sowohl öffentlich-rechtlich als auch privat. Aber es fehlt das Nischenprogramm für alle, die da nicht reinpassen. Und das muß doch wohl noch gesagt werden dürfen?
Und Du bist noch nicht einmnal bereit, selbst etwas zu tun.
Ich weiß nicht, ob Du weißt, was ich hinter den Kulissen seit Jahren tue. Wenn ich wochenlang abends nach 10 todmüde über Excel-Tabellen sitze und "freie Frequenzen" suche statt mir mal 7 Stunden Schlaf zu gönnen (ja, mir ist bewußt, daß Frequenzen anders koordiniert werden), wenn ich aus dem Urlaub heraus (weil sonst tagsüber keine Zeit wäre) horrende Handyrechnungen generiere bei dem, was man "Lobbyarbeit" nennt - vor einem Jahr im Sommer hatte ich vom Strand aus die Grünen in Thüringen dann immerhin soweit, daß sie wußten, daß es ein Programm namens Sputnik gibt und das dem in Thüringen bislang die UKW-Verbreitung verwehrt wird, dann halte ich das durchaus für progressive Aktivitäten. Für mehr reichts leider derzeit wirklich nicht, ich müßte ansonsten meinen Vollzeitjob kündigen - und das werde ich dann doch eher nicht tun.
Btw., an der Antwort hier schriebe ich seit 6:30 Uhr, aufgestanden bin ich deswegen und wegen eines Schreibens an den Rundfunkrat um 5 und um 7:30 will ich am beruflichen Schreibtisch sein. Da sagen andere schon, der ist bekloppt, der hätte auch bis 6:30 schlafen können. Tut er aber nicht, damit er sich später nicht selbst vorwerfen kann, er hätte nichts getan.
Ich kenne viele Menschen, die mit Leidenschaft Radio machen und dort auch für ihre Ideen kämpfen.
Sag mir bitte, wo. Dann könnte ich vielleicht denen, die ich kenne und die nur noch in Trauer über den Niedergang des Hörfunks sind, ein potentielles neues Ziel ihrer Reise nennen.
Dieses Land bietet Dir alle Möglichkeiten, auch die zur Veränderung.
Wie erklärt man das jemandem, der seit 1992 nur die Erfahrung gesammelt hat, nichts ausrichten zu können, da er offenbar aufgrund seiner Nichtzugehörigkeit zur Mehrheit kein Recht auf Berücksichtigung hat? Es gab schon einmal eine Phase, da ging es um den MDR-Hörfunk. Das war so 1994-1995 herum, aus dieser Zeit habe ich Briefwechsel, in dem völlig offen steht, daß ich kein Recht auf anspruchsvolle Programme hätte. Wie soll man nach all dem noch erwarten, daß man das alles nur geträumt hat?
Wenn ich nicht auch ein Schreiben von Radio-Brandenburg-Chef Singelnstein aus dieser Zeit hätte, in dem es sinngemäß heißt "aber vielleicht kommt man auch einmal anderswo auf die Idee, intelligentes Radio zu machen", müßte ich an meiner Wahrnehmung zweifeln. Aber so...
Ich kann auch meine Eltern befragen, die 40 Jahre mehr Erfahrung haben als ich und sich auch zu DDR-Zeiten ständig eingemischt und angelegt haben. Deren Erfahrung seit 1990: setzt man sich für ethisch höhere Ziele ein (und sei es der schlichte Versuch, die Zerstörung einer Wohnsiedlung durch Straßenverkehr und Gewerbeansiedlung zu verhindern), wird man von den offiziellen Stellen zum Abschuß freigegeben und die Bevölkerung setzt das dann auch dankbar um, denn sie braucht Zielscheiben. Ein ganzer Schrank Akten zeugt von dem mehr als 15-jährigen Ringen, nächtliche Drohanrufe, Sachbeschädigung am Grundstück und Verleumdungen runden das ganze ab. Mein Vater ist daran psychsich erkrankt.
Sind das die "Möglichkeiten zur Veränderung"? Ich wundere mich nicht, daß ein Großteil meiner Freunde den kompletten Rückzug angetreten hat. Aber dieses Leben ist arm, wenn man Single ist. Ich kann mich deshalb damit (noch) nicht anfreunden.
Natürlich hat das alles mit Arbeit zu tun. Und es bedeutet, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen, deren Meinungen zu hören und zu respektieren. Dies scheinen aber Dinge zu sein, die Dir fremd sind.
Ein sehr interessanter Punkt, der meiner Wahrnehmung zuwider läuft.
Ein harmloses Beispiel, auf das man es nicht runterbrechen darf, das die Sache aber illustriert: ich sitze mit einer etwa gleichaltigen Freundin (Dr.med.) zusammen und diskutiere. Sie wirft mir vor, intolerant gegenüber anderen Menschen zu sein. Etwas später machen wir uns über meinen MP3-Player her. Sie äußert Unmut über meine Musiksammlung, lehnt alles außer den harten Rock-Nummern ab und verweigert sogar, auch nur aus Neugier mal in eines der anderen Verzeichnisse reinzuhören. Ich hätte ihr so gerne das eine oder andere mal versucht näherzubringen. NEIN! ICH WILL DAS NICHT!
Aber ich bin "intolerant", wenn ich über die Musik der Band ihres Bruders sage, daß ichs für nicht wirklich interessant halte.
Nun ist das Kinderkram, aber es zeigt zumindest in meiner Wahrnehmung, wo das Problem liegt: "Respekt" scheint zu heißen, kampflos und bereitwillig alle Lebensbereiche für andere räumen zu müssen, ohne eigene Ansprüche stellen zu dürfen. "Respekt" heißt für meine über 70-jährigen Eltern offenbar, den eigenen Garten freiwillig nicht mehr zu betreten und das eigene Bedürfnis nach etwas Erholung und Ruhe hintenanzustellen, damit die Nachbarn ihr Recht auf Runden-Drehen unter Mißachtung der Tempo-30-Zone bekommen. Um aufs Thema des Threads zurückzukommen: "Respekt" heißt offenbar, es zu begrüßen, daß Sputnik jetzt mit dem gleichen Anspruch funkt wie RTL und Energy und die, die sowas mögen, jetzt halt noch ein Programm mehr zur Auswahl haben, während man selbst keins mehr hat. Da stimmt doch irgendwas nicht, oder?
Abgesehen davon, und damit hoffe ich, das hier abschließen zu können, weils inzwischen arg derbe abgedriftet ist vom Thema: es ist schon spannend, was ein launisch in den Raum geworfenes "Mauer wiederhabenwollen" für Echo hervorruft, auch nach 20 Jahren. Nein, natürlich will ich die Mauer nicht wiederhaben, weil mir ungehinderte Bewegung - auch geistiger Art - doch unverzichtbar ist und ich ahne, daß ich recht bald mit schmerzhaften Grenzen auf diesem Gebiet kollidiert wäre. Ich war am Wochenende erstmals in Heidelberg, habe erstmals den Neckar gesehen, wurde per Fahrrad auf den Königstuhl (!) gequält und konnte von da oben einen Blick in eine Landschaft genießen, die ich noch nicht kannte. Nett da, aber ich könnte da auch drauf verzichten und mich auf den Ostteil des Landes beschränken. Auf geistige Freiheit könnte ich hingegen nicht verzichten.
Aber warum muß ein Land (dieses hier), das so viel Wert auf Freiheit legt, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dermaßen enge Bandagen anlegen, so viele kulturellen Strömungen ignorieren und so viele Menschen bewußt ausschließen, das man Mühe bekommt, nicht daran zu zweifeln, in diesem freien Land zu sein? Das konnte mir noch niemand plausibel erklären. Und nein, die Erklärung über den Marktwert von Menschen akzeptiere ich nicht.