AW: 20 Jahre Lokalradio NRW
104.6Hörer schrieb:
Junger Mann, befasse Dich doch kurz mit den Ansichten der Politiker und Bürger in den 1980er Jahren. Die Politiker waren der Meinung private Unternehmen könnten keine Verantwortung für die Medien Fernsehen und Radio übernehmen. Sie sahen eine Gefahr die daraus erwachsen könnte. Der WDR hat auch noch in den 1990er Jahren gegen die privaten Medien Stimmung gemacht. Der WDR war damals noch stärker Meinungsbildend als heute – weil ohne Wettbewerb.
Die Verleger haben zu dem Zeitpunkt das Kapital gehabt, zum anderen haben sie bewiesen, dass die mit ihren Druckerzeugnissen eine Verantwortung übernehmen können. Die Technik war damals wesentlich teurer als heute!
Und die Menschen waren gewohnt, dass mit jeden Wahlsieg des Bundeskanzlers Helmut Kohl die Kirch-Gruppe einen neuen Fernsehsender starten durfte. Warum sollte es im Bereich Radio anders sein?
An den Radiosendern in allen Bundesländern sind Verlage beteiligt. Da ist NRW keine Ausnahme.
Das ist soweit zutreffend.
Dennoch glaube ich, dass wenn die in der damaligen Zeit politisch Verantwortlichen gewusst hätten, welche marktbeherrschende Stellung die Zeitungsverleger im Rundfunksektor in zehn, zwanzig Jahren einmal inne haben würden, sie sicher auch verschiedenen Akteuren unabhängig voneinander die Möglichkeit eingeräumt hätten, privaten Rundfunk zu betreiben.
Tatsache ist, dass es auch in Deutschland unterschiedliche Wege gegeben hat: Man vergleiche nur Nordrhein-Westfalen mit Bayern.
Ein Peter Bertelshofer hätte in den achtziger Jahren in Köln oder Düsseldorf nie und nimmer einen Sender wie Radio2DAY aufbauen können.
Dabei hat es auch in NRW fähige Menschen gegeben, die in Ostbelgien zum Glück eine Nische fanden.
104.6Hörer schrieb:
Warum die Verleger besser Radio machen können? Sie halten die Sender seit Jahren und alle Quereinsteiger aus anderen Bundesländern haben aufgegeben. Gerade im Raum Aachen wurde viel experimentiert. Du bist doch für Wertbeständigkeit. Du hast doch geschrieben, dass früher alles besser war (Musik, Radio). Dazu gehört auch, dass die Sender in derselben Hand bleiben, denselben Besitzer haben und auf lange Zeit Arbeitsplätze sichern. Auch das gehört zu Wertbeständigkeit. Es ist doch kein Willkürstaat hier, der die Lizenz nach Lust und Laune entzieht. Wenn jemand beweisen kann, dass er über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, darf er Radio veranstalten. Aber es kann niemanden eine Lizenz entzogen werden, weil es Dir so passt. Und das Verlegerprivileg kommt aus der Verpflichtung den Bürgerfunk mitauszustrahlen. Es wird schon seit Jahren gesagt, dass der Bürgerfunk wegfällt, wenn das Verlegerprivileg fällt.
Vordergründig betrachtet hast Du recht: Die Verleger sind in der Tat ein Garant für Stabilität auf dem Rundfunkmarkt.
Aber warum ist dies so? - Weil sie aufgrund ihres gesellschaftlichen Einflusses an der politischen Meinungsbildung mitwirken und sich deshalb auf Landesebene kein führender Politiker traut, ihnen ihre Einnahmen aus dem Radiogeschäft durch die Zulassung von Konkurrenz strittig zu machen!
Wären die Verleger nur ein Akteur unter diversen anderen, dann wäre es gar nicht unwahrscheinlich, dass auch das ein oder andere Zeitungsradio bereits pleitegegangen wäre.
Den Vorwurf, den ich den Verlegern mache, ist nicht nur der, dass sie ihre marktbeherrschende Stellung massiv ausnutzen, sondern auch, dass sie ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Rundfunklandschaft in Deutschland eintöniger und langweiliger ist, als in praktisch allen anderen europäischen Ländern. Man vergleiche in diesem Zusammenhang nur mal Deutschland mit den Niederlanden: In Deutschland hatten und haben die Zeitungsverlage quasi in allen Bundesländern ein Privileg, auch wenn dieses unterschiedlich stark ausgeprägt ist, am intensivsten dort, wo die SPD seit jeher an der Regierung ist, am geringsten in den traditionell unionsregierten Ländern.
In den Niederlanden dagegen wurden Personen mit dem Aufbau von Radiosendern betraut, die aus der Piratensenderszene stammten, die somit wussten, wie man ein attraktives und wirklich bürgernahes Programm gestaltet.
Auch in Deutschland gab es in den siebziger und achtziger Jahren eine Fülle von Piratensendern, z.B. allein im Kreis Soest an die 30, die man einfach hat links liegen lassen, wie u.a. folgendes Video verdeutlicht:
http://www.youtube.com/watch?v=iUp_5YxQ_ao
Freies Radio wurde fälschlicherweise als Gefahr für die Meinungsbildung angesehen, deshalb beauftragte man in den SPD-regierten Ländern allein die Zeitungsverleger mit der Gründung privater Hörfunksender.
Wäre es ausschließlich nach der SPD gegangen, hätte es überhaupt keinen Privatfunk gegeben; dass dieser doch eingeführt werden musste, ist letztlich nur dem Druck aus dem europäischen Ausland zu verdanken.
104.6Hörer schrieb:
Und ich habe bereits auf deine Frage geantwortet. Die Lokalradios sind besser, weil kein anderer Radiosender so nah am Bürger ist. Gerade das Ruhrgebiet als Ballungsraum mit 5 Millionen Einwohnern kommt in den WDR 2 Regionalnachrichten schlecht weg. Der Raum von Kleve bis Breckerfeld und von Niederkrüchten bis Recklinghausen wird in 4 Minuten auf WDR 2 abgehandelt. Für denselben Raum gibt es 3 Lokalzeit-Fenster (Duisburg, Düsseldorf und Essen). Nur das östliche Ruhrgebiet wird vom WDR gut bedient.
Sorry, aber ich habe nicht danach gefragt, weshalb die NRW-Lokalradios angeblich besser seien, sondern wieso Du die Auffassung vertrittst, dass es neben dem Lokalfunk nicht auch andere Privatsender geben dürfe, an denen die Zeitungsverlage nicht beteiligt sind.
Klar, wenn ich dafür bezahlt werden würde, den Lokalfunk hier im Forum in ein positives Licht zu rücken, würde ich vielleicht ähnlich argumentieren, obwohl ich eher glaube, dass ich einfach nicht in der Lage bin, für etwas einzutreten, was ich rundweg ablehne; dazu zählen nun einmal Oligopole, die ihre marktbeherrschende Stellung derart ausnutzen, dass sie alle anderen Akteure entweder vom Markt verdrängen oder zu einer Beteiligung zwingen.
104.6Hörer schrieb:
Andere Anbieter hatten die Chance und haben sie vertan (Kreis Aachen, Ennepe-Ruhr-Kreis). Im Kreis Heinsberg kann jeder beweisen ob er gut Radio machen kann. Die Vergabe an die Verleger lässt sich nicht rückgängig machen. Immer wenn anderen Anbietern eine Möglichkeit eingeräumt wurde hier Radio zu machen, haben sie entweder versagt oder haben sich das anders überlegt.
Hier schließe ich mich der Position batmans an.
Die letzte Aussage von Dir ist nicht nur in Bezug auf die frühere Antenne AC zynisch, sondern bspw. auch im Kontext von Central FM. Welchen Sender würden die Pulheimer wohl lieber auf der 92,0 hören: Domradio oder Central FM?
Solches sublokales Radio wäre sogar noch bürgernäher, als der bestehende Lokalfunk und erst recht Domradio; also müsstest Du den Ausgang des Votums der Medienkommission doch wohl bedauern, da Bürgernähe für Dich ja ein entscheidendes Qualitätsmerkmal eines Programms ist. Oder habe ich Dich etwa falsch verstanden?
Und was ist mit den ganzen anderen Versuchen? - Glaubst Du, cityREdio würde ein mit 10 Milliwatt ausgestrahltes Einkaufsradio gestalten, wenn die mit einem 50-Watt-Sender auch ganz Recklinghausen versorgen könnten? - So etwas wäre echter, unabhängiger Lokalfunk!
An dieser Stelle könnte ich noch viele andere Beispiele nennen, doch das lasse ich lieber: Die Medienkommission trifft immer nur Entscheidungen, welche dem Schutz des Lokalfunks vor Konkurrenz dienen, und genau dies sollte in einem demokratischen Rechtsstaat nicht der Fall sein.
Demokratie lebt von Vielfalt, auch im Kontext der Zuweisung von Übertragungskapazitäten für private Programmveranstalter.
Wir wollen ja schließlich nicht, dass Nordrhein-Westfalen in dieser Frage schlechter dasteht als Ungarn oder gar Weißrussland!