AW: Formate - ja oder nein? Fluch oder Segen?
So....für den heutigen Tag der Versuch der Erklärung, warum viele (gerade private...) Stationen heutzutage "Dudelfunk" betreiben:
a) Die Medienlandschaft hat sich geändert: Internet hat gewaltig an Bedeutung gewonnen - Zeitung und Radio sind in der Nutzung abgesackt (missen will sie aber keiner)
Und deswegen will man die sinkenden Medien noch weiter in der Bedeutung absinken lassen?
b) Die Aussage, Radio war früher ein Einschaltmedium, stimmt so nicht. Auch damals wurde "nebenbei" konsumiert. Man hörte nur anders zu: Man freute sich über alles, was kam. Plus den Spitzen - Hänschen Rosenthal (Wer fragt, gewinnt), Fred Metzler, Peter Frankenfeld oder ein Hanns Verres holten damals auch "mehr" Hörer als der Schnitt (damals leider nie ermittelt, mangels Konkurrenz) vor das Dampfradio. Dies waren dann (Unterhaltungs-)-Einschaltsendungen.
Ich habe seinerzeit auch nur zu bestimmten Stunden / Sendungen eingeschaltet. OK, das lag zum Teil natürlich auch mit daran, daß zu anderen Zeiten eben andere Zielgruppen bedient wurden. Aber Radio war früher für mich ein absolutes Einschaltmedium.
c) Diese Zeiten der Hörerbindung sind definitiv vorbei - in diesem Ausmaß wird es nie mehr stattfinden.
Und der Grund dafür? Hörerbindung ist doch eigentlich etwas essentielles und auf Dauer wesentlich effektiver und auch billiger, als sich vor jeder MA teueres Einweg-Stimmvieh zu kaufen.
d) Radio wird heute überwiegend (Analysen gehen von über 80% Anteil der Gesamtbevölkerung aus) als "schnelles Konsummedium" genutzt.
Also schnelle und knappe Info, bei möglichst beliebten Musiktiteln.
Man mißt allerdings auch nur das, was man messen will, nämlich diejenigen, die eingeschaltet haben. Diejenigen, die (bewußt) NICHT mehr einschalten, werden natürlich nicht erfaßt, und damit auch nicht deren Abschaltgründe.
e) Radio wird also gehört (ERSTE Hörerschicht nach Intensivität)
- morgens beim Aufstehen, Rasieren, Frühstück (30min)
- morgens auf dem Weg zur Arbeit, sofern eigener PKW & Autoradio (20min)
- nachmittags/abends auf dem Weg zurück nach Hause (20min)
DIESE Klientel überwiegt bei allen Umfragen, daher wird sie bedient.
Für mich gibt es im ganzen Tagesverlauf genau EINEN Grund, Radio zu hören, und zwar sind das die Nachrichten und das Wetter (und die Verkehrsmeldungen). Den restlichen Informations- und Unterhaltungsbedarf bedienen dann schneller, ausführlicher und wiederholungsfrei das Internet und der MP3-Player. Und ich bin mir sicher, daß ich hier nicht der einzige bin...
ZWEITE HÖRERSCHICHT nach Intensivität
- Radio wird im Büro, in der Fabrik, im Lokal oder Sportstudio (da, wo es geht und erlaubt ist) im "Hintergrund" gehört.
(Hierbei fallen Rotations-Doubletten nicht auf, im Gegenteil, wenn es "gute Hits" sind, freut man sich daran)
Gottseidank gibt's das bei uns im Büro nicht mehr. Die Zeiten, zu denen der Azubi uns mit dem Kinderfunk SWR3 folterte, sind vorbei
Inzwischen sind fast alle (zumindest alle, die Hintergrundberieselung brauchen) ausnahmslos auf eigene CDs / MP3s umgestiegen. Radio spielt exakt gar keine Rolle mehr.
DRITTE HÖRERSCHICHT nach Intensivität
- die "Oft- bis Dauernd-Zuhörer". Prozentual wenige, die wirklich intensiv zuhören, und das über lange Strecken.
Über deren Zustand würde ich mir ernsthafte Gedanken machen
Welchem Unterhaltungssender kann man den bewußt über einen längeren Zeitraum ZUhören? OK, vielleicht sollte man hier wirklich nicht tiefer nachfragen...
Kurz gesagt, die von Dir beschriebenen Gründe, wieso vor ~15 Jahren der Dudelfunk flächeneckend Einzug gehalten hat, sind allesamt richtig, aber sie haben alle mit der heutigen Radiowelt nicht mehr viel zu tun, dafür hat sich dank Internet und MP3-Playern einfach zu viel geändert und es wäre wirklich an der Zeit, den Dudelfunk und seine Existenzberechtigung ernsthaft zu hinterfragen. Nicht nur als Hörer, nicht nur als Macher, sondern beispielsweise auch als Werbetreibender.