Welche Aufgaben hat der Musikchef eines Senders?

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@ricochet....ich bin nur einfacher Hörer. Aber ich bekomme natürlich mit, wie viele Kollegen, Freunde und Bekannte darüber stöhnen das immer der gleiche Quark läuft. Ich bin zum Beispiel seit 1984 Fan von Depeche Mode. Viele Titel die in den Charts waren, werden nie gespielt. Depeche Mode an sich wird ja gespielt. Aber immer nur die enge Auswahl in wenige Titel. Top 40 hin oder her. Was bringt es, wenn DM einen Hit hat, der bei den Musiksendern in der Glotze in der Rotation ist, in den Charts in den Top 10 und ndr2, ffn und Antenne ignorieren ihn. Bei den privaten Sendern ist es mir ja eigentlich egal. Bei den gebührenfinanzierten wünschte ich mir aber für die enormen Einnahmen auch mehr Abwechslung. ndr 2 nähert sich vom Moderationsniveau ja auch immer mehr den Privaten an. :(....Radio 21 wurde ja auch vielfach positiv aufgenommen. Weil besonders Ältere sich freuten, das endlich mal wieder Rockmucke laufen würde. :thumbsup:.....da ich ja wegen Vielfachpostings einen drüber bekam, so hänge ich hier nu noch einen Gedanken ran. Wer sagt denn, was der Hörer will? Im Grunde doch die Verkaufscharts. Ich bin im Handel tätig. Wenn was nicht läuft, dann schmeiße ich es raus. Wenn´s verlangt wird, dann kommt es ins Sortiment. Für mich heißt das: Die Charts sagen, DAS WILL der Hörer. Sonst würde er es ja nicht kaufen. Wenn nun der Titel: "Hipphoppalubbalubabbdibapp" von der Band "The hot Chicks" 4 Wochen den Platz 1 belegt, auf jeder Party, in jeder Disse gewünscht wird, die Konzerte ausverkauft sind, und bei einem bekannten Internetportal das meistgeklickte Video ist, dann frage ich mich, warum es nicht auch gespielt wird. Nun kann man bei Künstlern wie "psy" natürlich geteilter Meinung sein. Ein Kollege liebt die koreanische Musik. Der wusste vorher mehr von dem Typen als ich. Dann wurde es der Renner auf dem Videoportal. Die Medien berichten. Auch Ponik und Petersen, der Dicke von ffn und bei Antenne ist es auch ein Thema. Man ist also im Bilde. Als unbedarfter Hörer sage ich mir: "Psy"? "Hö?" Ja...genau....denn im Radio läuft es nicht. Statt das man wenigstens für seinen Kunden oder Gebührenzahler, denn davon leben die Sender, mal den Titel laufen lässt, Fehlanzeige. Schließlich hat man ja Berater. Und die sagen, das dann höchstwahrscheinlich die "Durchhörbarkeit" gefährdet ist. Und darum darf man das nicht machen....Und darum gibt es von einigen Künstlern immer nur die gleichen Lieder. Der Hörer kann zwar auf den Konzerten alle Lieder mitsingen. Aber hören darf er im Radio immer nur die gleichen. Denn er hat keine Ahnung. Er ist kein Profi. Erinnert mich an den Ford Edsel......wurde der nicht auch von Profis erschaffen? :D
 
@br-radio:

Nein, eigentlich nicht. Es kommt allerdings auf die Definition an. Und auf das jeweilige Haus. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk lautet die Antwort in der Regel "nein", denn mit "Unterhaltungschef" ist normalerweise derjenige gemeint, der im Bereich der "Unterhaltung Wort" (also Comedy, Kleinkunst, etc.) verantwortlich ist. Oder darüber hinaus auch für die großen Samstagabend-Shows die Verantwortung trägt.

Wolfgang Neumann (ehemals WDR-Hörfunk in den 1970er und 1980er Jahren und 1974 der Erfinder der WDR 2-Hitparade "Schlagerrallye") ist beispielsweise inzwischen beim ZDF in solch' einer ähnlichen Position. Er ist u.a. verantwortlich für die ganz großen Shows ("Wetten, dass...", etc.). Er ist also zuständig für "besondere Aufgaben".

Dann gibt es auf der anderen Seite im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die "Programmgruppe Unterhaltende Musik" (PG U-Musik). Das ist nichts anderes als die Musikredaktion, die für die sog. "U-Musik" zuständig ist - also alles, was jenseits der sog. "E-Musik", der "ernsten Musik" (= Klassik), existiert. Primär ist mit "U-Musik" natürlich Pop- und Rock-Musik gemeint, jedoch umfasst die Bezeichnung "U-Musik" u.a. auch den deutschen Schlager.

Im Privatfunk ist das alles ein wenig einfacher definiert. Dort entfällt der ganze Verwaltungsapparat mit den übrigens nur in Deutschland gebräuchlichen Bezeichnungen "U-Musik" und "E-Musik". In anderen Ländern existieren diese musikalischen Definitionen nicht. Dort ist es "just music"! Egal, aus welchem Genre sie stammt. Der "Leiter der Musikredaktion" (der "Musik-Chef", "Head Of Music", "Kapellmeister") ist im privaten Rundfunk für die Musik und für die Musiksendungen im Programm zuständig. Der "Unterhaltungschef" ist in der Regel der "Boss des Unterhaltenden Wortes" (also primär Comedy & Co.) und ist demnach NICHT für die im Programm gespielte Musik verantwortlich und zuständig.

Was bezeichnest Du also als "Unterhaltungschef", br-radio?
 
@br-radio:
Wolfgang Neumann (ehemals WDR-Hörfunk in den 1970er und 1980er Jahren und 1974 der Erfinder der WDR 2-Hitparade "Schlagerrallye") ist beispielsweise inzwischen beim ZDF in solch' einer ähnlichen Position. Er ist u.a. verantwortlich für die ganz großen Shows ("Wetten, dass...", etc.). Er ist also zuständig für "besondere Aufgaben". [...] Was bezeichnest Du also als "Unterhaltungschef", br-radio?

In diesem Jahrtausend bist Du aber noch nicht angekommen, oder? Derzeit ist Oliver Fuchs U-Chef beim ZDF. Er folgte auf Manfred Teubner, der sich 2001 auf diesen heißen Stuhl setzte.
 
@"chapri":

Ja, "chapri" - ist schon klar! ;)

Wolfgang Neumann HATTE nach seiner ARD-Zeit zunächst den Job des Unterhaltungschefs beim ZDF. Heute ist er zuständig für "besondere Aufgaben" - falls er nicht bereits in Rente sein sollte. Letztes Jahr war er jedenfalls noch nicht in Rente, denn da habe ich noch mit ihm telefoniert und ihn im ZDF erreicht.

Die Formulierung in meinem Posting #178 bzgl. Wolfgang Neumann war möglicherweise ein wenig unglücklich gewählt. Bist Du jetzt zufrieden? :D
 
Was bezeichnest Du also als "Unterhaltungschef", br-radio?
Mir ist die Frage nur anhand der bei der Radioszene vermerkten Anzeige hinsichtlich der Suche eines "Unterhaltungschefs" gekommen, wo es u.a. heißt, dass man die Musikredaktion führen müssen könne.
Daher hab ich die Frage gestellt, ob zwingend ein Musikchef ein Unterhaltungschef bzw. umgekehrt ein Unterhaltungschef ein Musikchef (sorry die männlichen Bezeichnungen, gilt aber auch für weibliche Personen) sein kann/muss, denn ich habe das bisher auch getrennt verstanden: Ein Musikchef kümmert sich um die Fragen der Musik, der Musikeinschaltung, der Mischung, etc., aber auch zu Plattenfirmen..., während ein Unterhaltungschef eher so den Bereich Comedy, "Gute Laune", etc. abdeckt... Meinst du das, HIGHLYTRAINED-RDJ, als Antwort auf deine Rückfrage?!
 
@br-radio:

Ja, so meinte ich meine Frage auch! Die Stellenanzeige von Hitradio RT1 sieht danach aus, dass sie sich eine personelle "Universallösung" wünschen.

Gut, das kann man so machen. Zumal Privatsender sich ihre Hierachie in der Regel selbst bauen und diese komplett von "öffentlich-rechtlichen Lösungen" unabhängig ist und auch sein muss. Vor allen Dingen, wenn es sich um kleinere Rundfunkanbieter handelt. Da kann und darf gar kein großer Verwaltungsapparat vorhanden sein, sonst wäre ein kleiner Privatsender nämlich u.U. völlig unbeweglich.

Ja, meine Damen und Herren! Dann mal Freiwillige vor! DAS könnte Ihre Chance sein, sich erste Sporen als "Head Of Music" (oder sollte ich hier in diesem Fall besser vom Unterhaltungschef sprechen?) zu verdienen.

Nur Mut, trauen Sie sich - denn Hitradio RT1 wartet womöglich bereits auf Sie... ;)

Auf, auf nach Augsburg...!
 
Deutschland gebräuchlichen Bezeichnungen "U-Musik" und "E-Musik". In anderen Ländern existieren diese musikalischen Definitionen nicht.

Man erkennt unter anderem an der Zusammensetzung der meisten ARD-Klassikwellen, dass alles was Spaß macht und die Hörerbindung stärken könnte (Musicals, Operetten, Salonmusik) gewaltsam vom Programm ferngehalten wird. Da gibt es tatsächlich zwei Schubladen (E- und U-Musik) und einen Giftschrank (deutschsprachige Unterhaltungsmusik jedweder Couleur).
 
Seit gut einer Stunde höre ich ein typisch deutsches Hitradio.

In dieser Zeit (von 20:30 bis 21:30 Uhr) wurden folgende Titel gespielt:

Headaway - What Is Love
Gentleman - You Remember
Jennifer Lopez - Waiting For Tonight
Ed Sheeran - The A Team
OneRepublic - If I Lose Myself
Klangkarussell - Sonnentanz
Jutty Ranx - I See You
Shania Twain - You're Still The One
Gossip - Move In The Right Direction
Lutricia McNeal - Ain't That Just The Way
Depeche Mode - Heaven
Train - Drops Of Jupiter
Maroon 5 - Daylight
Capital Cities - Safe And Sound
Enya - Only If
Passenger - Let Her Go
Linkin Park - Leave Out All The Rest

Das einzige Stück, das ein wenig vom Mainstream abweicht, der Titel von Klangkarussell, wurde bereits nach anderthalb Minuten aufgrund der anstehenden Nachrichten abrupt abgebrochen.
Außerdem lief nach jedem (!) Song ein Stations-Jingle.

@HIGHLYTRAINED-RDJ: Darf sich bei so einem Programm, das exemplarisch für die meisten Unterhaltungssender im deutschen Sprachraum steht, noch irgendjemand wundern, dass dem Radio hierzulande kaum noch ein besonderer Stellenwert beigemessen wird?

Man erkennt unter anderem an der Zusammensetzung der meisten ARD-Klassikwellen, dass alles was Spaß macht und die Hörerbindung stärken könnte (Musicals, Operetten, Salonmusik) gewaltsam vom Programm ferngehalten wird.
Und genau in diese Lücke stoßen Webradios wie bspw. Memoryradio vor.
Wer wirklich nach Alternativen sucht, findet sie fast immer, nur halt nicht beim terrestrisch verbreiteten Rundfunk.
 
Lieber Zwerg#8!

Danke für Deine Message. Obwohl ich in der Tat nicht Deine Mama bin, lasse ich Dich vorsichtshalber an dieser Stelle wissen, dass ich leider noch einmal "ran" muss - in Sachen "Monsterposting"...! Denn die User "ricochet" und "Internetradiofan" haben mir entsprechende "Bälle" zugespielt. Danach gibt es dann aber - hoffentlich - wieder "Wort-Radio Edits" von mir. :D


So here we go...!

@Internetradiofan:

Zitat von Internetradiofan: "Darf sich bei so einem Programm, das exemplarisch für die meisten Unterhaltungssender im deutschen Sprachraum steht, noch irgendjemand wundern, dass dem Radio hierzulande kaum noch ein besonderer Stellenwert beigemessen wird?"

Nein, wenn diese von Dir gepostete "Playlist" in der Tat ein SENDELAUFPLAN ist und die gelisteten Songs tatsächlich in dieser Reihenfolge gespielt wurden, dann wundert mich nichts mehr. Denn DAS ist musikalisches "Kraut & Rüben"! Da passt kein Song wirklich zum anderen. Kein Wunder, dass nach angeblich jedem Song ein Jingle eingesetzt worden ist (obwohl ich DAS lieber nicht glauben würde), denn weder in Bezug auf musikalisches Genre, noch in Bezug auf Intensitäten, Tempi und Musikfluß (also auf die "Anmutung", ob zwei Songs wirklich musikalisch zueinander passen und demnach problemlos "back-to-back" gespielt werden könnten) passt in jenem von Dir geposteten Sendelaufplan auch nur irgendetwas zueinander. Und dann werden entsprechende Transition-Elemente benötigt, um den nicht vorhandenen Musikfluß entsprechend zu kaschieren. Oder der Moderator müsste rein theoretisch NACH JEDEM SONG kurz moderieren, damit eben nicht der Eindruck von musikalischem "Kraut & Rüben" beim Hörer entsteht. Erkläre DAS aber mal einem sog. "Format-Nazi" im Management eines Rundfunkanbieters...! :wall: Viel Spaß dabei. :D Die würden Dich höchstwahrscheinlich steinigen, wenn Du in solch' einem Fall nach jedem Titel moderieren würdest. Dem nicht vorhandenen Musikfluß würde dies aber durchaus zugute kommen. Nein, nicht wenn Du gesteinigt werden würdest, sondern wenn Du nach jedem Titel moderieren würdest und dadurch sozusagen zu einem "Verbinder der Melodien" mutieren würdest. Richard Schippers (Ex-WDR 4 und leider auch schon lange tot) lässt grüßen und winkt in diesem Moment wahrscheinlich freundlich von irgendeiner Wolke zu uns herunter.

Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass der Moderator, der dieses musikalische "Machwerk" in dieser Reihenfolge spielen musste, zwischendurch höchstwahrscheinlich gekotzt haben wird. Und sich entweder fürchterlich über den Musikredakteur aufgeregt hat, der DAS "verbrochen" hat, ODER sich wahrscheinlich schon vor langer Zeit "geistig verabschiedet" hat und - während die Musik im Programm lief - einfach Fernsehen geguckt hat. Sowas habe ich nämlich auch schon mehrfach gesehen! Scheinbar engagiert arbeitende Moderatoren, die sobald sie ihre Moderation gemacht haben, die Sendeablaufsteuerung vom "Assist"-Modus in den "Automatik"-Modus umschalten (denn dann fährt die Kiste alle nachfolgenden Programmelemente automatisch zusammen), danach die Abhörlautstärke der Studio-Lautsprecher herunter drehen und dann für die nächsten Minuten einfach mal geistig abschalten und dabei Fernsehen gucken. Zwischendurch werfen sie dann mal einen Blick auf das RTW, also auf den Pegelmesser, denn "dead air" kann, soll und darf ja nicht passieren. Und das geht dann so bis zur nächsten Moderation, in der sie dann wieder "freundlichst" moderieren und den nächsten musikalischen "Knaller" (im Zusammenhang mit dem von Dir geposteten Sendelaufplan im wahrsten Sinne des Wortes!) dem Hörer präsentieren. Ich finde sowas schlimm, kann das Verhalten jener Moderatoren aber durchaus nachvollziehen.

Vor allem kann ich es sehr gut nachvollziehen, wenn sie nämlich keine inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten seitens des Programmverantwortlichen eingeräumt bekommen und demnach auch keine eigenen Entscheidungen bzgl. der Musikprogrammgestaltung in ihrer Sendung treffen dürfen (und wenn es auch nur in Form von ein paar lächerlichen Freepicks wäre! Dann wären die Moderatoren aber höchstwahrscheinlich deutlich motivierter), aber dann statt dessen einen solchen, wie von Dir geposteten Sendelaufplan "gekloppt" bekommen. DANN macht der Job als Moderator nämlich wirklich keinen Spaß mehr und Du bist DANN nur noch zu einer moderierenden und Knöpfchen drückenden und Fader bewegenden Marionette degradiert worden. DAS hat nicht mehr viel mit ECHTEM Radio aus Blut, Schweiß und Tränen - und vor allem mit "Radio aus ganzem Herzen" - zu tun. Sehr traurig, wie ich finde, aber heutzutage auch allzuoft leider wahr. Dabei KÖNNTE es so einfach sein und für alle Beteiligten mehr als befriedigend gehandhabt werden! Wie? Das verrate ich gerne an anderer Stelle, sprich in einem weiteren Posting. Denn sonst wird das hier NOCH MEHR als "nur" EIN "Monsterposting". Wie lautet eigentlich die Steigungsform von "Monsterposting"? Existiert diese überhaupt? :D


Okay, next patient please...!

@ricochet:

Zitat von ricochet: "Man erkennt unter anderem an der Zusammensetzung der meisten ARD-Klassikwellen, dass alles was Spaß macht und die Hörerbindung stärken könnte (Musicals, Operetten, Salonmusik) gewaltsam vom Programm ferngehalten wird. Da gibt es tatsächlich zwei Schubladen (E- und U-Musik) und einen Giftschrank (deutschsprachige Unterhaltungsmusik jedweder Couleur)."

BINGO, ricochet! Dein Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen, zumal die meisten öffentlich-rechtlichen Klassikwellen sich ja als sog. "Kulturwellen" definieren und demnach "anspruchsvolles" Programm bieten (wollen). Und "Unterhaltung" gilt in Deutschland immer noch nicht wirklich als "Kultur", sondern wird oftmals als "billig" und "anspruchslos" abgetan. Es gilt - wenn überhaupt - als eine Art "Szene", in der eine ganze Reihe "Bekloppter" ihr Unwesen treiben. Also "Affen" und "Hottentotten", "kulturelle Banausen"! Obwohl es auch im Bereich der sog. "Kulturwellen" in Bezug auf die Pop-Musik schon in gewisser Weise ein Umdenken gibt. Jedoch ist das auch nach nahezu 60 Jahren Pop-Musik in Deutschland leider immer noch ein zartes Pflänzchen, welches relativ leicht zertreten werden kann.

Wir müssen das Ganze in historischem und in gesellschaftspolitischem Kontext betrachten.

"Pop-Musik? Unterhaltungsmusik? Pfui!" - das ist die Denke, die weitverbreitet subtil leider immer noch in den Köpfen von manchem Deutschen zementiert zu sein scheint. Leider! Und woher diese Denke ursprünglich stammt, überlasse ich jetzt mal der Fantasie (oder dem Recherchetalent) des Lesers. Diejenigen, die diese Denke vor vielen Jahrzehnten in den Köpfen der Menschen hierzulande gefestigt haben, haben dabei selbst primär auf Unterhaltungsmusik im Rundfunk gesetzt, um "das Volk" - gerade in schwierigen und gefährlichen Zeiten - möglichst bei Laune zu halten. Wenn es meines Erachtens auch eher eine sonderbare und äußerst fragwürdige Form der "Unterhaltungsmusik" war, die diesem Land in keiner Weise gut getan hat.

Kein Wunder, dass sich - im Vergleich zu anderen (europäischen) Ländern - hierzulande nie eine ausgeprägte Pop-Szene entwickeln konnte, bei solch' einer Denke. Stichwort "Hottentotten-Musik"...! Wenn ich alte Fernsehbeiträge sehe, in denen "das Volk" beispielsweise bezüglich der Studentenproteste 1968 befragt wird, dann wird mir Angst und Bange! Obwohl jene Fernsehbeiträge aus heutiger Sicht eigentlich schon Comedy-Charakter haben. Da fallen dann Begriffe wie z.B. "Arbeitslager" oder "alle erschießen!". Eine wirklich "tolle" Basis, auf der sich künstlerische Kreativität hierzulande besonders gut entfalten konnte, nicht wahr? :wall:

Die kulturellen Auswirkungen dessen sind im Deutschland des Jahres 2013 noch heute zu spüren. Während sich andere Länder im Bereich der unterhaltenden Musik (und ich meine jetzt Pop- und Rock-Musik) im Laufe der Jahrzehnte entsprechend entwickeln konnten, führten hierzulande nationale Schlagersänger oftmals die einschlägigen Hitparaden an. Schaut Euch mal bitte die MEDIA CONTROL-Listen, beginnend ab den späten 1950er Jahren und vor allem in den musikalisch sehr kreativen 1960er Jahren an! "Heino auf Platz 1 in Deutschland" lautete die - zugegebenermaßen von mir "leicht" übertriebene - Devise, während anderswo The Beatles, The Rolling Stones & Co. groß in den Hitparaden abräumten. Zufall? Nee, KEIN Zufall! Ich würde es eher als eine besonders fragwürdige (politisch motivierte) "Ideologie" in Bezug auf sog. "entartete Kunst" bezeichnen. Stichwort "Hottentotten-Musik". Vor allem in der ersten Hälfte der 1970er Jahre war es in künstlerischer Hinsicht in Deutschland auf nationaler Ebene zunächst auch nicht wesentlich anders. Ein gewisser Gebrauchtwagenhändler, der zuvor und dann auch parallel zu seiner Fernsehkarriere regelmäßig Hörfunk machte, zementierte diese "musikalische Deutschtümelei" mit seiner monatlichen Fernsehsendung noch ein ganzes Stück weit mehr. Ihr habt seine Sendung vielleicht samstags nach dem Baden, auf dem Nachfolgesender des von Herrn Adenauer angedachten und letztendlich 1961 durch Gerichtsurteil gescheiterten "Deutschlandfernsehens" sehen dürfen, als Ihr noch Kinder gewesen seid. ;)

Während andere europäische Länder (allen voran Großbritannien und die Niederlande) in dieser ersten musikalisch großen kreativen Phase der 1960er Jahre eine konsequente Weiterentwicklung durchmachten und durch die sog. Seesender (Offshore Radio) jene Pop-Musik förderten (im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gab es pro Woche nur wenige Stunden Pop-Musik und Privatradio war damals auch dort illegal), gab es auch in Deutschland im Prinzip schon den musikalisch kreativen Stillstand. Nur auf einem anderen Niveau als es heute der Fall ist.

"Die Deutschen" haben es damals beispielsweise noch nicht einmal auf die Reihe bekommen, im Gegensatz zu anderen europäischen Gesellschaften, einen eigenen Seesender zu starten. Es gab damals in Westdeutschland zwar zwei größere Versuche (RADIO NORDSEE ab 1968 in der ersten Version, in dieser ein Aachener Geschäftsmann mit dem Vornamen Klaus, der sich selbst als "Erfinder der Discothek" feiert (und damit meine ich jetzt keine Selbstfahreranlage im öffentlich-rechtlichen Rundfunk) und der als damaliger Boss der sog. "Deutschen Disc-Jockey Organisation" (DDO) dann als "Programmdirektor" in jenes Seesender-Projekt involviert war und STAR CLUB RADIO, welches die in internationalem Gewässer schwimmende Rundfunkstation des Hamburger STAR CLUBs werden sollte), die beide aufgrund des Drucks der bundesdeutschen Behörden letztendlich kläglich gescheitert sind. Wenn ich alte Zeitungsartikel aus jener Zeit lese, kommen mir nahezu die Tränen. Da mussten - mal wieder - erst ein paar "Ausländer" (in diesem Fall aus der Schweiz) kommen und das RADIO NORDSEE-Projekt übernehmen (die Schweizer Erwin Meister & Edwin Bollier besitzen eine Telekommunikationsfirma (MEBO Telecommunications AG) und waren damals ursprünglich damit beauftragt, das für das Projekt vorgesehene Sendeschiff, die "MV Galaxy" - von dem vorher der britische (bzw. eigentlich sogar texanische) Nordsee-Pirat RADIO LONDON sendete - als schwimmende Rundfunkstation umzubauen), nachdem das Projekt in deutscher Hand regelrecht "vor die Wand" gefahren wurde. Dann wurde unter der neuen schweizerischen Führung aus dem 1968 gescheiterten RADIO NORDSEE ab 1970 RADIO NORTH SEA INTERNATIONAL, ging dreisprachig auf Sendung (Deutsch, Englisch und ab 1971 auch in Niederländisch) und wurde endlich erfolgreich realisiert. Doch das nur am Rande.

Im Prinzip gab es zwei wesentlich kreative Phasen in der Pop-Musik: zum einen waren das die 1960er Jahre (beginnend ab etwa Oktober 1962 bzw. vollends dann ab 1964), als Beat-Musik aufkam und zum anderen waren es die 1980er Jahre, die in pop-musikalischer Hinsicht ein sehr schillerndes Jahrzehnt waren. Und WARUM war das damals so? Nun, die Antwort ist relativ einfach: beide Dekaden waren letztendlich eine musikrevolutionäre Gegenentwicklung zum (politischen) Zustand der jeweiligen nationalen Gesellschaft(en). In den 1960er Jahren war es die Rebellion der Jugend (bereits ausgelöst durch den Rock'n'Roll, beginnend ab Mitte der 1950er Jahre - vor allem in den Vereinigten Staaten) gegen die "verstaubten" gesellschaftlichen Verhältnisse, was in 1968 dann auch konsequent durch die Studentenbewegung aufgegriffen und fortgesetzt wurde (in Deutschland dann ganz speziell mit dem Slogan "Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren") und sich auch durch den massiven Protest gegen den Vietnam-Krieg fortsetzte. Thematisch und inhaltlich passende Musiktitel gibt es aus jener Zeit zuhauf.

Die erste Hälfte der 1970er Jahre war zwar in Deutschland auf der einen Seite in musikalischer Hinsicht sehr spießig, u.a. geprägt durch den deutschen Schlager und eben jenen ehemaligen Gebrauchtwagenhändler als Förderer dieses musikalischen Genres. Auf der anderen Seite entwickelte sich zu jenem Zeitpunkt in Deutschland verstärkt eine Liedermacherszene, die basierend auf ersten zaghaften Versuchen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre ihre Blütezeit ab den frühen 70er Jahren erlebte und ideologisch primär von den politischen Errungenschaften der sog. "68er" lebte. "Plötzlich" schien nahezu alles erlaubt ("freie Liebe", etc.). Als Ende der 1970er Jahre sich das gesellschaftspolitische Klima veränderte, geprägt durch den kalten Krieg und die Angst vor einem möglichen atomaren Erstschlag, kamen politische Hardliner in Form von Margaret Thatcher in UK und Ronald Reagan (ab 1981) in den USA in die Regierungsverantwortung und auch das "musikalische Klima" änderte sich darauf hin. Die Disco-Szene entstand ab 1975 - primär gefördert durch Giorgio Moroder und Donna Summer - und war zum Ende der 70er Jahre komplett kommerzialisiert. Darüber hinaus entstand die Punk-Bewegung und ab 1978 die New Wave-Szene, die letztendlich nichts anderes als ein (musikalischer) Protest auf jene Politik von Thatcher und Reagan waren. Die Anti-Atomkraft-Szene und die Friedensbewegung trugen auf der Protestseite ihren Teil auch noch dazu bei. Sozialkritische Rock-Bands, wie beispielsweise BAP aus Köln, entstanden in jenen Jahren in Deutschland.

Die 1980er Jahre waren von Beginn an geprägt durch den musikalischen Nachhall der Punk-Ära auf der einen und der kommerziell inzwischen komplett ausgeschlachteten Disco-Ära auf der anderen Seite. Zusätzlich wurden diese Jahre geprägt durch die eiskalte Politik von Margaret Thatcher und Ronald Reagan (und in Deutschland ab Oktober 1982 von einem gewissen Oggersheimer mit seiner sog. "geistig-moralischen Wende"). Das musikalische Genre "New Romantic" entstand zu diesem Zeitpunkt in der Pop-Musik. Es war der musikalische Ausdruck einer neuen geistigen Kälte, obwohl zu jener Zeit so manches pop-musikalische Meisterwerk geschrieben und veröffentlicht wurde. Es galt damals als "cool", eben cool zu sein, also als "unnahbar" auf seine Mitmenschen zu wirken. Warum das so war scheint heutzutage nahezu vergessen. "Null Bock" & "No Future" waren die "Kampfbegriffe" jener Zeit. Das Wettrüsten zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion und der kalte Krieg sowie die gegenseitige drohende atomare Vernichtung prägten jene Zeit auch in musikalischer Hinsicht. Ab 1982 tauchten dann Bands wie beispielsweise Culture Club (mit dem schillernden Paradiesvogel George O'Dowd, besser bekannt als "Boy George") auf und waren letztendlich nichts anderes, als ein kreativ-künstlerischer Protest auf die Politik von Maggie Thatcher & Co. Mit anderen Worten: wären damals nicht Leute wie Maggie Thatcher und Ronald Reagan an der Macht gewesen, wäre das Jahrzehnt der 1980er Jahre mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht so schillernd und bunt verlaufen. Und so manch ein pop-musikalisches Meisterwerk wäre höchstwahrscheinlich nie geschrieben worden.

Das, was im (deutschen) Radio heute gemeinhin als "Kult-Song", also als "Pop-Klassiker" aus jener Ära zelebriert wird, war damals oftmals nichts anderes als musikalischer Protest, inhaltlich gegenüber der politischen Gegenseite oftmals sogar richtig "ätzend", aber in den meisten Fällen immer sehr nett und bunt verpackt. Prädikat "künstlerisch (und vor allem kommerziell) wertvoll". Und in diesem Zusammenhang frage ich mich oftmals, ob das heutige Radio (vor allem der sog. "Dudelfunk"), hätte es/er damals schon in dieser Form existiert, jemals solche "populäre Protest"-Musik gespielt hätte!? Ich wage DAS sehr zu bezweifeln! Stellt Euch heutzutage mal eine fiktive, aber visuell schillernde Band vor, deren Frontmann ein Paradiesvogel ist und der vor allem zu politischen Themen kein Blatt vor den Mund nimmt und der Öffentlichkeit gegenüber seine Meinung kundtut. Und jene fiktive Band ist dabei wohlgemerkt dann auch noch Newcomer! Dann gibt jener Paradiesvogel in Interviews irgend etwas inhaltlich substanzvolles zu gesellschaftlichen Problemen und der Politik unserer heutigen Zeit von sich und singt auf seinen Platten auch noch darüber. Und dann - im Fall von Deutschland - singt "der Vogel" DAS dann auch noch in deutscher Sprache, dass es hierzulande nahezu JEDER versteht! Würde SOWAS im heutigen Rundfunk, vor allen Dingen in jenen "optimierten", also gewinnmaximierten Programmen die die Massen bedienen, gespielt werden? Die Antwort könnt Ihr Euch selbst denken, nicht wahr?

Umso mehr muss ich immer schmunzeln, wenn GENAU SOLCHE MUSIK auf jenen Sendern als sog. "Kult-Songs" eingesetzt wird - nur mit dem Unterschied, dass DIESE Musik oftmals schon dreißig Jahre auf dem Buckel hat und die wenigsten deutschen Hörer jener Programme wirklich verstehen, WORUM es in jenen Songs oftmals inhaltlich eigentlich geht. Funny, isn't it? :D

Machen wir uns nichts vor: die Seesender der 1960er Jahre haben vor allem in Westeuropa ganz entscheidend die Pop-Musik gefördert und es wäre in heutigen Zeiten des künstlerisch-kreativen Stillstands auf der einen (Musikindustrie) und des sog. "Dudelfunks" (Rundfunk) auf der anderen Seite dringend erforderlich, wieder etwas Ähnliches, etwas wirklich Förderndes zu installieren. Ob DAS dann HEUTE noch unbedingt ein Seesender sein muss, stelle ich mal dahin, zumal ich einen solchen Offshore-Laden nicht mehr unbedingt als zeitgemäß empfinden würde - obwohl die Vorstellung schon ziemlich verlockend wäre! ;) Man muss sich heutzutage nicht mehr zwangsweise in internationales Gewässer begeben, um a) ein medienpolitisches Gegengewicht zu installieren und b) um Pop-Kultur zu retten und entsprechend positiv zu fördern. Die realistisch gangbaren Wege sind heutzutage zum Glück andere. Dem Internet sei Dank. Da haben wir einen inzwischen ziemlich populären Verbreitungsweg, der in vielerlei Hinsicht entsprechend kreativ genutzt werden kann. Möge bloß nur niemand auf die Idee kommen, das Internet auf internationaler Basis in einem globalen militärischen Krisenfall abzuschalten! Dann "gute Nacht"...! Aber wahrscheinlich nutzen wir heute noch nicht einmal 50% dessen, was via Internet technisch alles umsetzbar wäre (in diesem Zusammenhang verweise ich schmunzelnd sehr gerne auf den "Radio im Jahre 2050"-Thread von RADIOFOREN.de-User "Mannis Fan"). But only time will tell!

Fakt ist, dass wir meines Erachtens DRINGEND ein mediales Gegengewicht zum sog. "Dudelfunk" benötigen. Ein ECHTER und WAHRER Förderer der Pop-Kultur, damit in musikpolitischer Hinsicht erneut künstlerische Kreativität und in der daraus resultierenden Konsequenz für die Musikindustrie wieder ein geschäftlicher Boom entstehen kann. Musikprogrammgestalter im Rundfunk und deren Hörer hätten dann auch wieder mehr Grund zur Freude. Jedenfalls mittelfristig betrachtet. Wie auch immer dieser Boom dann aussehen mag. Mut zum Risiko ist dafür in jedem Fall erforderlich. Ohne Risiko und den dazu gehörenden Mut funktioniert das leider nicht. Mut sowohl seitens der Musikindustrie als auch auf Seiten des Rundfunks. Und mit der Denke und der entsprechenden Verwendung von Kunstbegriffen wie "U-Musik" und "E-Musik" kommen wir da nun wirklich nicht weit. Oder anders ausgedrückt und auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht: Pop-Musik "funktioniert" (im Sinne von "Gedeih") in Deutschland nicht wirklich gut, da viele Deutsche schlichtweg fürchterliche Spießer sind. Dementsprechend klingt heutzutage auch "das Radio" im Land der "Bundesmutti" und ihrer "Untertanen".

Soweit meine grobe Analyse zum Stand der Dinge. Jetzt geht es darum, nicht alles endlos zu zerreden, sondern Lösungen zu finden und diese dann auch entsprechend konsequent umzusetzen. Brainstorming ist angesagt, nahezu jeder Gedanke ist erlaubt. Denkt dabei bitte AUCH "das Undenkbare", traut Euch ruhig einmal dazu! Ihr habt nämlich nichts (mehr) wirklich zu verlieren. Brainstorming? Okay, "almost anything goes"...! ;)

Und jetzt möchte ich kein weiteres Genörgel und Gemecker (wie beschissen "das Radio" und "die Musikindustrie" doch heutzutage ist) lesen und hören (denn das haben wir hier in diesem Forum nämlich bereits ausreichend getan), sondern jetzt möchte ich Eure Ideen und Einfälle zur Lösung der Probleme lesen! Und zwar AUCH DANN, wenn es sich dabei vielleicht nur um "Idee-Fragmente" handeln sollte! Nehmt jetzt das Zepter endlich einmal selbst in die Hand und beginnt bitte gefälligst zu gestalten, Ihr 82 Millionen "Bonsai-Souveräne" in Deutschland! Also bitte, wer (tolle) Ideen hat, darf sich hiermit jetzt gerne zu Wort melden.

So! Und jetzt mache ich erst einmal Pause, "gucke dabei dann Fernsehen" und erhole mich von diesem "Monsterposting"... :D
 
Aber hallo: Der klassische Schlager war eine einheimische Pop-Sparte und zu seiner Zeit überaus kreativ. Warum um alles in der Welt muss ein ganzes Land dem internationalen Mainstream erliegen, wo doch ohnehin schon genügend Wellen dem Beat-Fieber frönen? In Deutschland herrschte meines Wissens auch damals kein Mangel an Abspielflächen für internationale Musik und ist nicht die Eindimensionalität und Gleichmacherei das größte Problem, mit dem sich das degenerierte und ausgemergelte Musikradio unserer Tage herumschlagen muss?

Ein bissel mehr Toleranz bitte - wir sollten uns davor hüten den eigenen Geschmack zum Non-Plus-Ultra zu erheben und höhnisch über Musikrichtungen herzuziehen, mit denen wir nicht allzu viel anfangen können. Was dem bis 1980 durchaus gesunden und exzellent produzierten Schlager fehlte war eine in den 80er-Jahren fortdauernde, über das Niveau billiger Synthesizerkulissen und dünner Arrangements hinausreichende, adäquate Weiterentwicklung. Nach dem schnellen Abebben der "Neuen Deutschen Welle" wurde die deutsche Musik trotz beachtlicher Umsätze innerhalb kürzester Zeit deklassiert und erfuhr keine innovativen Modernisierungsimpulse mehr. Die Ursachen dieser Entwicklung waren in erster Linie der mangelnde Rückhalt und die fehlenden Präsentationsmöglichkeiten im Radio sowie der nachfragebedingte Niedergang einer bis dahin vitalen deutschen Musikindustrie.

Die konservativen 1er-Programme spielten bis in die 90er-Jahre hinein vorwiegend zwanzig Jahre alte Schlager, nebst allerlei Evergreens und Nostalgie-Pop, und die DJs der "Pop/Rock"-Wellen jener Tage träumten vermutlich sogar "auf Englisch". Warum war die Radioszene damals nicht in der Lage zwei (oder mehr) Schienen unabhängig voneinander mit dem nötigen Kreativpotential auszustatten, statt die Blicke wie in Trance unentwegt nach London zu richten?

Wenn man sich die Titel Heinos heute anhört zieht man den Hut vor so viel handwerklichem Können und einer musikalischen Versiertheit, die der Beat-Musik in nichts nachstand. Das sage ich ohne das lyrische Spektrum dieser Musik bewerten zu wollen und darauf willst du wohl hinaus..
 
Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass der Moderator, der dieses musikalische "Machwerk" in dieser Reihenfolge spielen musste, zwischendurch höchstwahrscheinlich gekotzt haben wird. Und sich entweder fürchterlich über den Musikredakteur aufgeregt hat, der DAS "verbrochen" hat, ODER sich wahrscheinlich schon vor langer Zeit "geistig verabschiedet" hat und - während die Musik im Programm lief - einfach Fernsehen geguckt hat.
Das konnte nicht passieren, da zu der Zeit, als ich das Programm eingeschaltet hatte, nicht ein einziger Moderator live on air war, sondern das Programm (mutmaßlich) vom Computer gefahren wurde.

Du hattest etwas früher gefragt:
Na, JETZT ABER, Herr Internetradiofan! Ist es Ihrer Ansicht nach denn wirklich SO "gruselig"???
Ja, genau so ist es, wie Du jetzt ja selbst bestätigt hast. Mein Posting mit der Playlist bezog sich nämlich genau auf diesen Sender.

Das Dilemma bei der Frequenzvergabe in Deutschland liegt darin, dass das Wenige, was es heute noch zu verteilen gibt, an Anbieter geht, die so ein Schrottprogramm veranstalten.
Abwechslung und Vielfalt, sowie ein stimmiges Programm: Fehlanzeige!
 
Das Dilemma bei der Frequenzvergabe in Deutschland liegt darin, dass das Wenige, was es heute noch zu verteilen gibt, an Anbieter geht, die so ein Schrottprogramm veranstalten. Abwechslung und Vielfalt, sowie ein stimmiges Programm: Fehlanzeige!

Wie auch, ist doch alles miteinander verwoben, wie ich mehrfach schon betont habe, und das sagt die KEK auch.... Daher ist das eigentlich Klüngelwirtschaft, wo Außenstehende es oft sehr schwer haben, einzudringen...
Wobei ich auch anmerken darf, dass dieser Einheitsbrei auch aufgrund der vielen Sender kommt. Wer soll noch was Neues machen? Aber das ist nicht Thema des Threads...
 
Wobei ich auch anmerken darf, dass dieser Einheitsbrei auch aufgrund der vielen Sender kommt. Wer soll noch was Neues machen?
Entschuldige bitte, aber das glaubst du doch selbst nicht. Für Neues, eventuell sogar Erfog- und Innovativreiches, sollte doch gerade wegen der Vielfalt an Sender/Programme Platz sein. Aber bei den Sendern ist irgendwie ein Meute- oder Rudelverhalten (ähnlich bei Hunden, Wölfen und ähnlichem Viehzeugs) zu verzeichnen: Alles stürzt sich zähnefletschend auf das eine Stück "Wild", während abseits garantiert noch verspeisungswürdiges Getier (vielleicht sogar einfacher) einzufangen ist, welches dann gemütlich und nicht hastig verspeist werden kann.
 
"Die Deutschen" haben es damals beispielsweise noch nicht einmal auf die Reihe bekommen, im Gegensatz zu anderen europäischen Gesellschaften, einen eigenen Seesender zu starten.
Das hängt sicher ganz wesentlich damit zusammen, dass Deutschland eines der ersten Länder war, welches entsprechende Gesetze gegen Seepiratensender erlassen hatte, nachdem es bereits in Skandinavien mit Radio Nord erste Aktivitäten in dieser Richtung gegeben hatte.

Die Ausgangsbedingungen waren also in Deutschland von Anfang an schlechter, als bspw. in Großbritannien und den Niederlanden.
Ungeachtet dessen gab und gibt es noch immer in deutschen Landen eine freie Radioszene, insbesondere im westlichen Niedersachsen; allerdings wird auf den Stationen nach dem Vorbild der Piraten aus dem niederländischen Twente und Friesland in erster Linie eine Mischung aus Schlagern, Discofox und Polka ausgestrahlt.
Nachdem in den Niederlanden die Agentschap Telecom massiv (und dennoch relativ erfolglos) gegen Piratensender vorzugehen begann, wichen einige der Piraten aufgrund der verhältnismäßig geringeren Strafen auf deutsches Territorium aus.
Die Folge war, dass jetzt auch die BNetzA die Busgelder für's Schwarzsenden drastisch erhöht hat: Von bis zu 20.000€ ist inzwischen die Rede.
 

Mitte der 80er-Jahre wurde der Schlagerbegriff noch viel weiter gefasst als heute, wo er durch die gezielte Polemik oder Ahnungslosigkeit gewisser Kreise undifferenziert verunglimpft wird. Wer aus diesem Umfeld ist gerecht genug die Auswüchse der modernen Mainstream-Musik mit den gleichen harschen Worten zu brandmarken wie die sonderbaren Blüten, die der moderne Schlager mitunter trieb?

Noch ehe sich die heutigen Allianzen im pressegesteuerten Privatradio formiert hatten reichte das Schlager-Genre vom Rock bis zur Schnulze und deutsche Titel fanden in fast allen Bevölkerungskreisen großen Anklang. In allen Formaten, die "Schlager" (also deutsche Hits) präsentierten, bewegte sich eine bunte Schar stilistisch unterschiedlich gelagerter Bands und Einzelinterpreten die mit ihren Werken riesige Erfolge feiern durften.

Erst etwas später setzte eine ruinöse Entwicklung ein, die auch mit dem Aufkommen der zu Seniorenwellen abgestempelten, Anfang der 90er-Jahre neu geschaffenen Schlagerprogramme einherging. Im noch jungen Privatradio schufen ehemalige Pop-DJs kurzerhand Fakten und definierten selbstherrlich eine neue, einheitliche, bis dato gar nicht existente Wunschzielgruppe mit unüberwindlicher Abneigung gegen "Schlager" (eine Projektion, also ein Spiegelbild ihrer selbst), und das zu einer Zeit, als das Radio noch in hohem Maß die Lebensgewohnheiten der Menschen mitbestimmte. Wer das alles sonderbar fand wurde auf die damals noch in größerer Zahl existierenden öffentlich-rechtlichen Schlagerwellen verwiesen, denen man unverfroren den Geldhahn zudrehte.

Eben diese DJs und Wellendesigner (viele von ihnen nennen sich heute "Consultants") setzten mehrheitlich das quasi deutschfreie "Popformat" (heute salopp "Dudelradio" genannt) durch, das sich von Jahr zu Jahr mit schwindelerregender Geschwindigkeit verjüngte, zahlreiche Widersprüche in sich vereinigte und von einem immer kleiner werdenden Zirkel linientreuer Mitstreiter mit Neuerscheinungen versorgt wurde. Spätestens da war für den deutschen Musikbetrieb das Todesurteil gesprochen, denn zusätzliche unabhängige Musikbiotope wurden vom Agenturbetrieb der späten 90er-Jahre nicht mehr geduldet und wurden damit wirtschaftlich untragbar. Das Oldieformat war die probate Antwort der "Insider" auf den zunehmend erwachsenenfeindlichen Pop-Mainstream, denn von Oldies verstanden die Herrschaften wirklich was... Der Fisch fängt immer vom Kopf an zu....

So klang Nicki Mitte der 80er-Jahre (der sympathische Moderator wurde später bekanntermaßen Antenne-Bayern-Chef)

So klang die typische Roland-Kaiser-Ballade Anfang der 90er-Jahre, lang vor der Foxwelle

Mitte der 80er-Jahre war die deutschsprachige Schlagerszene (Schlager = Hit) noch recht bunt. Hier ein paar Namen: Wind, Juliane Werding, Marianne Rosenberg, Bläck Fööss, EAV, Spider Murphy Gang, Nena, Paso Doble, Klaus Lage, Torfrock, Reinhard May, Ireen Sheer, Relax, Pur, Nicki, Münchner Freiheit, Tony Marschall, DÖF, Reinhard Fendrich, Kristina Bach, Trio / Stephan Remmler, Roland Kaiser, Jule Neigel, Falco, Schürzenjäger, Howard Carpendale, BAP, Claudia Jung...

Noch ein Wort zur sogenannten "Deutschtümelei": Mir ist kein Titel der neueren deutschsprachigen Musikgeschichte bekannt, in dem die Größe der Nation beschworen oder die Rückeroberung Königsbergs gefordert wurde. Man muss schon den Leuten überlassen, welchen Musikgeschmack sie kultivieren und wie alles in der Welt ist auch der organischen Veränderungen unterworfen. Sofern man die Verschiedenheit der Geschmäcker akzeptiert und die demokratische Marktmacht der Bürger entscheiden lässt, was im deutschen Radiobetrieb jahrelang undenkbar war.

Das deutsche Radio der Gegenwart ist in seiner Gesamtheit ein Paradebeispiel für perfektionierte Planwirtschaft und was mit Planwirtschaften am Ende passiert ist allgemein bekannt.
 
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Reaktionen: U87
@ DV, Rico:
Ich lese Eure Statements mit großem Interesse und bin in vielen Punkten mit Euch absolut einer Meinung. Trotzdem hier einige kritische Anmerkungen.

Dass Du dir, DV, auf die Fahnen schreibst, die deutschen Schlager aus dem NRW - Programm verbannt zu haben, finde ich schon ziemlich übertrieben. Das waren wohl eher der Kapellmeister JvG oder KK - aus was für Gründen auch immer. Ich fand die anfänglich sehr große Rotation bei NRW eher sehr hörenswert, obwohl ich auch ein glühender Verehrer des wohl besten Popradio aller Zeiten (208 Radio Luxembourg) war. Aber für die Zielgruppe des Lokalradios fand ich die NRW-Mischung ideal.

Desweiteren ärgern mich Behauptungen, die Musiksendungen und Musikauswahl der öffentlich-rechtlichen Sender wären früher langweilig und muffig gewesen. Im Vergleich zu heute waren sämtliche Programme (auch das hier oft als intellektuell gebranntmarkte WDR 1) wesentlich hochwertiger, weil mit Liebe zum Detail zusammengestellt. Wenn einem mal was nicht gefallen hat, hat man entweder mal umgeschaltet, oder es auch mal ertragen. WDR1, 2, 4, BFBS, AFN, Radio Luxemburg (sowohl deutsches als auch internationales Programm). Mir hat es an nichts gefehlt. Das Ergebnis: ich höre und kenne Musik unterschiedlichster Coleur, was vielen heute total abgeht.
 
obwohl ich auch ein glühender Verehrer des wohl besten Popradio aller Zeiten (208 Radio Luxembourg) war.
Ja, das war noch Radio! :thumbsup:
Trotz des dumpfen Klangs der Mittelwelle habe ich das Programm des englischsprachigen Dienstes von Radio Luxembourg extrem gern gehört. Mit diesem Sender bin ich quasi aufgewachsen.
Die hatten zudem ein extrem gutes Soundprocessing: Das fiel besonders auf, wenn man den Klang von Radio Luxembourg mit dem von SR1 Europawelle Saar verglich: Die sendeten damals beide mit 1,2 Megawatt (das kann man sich heute auch kaum noch vorstellen), Luxy 208 klang um Längen besser.

Schade, dass bereits Ende 1991 Schluss war; danach ging es auch mit dem deutschsprachigen Programm aus dem Großherzogtum nur noch bergab.

In den frühen Neunzigern habe ich übrigens auch recht gern Radio NRW, oder präziser: Hellweg Radio, gehört: Das Programm des WDR war damals wirklich zum Einschlafen langweilig. Da brachte Radio NRW durchaus eine Abwechslung.
Dass sich in den nächsten mehr als 20 Jahren in der nordrhein-westfälischen Radiolandschaft überhaupt nichts ändern würde, konnte damals wohl niemand ahnen (das kurze Zwischenspiel des absolut geilen Evosonic Radio aus Köln nehme ich davon aus).
 
Ich muss U87 da sowas von zustimmen: In den Siebzigern wurde bei den "örAs" mit liebevoller Kleinarbeit das Musikprogramm zusammengestellt - in den Achtzigern versuchten Größen, Helden und Meister wie Adolf "Buddah" Krämer und Dace Coleman noch, gegen den sich abzeichnenden Strom anzuschwimmen. Was als Einziges Mängel aufwies, war die Moderation!
 
Noch eine kurze Anmerkung zum Thema "Deutschsprachige Musik" bzw. "In Deutschland produzierte Musik" (was besonders ricochet interessieren dürfte).

Der Grund, warum ich Musik aus deutschen Landen eher meide, ist die Tatsache, dass sich jene Stilrichtungen, die mich besonders ansprechen, mit deutschsprachigen Texten überhaupt nicht durchsetzen konnten und es insofern kaum Produktionen in dieser Richtung gegeben hat.

Ein prägnantes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Gruppe Relax.
Die hatten 1982 mit "Radio hör'n" eine richtig coole Nummer rausgebracht:


Ihren eigentlichen Erfolg hatten sie jedoch hiermit:


Danach wurden von denen nur noch Schlager produziert.
Wäre sie bei der erstgenannten Richtung geblieben, hätte Relax als die erste und einzige deutsche Funk&Soul-Band in die Musikgeschichte eingehen können.

Genauso Boney M: Die waren mit ihrem weichgespülten Schrott gerade in deutschen Landen sehr populär.
Das für meinen Geschmack einzig wirklich gute Stück von denen ist hierzulande nahezu unbekannt:


Selbst James Last hatte mit "James Last in Los Angeles" ein gutes Album produziert: Auch das kennt in Deutschland fast niemand.

Übrigens: In der DDR war es genauso.
Als Beispiel: Chris Doerk & Uve Schikora Combo mit "Glaub Nicht"


Alle anderen Produktionen mit dieser Interpretin sind Schlager-Nummern.

Zum Schluss noch eine Rarität aus dem Ruhrpott:


Wer hat diesen Titel zuvor bereits gehört?
 
"Radio hör'n" von Relax hatten wir bei unserem Lokalradios als Teil eines Jingles. Coole Nummer!
 
Es nutzt doch alles nichts! So lange die überwiegende Mehrzahl der deutschen Radiostationen nicht aufhört, Mini-Rotationen zu fahren, können wir hier Musik posten bis zum Umfallen! Ich könnte hier auch hunderte Titel einstellen, die ich gerne mal wieder im deutschsprachigen Radio hören möchte, unterlasse es aber aus erstgenanntem Grund.
 
Es nutzt doch alles nichts! So lange die überwiegende Mehrzahl der deutschen Radiostationen nicht aufhört, Mini-Rotationen zu fahren, können wir hier Musik posten bis zum Umfallen! Ich könnte hier auch hunderte Titel einstellen, die ich gerne mal wieder im deutschsprachigen Radio hören möchte, unterlasse es aber aus erstgenanntem Grund.
Das Dilemma bei Foren wie diesem liegt darin, dass die hier völlig zurecht geäußerte Kritik überhaupt nichts bewirkt.
Wir können uns zwar hier über die miese Qualität des Rundfunks aufregen, aber es ändert nichts.
Auch ich hatte dies nicht sofort erkannt.

Wenn man etwas ändern möchte, muss man an die Leute herantreten, die wirklich Radio machen.
Ich würde mich bspw. gerne mal mit Herrn Schwenk unterhalten und ihn fragen, warum er bei all seinen Erfahrungen so ein mieses Programm in Frankfurt veranstaltet.
Auch würde mich seine Motivation interessieren: Ist es bei ihm wirklich eine Begeisterung für das Medium Rundfunk, so wie man sie bspw. aus den Zeilen von HIGHLYTRAINED-RDJ herausliest, oder haben da kommerzielle Interessen die Oberhand gewonnen?

In letzter Zeit höre ich sehr häufig Vicenza Radio Star via Internet.
Leute, das nenne ich eine abwechslungsreiche und stimmige Musikauswahl!
Ich schalte die Station morgens ein und sogleich höre ich Osibisa mit Sunshine Day...mit so einem geilen Titel kann der Tag nur gut werden. :)
Mir ist nicht ein einziger deutschsprachiger Sender bekannt, der dieses geile Stück bringt.
Warum ist dies so?
Weshalb kann es auf UKW keine Programme mit einer vergleichbaren Musikauswahl geben, sondern immer nur die gleichen abgenudelten Titel, wenn kleine Webradios in der Lage sind, etwas besseres hinbekommen?
 
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