Ich musss dann doch nochmal ein wenig ausholen, auch wenn das den Faden jetzt sprengt...
Nach einem Bericht in der "welt" erfuhr das ZK genau zu der Uhrzeit, als in Berlin die Mauer fiel, erst den wahren Umfang, wie pleite die DDR war.
Das dürfte eine der vielen Legenden sein, die sich um jene Nacht im Laufe der Zeit gebildet haben. Die DDR war nicht pleite, auch wenn sich dieses Märchen bis heute wacker hält. 1999 kam die Bundesbank in ihrem Abschlussbericht in Sachen DDR zu dem Schluss, dass das Land trotz schwächelnder, weil überalterter Produktionsmittel komplett zahlungsfähig war.
https://www.welt.de/wirtschaft/article134088763/Die-DDR-war-in-Wahrheit-gar-nicht-pleite.html
Zu schaffen machte ihr neben den teils schwer betagten Produktionsmitteln natürlich auch die massenhafte Abwanderung der Leute ab spätestens Mitte 89. Den weitestgehenden Todesstoss verpaßte der DDR-Wirtschaft die viel zu frühe Einführung der D-Mark auf dem Gebiet der DDR, weil das über Nacht die Kosten für die Produktion sämtlicher Güter vervielfachte, was dann bekanntermassen zum endgültigen Kollaps der Wirtschaft führte.
...und doch wie fast alle Ostdeutschen weitgehend aus Wohlstandsflüchtlingen besteht. Und zwar aus sehr bequemen, "immobilen" Wohlstandsflüchtlingen, die sich den West-Standard frei Haus liefern lassen und zu erheblichen Teilen von ihren westdeutschen Landsleuten bezahlen lassen haben.
Das würde ich so pauschal keineswegs stehen lassen wollen. Natürlich waren die allermeisten DDR-Flüchtlinge Wirtschaftsflüchtlinge, gar keine Frage. Der beigetretenen DDR bzw. den dann fünf neuen Bundesländern die förderalen Strukturen der Bunderepublik vorzuwerfen, finde ich allerdings schon ein ziemlich skurilles Weltbild. Den Länderfinanzausgleich gab es lange vor dem Beitritt der DDR, folglich gabs den dann auch für die Neufünfländer und den Soli-Zuschlag zahlen nach wie vor alle, auch die im Osten.
was insofern schräg ist, als dass es "ostwärts" immer touristischer wird und "westwärts" immer mehr "fährt nur noch 2 mal am Tag der Schulbus, wenn überhaupt"
Das ist auch ziemlich populistischer Käse. In Thüringen, Sachsen und Meck-Pom hat man sich auf den Tourismus konzentriert, weil man dort sonst nichts anderes hat. Vor allem an der Küste ist dass das einzige was funktioniert. Das hat man sich im Westen abgeguckt. Und das wirft man denen jetzt vor? Komisches Weltbild. Besuche beispielsweise mal in Sachsen Ortschaften jenseits der Touri-Hochburgen Dresden oder Leipzig. Da sieht es nach wie vor weitestgehend ziemlich trostlos aus. Da ist vieles nicht viel anders als im Westen, wo die Orte genauso in die Jahre gekommen sind.
Und was den "Schulbus" angeht, zeig mir doch mal wo in der ostdeutschen Pampa ein Bus ausserhalb des Berufserkehrs fährt, vom Wochenende ganz zu schweigen.
Für ihn ist nicht einmal die "erste" Nazi-Zeit (1933-1945) aufgearbeitet. Dieser integrale Bestandteil der deutschen Geschichte wurde nach seiner Wahrnehmung in Ostdeutschland nach 1945 nur abgespalten und erfreut sich deshalb bis heute bester Vitalität.
Da hat er erstmal Recht. Die Frage die sich stellt ist aber, warum er das auf Ostdeutschlanf beschränkt. Bis in die 80er Jahre hinein schafften es gestandene Alt-Nazis im Westen bis in höchste politische Ämter, von gesellschaftlichen Aktivitäten ganz zu schweigen. Aufgearbeitet ist da gar nichts, weder im Osten noch im Westen.
Die Witze, die sich Drittklässler 1982 auf dem Schulhof erzählten, sind hier nicht wiedergebbar, es könnte sein, dass sie auch in der heutigen Zeit noch den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Die 14-16-jährigen grüßten sich 1988 mit Hitlergruß auf dem Bolzplatz - ganz "normal". Im Wehrausbildungslager (1989, letzter Durchgang!) waren etliche Nazis unter den Schülern dieses Jahrganges aus der ganzen Stadt - und das auch weitgehend offen und stolz.
Das ist auch wieder so eine Verallgemeinerung, die ich nicht teile, weil ich sie schlicht nicht bestätigen kann.
Die Witze kenne ich zwar auch, aber als Kind ist man sich der Dimension dessen nicht bewußt was man da tut oder erzählt. Und es ist der Reiz des Verbotenen, der da mit reinspielt. Wirklich erfaßt was man da macht, hat man nicht. Eine Entschuldigung ist das zwar nicht, aber es ist eine vielleicht einleuchtende Erklärung.
Das man sich auf dem Bolzplatz mit dem Hitlergruß begrüßt, ist mir dagegen nie passiert. Und das es bei mir weitestgehend offene und stolze Nazis gab, kann ich ebenfalls so nicht bestätigen. Die verschärfte Indoktrination vor allem gegen Ende der DDR mit allerlei sozialistischem Blabla führte bei den meisten eher zu politischen Desinteresse.
Das ist die heutige Elterngeneration und der Nachwuchs ist in diesem Konsens aufgewachsen. Einfach mal schauen, welche Altersgruppe heute im Osten was wählt.
In dem Punkt würde ich dir zustimmen. Allerdings haben diese Ewiggestrigen keine Mehrheit. Und ich glaube auch nicht, dass sie je eine bekommen. Die AfD dürfte weitestgehend an ihrem Zenit angekommen sein. Wenn wir mal von den tatsächlichen Wählerzahlen ausgehen, sprich der Prozentzahl der Gesamtwähler, liegt die Partei überall unter 20 Prozent. Und das sie vor allem im Osten überhaupt so hohe Zahlen einfahren konnte, hat nicht zuletzt auch noch etwas mit der grottenschlechten Performance der anderen zu tun.
Die Alten stehen im Sommer abends mit Feinripp-Unterhemd im Garten am Grill, ihre Bierfass-Stimme dröhnt durch die Gärten und hetzt über Vegetarier, Ökos, Linke, Studenten, Tierschützer, CO2-Steuer, "Klimalüge" und alles andere, was ihr kleiner Geist nicht erfassen kann. Die Frauen stimmen keifend zu.
Dann fahre an lauen Sommerabenden mal lieber nicht durchs Ruhrgebiet. Das gibts da genauso. Nazi-Hochburgen und Reichsbürger gibt es auch im Westen mehr als genug. Dort hat man im Laufe der Zeit lediglich gelernt, die hässliche Fratze der Region besser zu verstecken.
Die jüngere Generation ist etwas "robuster": junge Väter sind auffällig oft humpelnde Glatzen oder sehen anderweitig wie "besser mal die Straßenseite wechseln" aus. Die heutigen Väter aus meinem einstigen schulischen Umfeld sind dagegen so filigran, die würden in meiner Heimatregion nie eine Frau abbekommen, weils keine "Männer" sind. Bauarbeiter stehen mit "Wehrmacht"-T-Shirt auf dem Gerüst. Eltern brüllen ihre Kinder in der Öffentlichkeit an. Die Zahl der Kinder, die schon äußerlich als deutlich entwicklungsverzögert erkennbar sind, ist erschreckend hoch. Doch diese Äußerlichkeit darf nicht darüber hinweg täuschen, dass auch in "gediegenen" Elternhäusern mit makellosen" Kindern der Hass zu Hause ist: gerade der gehobene Mittelstand und der KMU-Bereich sind dort oft erschreckend nahe am Nationalsozialismus.
Kann ich so ebenfalls nicht bestätigen. Das der Ton insgesamt rauer geworden ist, steht ausser Frage. Aber alles was du da aufgezählt hast, ist in meinem Umfeld eher Ausnahme statt Regel. Und das ist auch gut so.
Ich will dir wirklich nicht zu nahe treten, aber diese ganzen Verallgemeinerungen auf den gesamten Osten zu beziehen, finde ich nicht nur falsch, sondern auch, na ich sag mal blauäugig oder zumindest wenig hilfreich.
Insbesondere in Sachsen und Thüringen kommt zudem hinzu, das man viele Jahre dem Treiben einfach zugeschaut hat und die rechten Umtriebe stillschweigend tolerierte. Das darf man auch nicht vergessen.
Übrigens, ums mal sehr provokant zu formulieren: Was konkret tust du eigentlich gegen diese Erscheinungen in deiner alten Heimat? Falls nichts, bist du leider auch nicht besser als die ganzen "Jammer-Ossis", nur eben aus der umgekehrten Richtung. Und diese (vielleicht unbewußte) Spaltung, hat nichts mehr mit dem Mauerfall zu tun, sondern nur noch etwas mit dem Hier und Jetzt.