AW: Welches Tonabnehmer-System für Technics SL 1200/1210 MK2?
Ich überlege, einen 1210 zu kaufen.
Ohhhh neiiiiin! Ich sehe gerade, daß das Teil mittlerweile bei über 700 Euro angekommen ist. Vor einiger Zeit schrieb ich noch von 420 Euro. Scheiße!
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Dir ist hoffentlich klar, lieber Stefan, daß dich deine geplante Investition in Sachen analoge Audiotechnik gut und gern über 1100 Euro kosten wird - mindestens...
Okay - das ist deine Entscheidung - lieber jetzt zuschlagen als nie.
Man muß - nüchtern betrachtet - aber die Frage stellen, ob dieser Preis einigermaßen reell ist. Meine Antwort darauf lautet schlicht und einfach: "Nein".
Der Markt ist nervös - es herrscht 1210-mäßig Endzeitstimmung, alle Händler wollen jetzt ihren "Schnitt" machen.
Man muß sich die Frage stellen, ob nicht die Laufwerke anderer Hersteller in Bezug auf Gleichlauf und Rumpel auch "gut genug" sind - einige Laufwerke bieten auch gleich 78 U/min an - natürlich ebenfalls pitchbar. Beim 1210 müßte man erst basteln.
Anstatt vollkommen überzogene Preise für ein robustes, aber letztendlich doch schlichtes Laufwerk zu bezahlen, könnte man doch besser mehr Geld in ein flexibel einsetzbares Abtastsystem investieren. Diese Entscheidung mußt du aber selbst treffen.
Aber welches System sollte es sein? Von einer Banane wird weiter oben abgeraten, also läuft es auf ein Halbzollsystem hinaus. Aber welches? Was könnt Ihr mir empfehlen?
Zunächst möchte ich eines klarstellen: Natürlich kann man eine "Banane" dranschrauben. Für den DJ-Einsatz ist eine Banane sogar ideal: Dranschrauben - passt - vergessen. Logisch: Niemand hat während der Mugge Zeit, mit irgendwelchen IEC-Schablonen ein System anzubauen und zu justieren...
Aber damit verschenkt man für den "normalen Einsatz" im Wohnzimmer Potential, denn der 1210 kann klangtechnisch mehr. Und dieses Potential kitzelt man halt nur mit dem Einsatz von Halbzoll-Abtastsystemen heraus.
Bevor du dich aus dem Bauch raus (nicht gut!) für ein System entscheidest, solltest du einige grundsätzlich gültige Fakten beachten.
Der Tonarm des 1210 ist "mittelschwer". Er hat laut BDA eine "effektive Tonarmmasse" von 12 Gramm. Natürlich ist der komplette Tonarm viel schwerer als 12 Gramm, allein das Gegengewicht bringt gut 70-100 Gramm auf die Waage. Es "wirken" effektiv aber nur 12 Gramm. Man kann das alles sehr genau ausrechnen (über die Hebelgesetze, oder Momente). Zusammen mit der Nadelnachgiebigkeit (Compliance) des Abtastsystems entsteht ein ganz normaler "Federschwinger" - und der hat logischerweise eine Resonanzfrequenz.
Egal welches Abtastsystem du zunächst ins Auge fasst: Die Resonanzfrequenz sollte auf jeden Fall zwischen 7 - 10 Hz liegen.
Hinweise:
Oberhalb 15 Hz beginnt die normale Modulation einer Schallplatte (z.B. Orgelkonzert). Ab 15 Hz sollte das Abtastsystem also "übertragen". Das heißt, der Tonarm muß bei 15 Hz schon "steif" sein (Masseträgheit): Er kann den Bewegungen nicht mehr folgen, da sie über seiner Resonanzfrequenz liegen. Dafür bewegt sich jetzt die Nadel relativ zum Abtastsystem...
Unterhalb 7 Hz finden sich die starken "Verwerfungen" (und Oberwellen) der Schallplatte. Damit ist das Auf und Ab des Tonarms gemeint. Liegt die Resonanzfrequenz über diesen tieffrequenten Störfrequenzen, werden auch kaum Spannungen in das Abtastsystem induziert, da der Tonarm diesen Bewegungen noch relativ problemlos folgen kann. (Hint: Eine Spannung wird nur bei einer Relativbewegung zwischen Nadel und Abtastsystem induziert -> Schnellewandler)
In der Nähe der Resonanzfrequenz kommt es natürlich zu Überhöhungen der Amplitude. Das ist logisch und lässt sich nur mit "Schwingungstilgern" - z.B. durch die schwingfähig gelagerten Gegengewichte ("Antiresonatoren") an alten DUAL- Plattenspielern (z.B. CS 731, 741) beseitigen. Physikalisch ist das natürlich vollkommen richtig, aber kaum ein User hat das je verstanden. Man liest daher oft, daß der "Antiresonator" einfach "stillgelegt" wurde...
Welchen Rat soll ich dir geben?
Zunächst solltest du "googeln".
Grundsätzlich rate ich dir zu einer "guten Nadel" - also "Fine Line" etc. Glaub mir, kaufst du ein billigeres System, ärgerst du dich alsbald über "zerrende" S-Laute gerade im Innenbereich einer Schallplatte. Damit macht "Schwarzhören" echt keinen Spaß - es nervt gewaltig!
Ich persönlich würde dir ja so etwas wie das OM von Ortofon empfehlen, obwohl das System für den 1210 schon bald etwas zu "weich" erscheint. Das müßte man aber zunächst ausprobieren. Dafür hast du aber die Auswahl unter verschiedenen austauschbaren Nadeln.
Die Nadel 10 für Flohmarktplatten, die Nadel 30 (oder 40) für "Gut". Eine Nadel für Schelllack gibt es auch.
Und natürlich kann man immer etwas tricksen, indem man beispielsweise die Masse des Gegengewichts erhöht, damit es für das Gleichgewicht des Tonarms näher an den Drehpunkt muß - und sich damit die "effektive Tonarmmasse" verringert...
Grüßle Zwerg#8