AW: GEZ-Gelder werden oft verschwendet
Eine Geschichte, die auf wahrer (öffentlich-rechtlicher) Begebenheit beruht:
In unserem Sendestudio prangten in der Mittelkonsole zwischen den beiden Mischpulthälften zwei RTWs. Einer für vor und einer für nach Begrenzung. Der "vor" Begrenzung hatte eine Macke: der linke Kanal flackerte manchmal.
Eines schönen Tages, ich hatte gerade Sendung, kam ein Typ von der Meßtechnik rein. "Lassen Sie sich nicht stören", sagte er, "ich bin in fünf Minuten wieder weg." Dann griff er aus seinem mitgebrachten Werkzeugkasten nach einen Schraubenzieher und begann, diesen RTW aus seiner Verankerung zu lösen. Etwas verwirrt schaute ich seinem Treiben zu und fragte ihn dann, was er denn eigentlich vorhabe.
"Ich tausch den hier nur aus, der geht ja nicht richtig."
"Das macht doch nix", habe ich gesagt. "Da guckt sowieso niemand drauf. Die meisten fahren hier eh blind, und selbst ich achte eigentlich nur auf den Pegel nach Optimod, und der stimmt, wie man sieht." Dabei deutete ich stolz auf den Peak von exakt 0.
"Egal. Ich hab' hier den Auftrag", murmelte er etwas tonlos, ohne mich dabei anzusehen und zog den RTW aus dem Schacht. Zwischen dem anderen RTW und dem benachbarten DAT-Recorder klaffte ein häßliches viereckiges Loch. "Hier, da, der geht." Mit diesen Worten drückte er einen nagelneuen RTW desselben Typs in das Loch und verschraubte ihn. Sofort begannen die beiden Lichtbalken lustig zu zappeln.
"Und was machen Sie mit dem alten?", fragte ich mit dem Hintergedanken, möglicherweise kostengünstig an einen echten RTW zu kommen; eine Möglichkeit, die mir sonst verwehrt bleiben würde. Sofort schoß mir die Überlegung in den Sinn, wo ich eine passende Gegebuchse herbekommen könnte und dachte kurz über die Pinbelegung nach. Mit der kleinen Einschränkung des ab-und-zu-mal-Zuckens könnte ich gut leben. Ein Ferrari mit einer keinen Beule. Super!
"Ach den! Na ja, mal sehen", sagte der Techniker, der schon wieder sehr beschäftigt war, seinen Schraubenzieher wieder vorschriftsmäßig zu verstauen und den RTW in die andere Hand nahm, während er sich daran machte, unser Studio zu verlassen. "Vielleicht kann man den noch reparieren, aber so wie das aussieht, glaube nicht. Wenn's nicht geht, wird er verschrottet."
Nein! Das tat weh! Fast so weh, wie wenn einer sagt, er habe gerade seinen Kater kastrieren lassen.
"Gibt's da nicht die Möglichkeit, den irgendwie... also...", stotterte ich, aber ich sah ihm an, daß er wußte, worauf ich hinaus wollte. "Keine Chance", sagte er knapp. "Der wird verschrottet. Aber jetzt ist ja 'n neuer da."
"Ja", sagte ich, während ich blind die nächste Blende fuhr, um zu retten, was noch zu retten war. "Sie wissen doch bestimmt, was so ein Ding kostet."
"Wir ham's doch", sagte der Techniker und verschwand.
Ich blieb etwas frustriert im Studio zurück und blickte auf den nagelneuen RTW, der mich mit all seiner Eleganz und Präzision anstrahlte. Während ich darüber nachdachte, ob es das wirklich wert war, drehte mein Blick eine Runde durchs Sendestudio und traf dabei auf so einiges, das wir in den letzten Jahren niemals gebraucht haben und in den nächsten Jahren vermutlich auch nicht brauchen würden, das aber einen Haufen Geld verschlang.
Mit dem Entschluß, auf Rücksicht auf meinen Kreislauf nicht weiter darüber nachzudenken, lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die Moderation und beschloß, den neuen RTW einfach zu ignorieren.