AW: Sind Radiogehälter noch zeitgemäß?
Ich weiß ja nicht, was die Mehrzahl der Mitkombattanten hier so beruflich tut, aber ich für meinen Teil kann nur festhalten, daß eine 70-Stundenwoche für mich keine Seltenheit ist. Und nebenbei bemerkt habe ich auch studiert, gleich zwei Fächer sogar, und nicht auf Magister oder Lehramt. Von 3000 EUR netto träum ich hin und wenn mal, genauso übrigens wie einige meiner Kollegen hier.
Offensichtlich hat sich hier kaum jemand mal mit den Einstellungsvoraussetzungen z.Bsp. bei ARD und ZDF auseinandergesetzt.
Sicher gibt es Sender, die ihre Leute in den Anfängen 'von der Straße' geholt haben. Diese Radios sind eh entweder nicht ernstzunehmen oder beschäftigen diese Menschen heute nicht mehr. Heutzutage muß man selbst im drittklassigsten Klitschensender ein abgeschlossenes Studium mitbringen, wenn man nur ein Praktikum machen will.
Die Gehälter und Honorare sind - gemessen an den Preissteigerungsraten seit Mitte der 90er - deutlich niedriger geworden. Das zu verleugnen ist tatsächlich Realitätsverlust. Die Tatsache, daß es kaum noch Redakteure, aber massenhaft 'Producer', 'Mods', 'Programmgestalter' gibt, spricht hier Bände.
Wenn ich da an unseren wortgewaltigen Nettetaler denke, fällt mir nur ein, daß auch im (verhältnismäßig sehr gut bezahlten) NRW-Lokalfunk die Gehälter nur deswegen so hoch sind, weil die Redakteure dort mal gestreikt haben!
Und zum Risiko: Wenn ein Mod oder Autor bei einem Radio (oder noch schlimmer im Fernsehen) irgendeine Falschmeldung rausbläst oder gar gegen lizenzrechtliche Bestimmungen verstößt (bei vom ÖRR aufgezeichneten Interviews z.Bsp), ist es heutzutage nur selten mit einer Gegendarstellung getan. Dann gehen die Schadensersatzforderungen in die 100tsd Euro-Regionen - je nach Reichweite und Tageszeit. Alternativ kann man eine Firma mit Falschmeldungen auch schon mal in die Pleite treiben - das kostet dann normalerweise Arbeitsplätze und Existenzen. Der Vergleich mit Ärzten hinkt sicherlich - auf der anderen Seite haben da ja nicht nur Chirurgen demonstriert, sondern auch Zahn-, Tier- und Allgemeinärzte.
Und wenn es für manchen hier normal ist, als Rundfunker sonst keine Ausbildung zu haben, dann sollten sich diejenigen mal fragen, in was für Häusern sie arbeiten, wenn sie denn in diesem Metier unterwegs sind.
Ich kenne keinen gut ausgebildeten Reporter oder Autor oder Mod, der dafür nicht viele Jahre in Ausbildung und Praxis investiert hätte.
Wenn ich sehe, was derzeit überall rein bezahlungstechnisch probiert wird, dann braucht sich niemand wundern, warum es im Privatfunk praktisch niemanden mehr gibt, der noch in der Lage wäre, in adäquater Zeit eine INTERESSANT ZU HÖRENDE Reportage auf die Reihe zu kriegen. Geschweige denn, das Wissen um deren Herstellung weiterzugeben.
<**grummel**>
kk