AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?
Ich möchte zu bedenken geben, dass die wenigsten Länder einen öffentlich-rechtlichen Sektor haben, die Gegenargumente heissen aber natürlich Fox und Berlusconi.
Mir fällt auf die Schnelle kein Industriestaat ein, in dem keine öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote existieren. Selbst in den USA existiert ein – wenngleich überwiegend spendenfinanziertes – öffentlich-rechtliches Angebot mit PBS und NPR, welches meiner Meinung wesentlich hochwertiger ist als das, was wir hier in Deutschland geboten kriegen. Klar, das Angebot der CPB ist natürlich im Vergleich zu dem, was ARD und ZDF bieten, stark komprimiert, aber dafür findet der Zuschauer und Zuhörer dort auch rund um die Uhr anspruchsvolle Unterhaltungs- und Informationsprogramme, unabhängig vom Profitinteresse. Was wir hier in Deutschland geboten kommen sind Daily-Soaps, Zoosendungen und Rosamunde Pilcher und das, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht, wird in Randzeiten oder auf Spartenkanäle geschoben.
Selbst wenn man davon ausgehen will, dass der amerikanische Rundfunkmarkt vollkommen in privater Hand ist, heißt das noch lange nicht, dass dort nur Unterhaltungsprogramme ausgestrahlt werden. Im Gegenteil: Ich würde behaupten, dass der US-Rundfunkmarkt aus publizistischer Sicht wesentlich vielfältiger und qualitativ hochwertiger ist als das duale Rundfunksystem in Deutschland. Von den großen Networks ABC, CBS und NBC mal abgesehen, die unterschiedlichste Infostrecken und Nachrichtensendungen über den Tag verteilt ausstrahlen, gibt es vor allem bei den Cable Networks ein großes Nachrichtenangebot: Da haben wir Fox News, die klugerweise erkannt haben, dass konservative Nachrichten und Meinungen von den anderen Fernsehsendern nicht bedient werden, MSNBC, die sich in den letzten Jahren als linkes Network positioniert haben, CNN, die auf ihre Neutralität und in hohem Maße auf Social Networking setzen und vor allem bei Breaking News-Strecken weiterhin Marktführer sind, Headline News, die tagsüber auf den schnellen Nachrichtenüberblick setzen und abends mit ihren Talksendungen oft sogar CNN übertreffen, Fox Business Network, die gerade dabei sind, sich als Anlaufpunkt für Libertäre und die Tea Party-Bewegung zu etablieren (der libertäre Reporter Stossel wechselte bspw. letztes Jahr von ABC News zu FBN) sowie CNBC und Bloomberg als reine Nachrichtensender für die Finanzmärkte. Diese publizistische Vielfalt wird natürlich zum Teil dadurch möglich, dass der US-Markt knapp viermal so groß ist wie der deutsche, zum Teil aber auch dadurch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dort nicht durch tausende Spartensender das Publikum komplett abschöpft. Es ist tragisch, dass die privaten Rundfunkanbieter es hier in Deutschland nicht mal ansatzweise schaffen, das abzubilden, was auf dem US-Markt ohne Probleme möglich ist. Mag sein, dass Meinungsjournalismus, wie er abends auf den amerikanischen Cable Networks anzutreffen ist, auch nicht unbedingt das deutsche Publikum anspricht, aber andererseits hat es ja auch noch nie jemand versucht.
Worauf ich damit hinaus will: Der freie Markt kann durchaus hochwertige Nachrichtenangebote schaffen, aber dafür muss der Markt halt auch weitestgehend frei sein.