AW: MDR-Intendant Udo Reiter kündet vorzeitigen Abschied an
Nun, die Siegerjustiz ist wenigstens der Versuch, eine Macht in einem System der Gewaltenteilung zu sein - unabdingbare Grundlage für einen Rechtsstaat.
Schönen Dank auch. Dieser Siegerjustiz verdanke ich das kulturelle Elend, das mich seit Jahren, beinahe seit 2 Jahrzehnten umgibt. Dieser Siegerjustiz verdanke ich die "Wertschätzung", nur als Konsument willkommen zu sein, als alles andere aber bitte schön in meinem Loch hocken zu dürfen. Dieser Siegerjustiz verdanke ich die Erfahrung, die ich mit DT64 gemacht habe, die ich später als Student mit antisozialen Umstrukturierungen im universitären Umfeld erleben durfte, und die Arroganz des Geldes, der ich mich heute tagtäglich ausgesetzt fühle, kommt auch von dort. Seit einigen Monaten weiß ich auch, daß inzwischen jegliche Kultur in diesem Lande, auch die, die man gemeinhin unter "Klassik" zusammenfaßt, durch die "Sieger" bedroht ist - konsequenterweise, da wir ein Staat sind, in Gesamtdeutschland. Kultur wirft ja keinen EBIT ab, also weg damit.
Es mag sein, daß es tatsächlich Menschen gibt, die zufrieden sind, wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, als sie je für alles auch nur ansatzweise erdenkbare Materielle ausgeben können. Ich bin es nicht. Die Dinge, die mir wirklich jenseits der Grundversorgung mit Nahrung und Wohnung wichtig sind, lassen sich nicht kaufen. Das wäre kein Drama, wenn das System, das hier wütet, nicht in den vergangenen 20 Jahren dazu geführt hätte, daß das, was ich suche, faktisch ausgestorben ist.
Ich mußte heute einen Weg in der Stadt besorgen. Ich tus ungern, weils weh tut. Ich mußte durch die Massen an Konsumenten, die da rumrennen. Dieses ganze entfremdete, ferngesteuerte, permanent an seinen Handies spielende Lady-Gaga-Volk. Einen Tag allein im Wald ziehe ich diesem Anblick, der das heutige gesellschaftliche Ideal verkörpert, jederzeit vor.
Ich kann in dieser Gesellschaftsordnung nichts positives erkennen, sie hat zur völligen geistigen Degeneration geführt. Das Radio, um on-topic zu bleiben, spielt seit Jahren den Soundtrack dazu.
Siegerjustiz - ein schönes Wort. Sieger nämlich über ein System, das wirtschaftlich UND moralisch abgewirtschaftet hatte
Und das heutige hat ethisch dermaßen abgewirtschaftet, daß die Leute um mich herum reihenweise psychisch krank werden oder am Rande der Erschöpfung operieren. Die wenigen, denen echte Werte noch etwas bedeuten, haben sich komplett aus der Gesellschaft zurückgezogen, schotten sich ab, nur um überleben zu können. Ein feines System. Irgendwie für mich nicht wirklich erkennbar besser als das, das ich vorher erleben durfte. Zumindest nicht soviel besser, daß es zum alleinigen und allheilbringenden erklärbar wäre, zumindest nicht für mich.
Wenn ich mir die ganze verlogene Politiker-Brut anschauen, die Lobbyisten, die professionellen Lügner im Dienste des Kapitals - was ist daran besser, was ist daran wertvoll? Ist die Mehrheit der Ostdeutschen dafür wirklich 1989 auf die Straße gegangen? Ein kleiner Trost: dieses System ist auch dem Untergang geweiht. Bald. Über das "danach" will ich lieber nicht nachdenken, ich erwarte nichts besseres, sondern eher rohe Gewalt. Das einzige, was dieses System seit Jahren unbewußt heranzüchtet.
Dass es keine Chance auf eine neue Republik gab und Deutschland heute auch alles andere als optimal ist, steht auf einem anderen Blatt. Man hat aber in diesem Land die Chance, auch mit eigenen Überzeugungen was zu werden, auch wenn es unbequem ist. Man endet damit aber nicht im Stasi-Knast.
Das nicht, da gebe ich Dir Recht. Man endet einfach nur im kompletten Aus. Man kommt zuweilen bereits in einem naturwissenschaftlichen Beruf nicht weit, wenn man es ablehnt, die Realität zu verbiegen, bis sie der Führungskraft in den Kram paßt. Dann wird man kaltgestellt und rausgemobbt. Auch in diesen Strukturen geht es nur um Machterhalt und leider meist nicht um wichtigere Dinge. Wie es da wohl in den nicht-technischen Bereichen aussehen mag? Als aktuelles kleines Häppchen vielleicht dieses hier:
Falsches Parteibuch - Regierung will obersten Regulierer austauschen. Gut, der fällt nicht hart, aber interessant ist es allemal.
Womit wir beim MDR wären. Ich erwarte oder erhoffe nichts von Frau Wille, gebe aber zu bedenken, daß die Anstalt bislang von einem Menschen ohne Verdacht einer DDR-Vergangenheit verantwortet wurde - mit bekanntem desaströsen Resultat. Auch auf niedrigerer Ebene hatte der MDR genug Westimporte (vgl.
hier), und das Programm war von Anbeginn an an grauenvoll. Niles von Haken, der MDR-Life-Chef, kam z.B. von Radio Bremen. Ganz so einfach ist es also nicht: nimm nen nicht-Ossi und das geht dann schon gut. Mir ist es wichtiger, was Menschen jetzt tun, als das, was sie vor Jahrzehnten getan haben. Jetzt bin ich u.U. von den Folgen ihres Tuns betroffen. Anderswo haben Heerscharen von drüben nicht mehr gebrauchten SPD-Altlasten nach der Wende z.B. das System der speziellen Förderschulen für hochbegabte Schüler zerstört. Alle sollten gleich sein, also durfte es keine Spezialschulen mehr geben. Ein Freund von mir hat als Schulsprecher seinerzeit diese prägende Erfahrung machen müssen.
Da wäre ein anderer Gedanke u.U. vermutlich zielführender:
Grenzwelle schrieb:
Wer für seine Überzeugungen in Bautzen gesessen hatte, der setzt für seine Überzeugungen vielleicht auch ein Programm durch, das nicht unsäglich rückwärtsgewandt, altbacken, primitiv und privatfunkanbiedernd ist wie das des real existierenden mdr in weiten Teilen.
Da gehe ich sofort mit, wenn es sich bei demjenigen (hier fiktiven) Opfer des DDR-Systems um einen ethisch stabilen Menschen handeln würde, den die Leidenszeit nicht zum blinden Krieger gemacht hat. Mir kommt da spontan jemand vom Schlage Václav Havel in den Sinn. Und ich kann mich nicht erinnern, daß Menschen dieses Kalibers im Osten nach 1990 noch irgendwas zu melden gehabt hätten. Der MDR als solcher dürfte dann auch restlos frei von ihnen gewesen sein, falls nicht, wären sie alsbald resigniert gegangen. Wie überall in der ex-DDR, so daß das heute bekannte entintellektualisierte, Bildungsbürger-freie, dumpfe, debile System alsbald stabil stand.
Ja, dieses Gedankenspiel hat was. Was hätte anders laufen können, hätten solche Menschen 1990 im Osten das Ruder übernehmen können. Nicht nur im Rundfunk. Aber eben auch da. Radio Brandenburg war ein Zufluchtsort für solche Menschen. Bis es durch Radio Eins ersetzt wurde.