Hi Mona und andere,
das Gejammer hier regt mich auf, zumal Unwahrheiten verbreitet werden.
1.) Wenn Du so gut wärst, wie Du Dich anpreist, hättest Du den Sprung zu nem Öffi schon geschafft
2.) Wenn Du so gut wärst, wie Du Dich anpreist, hättest Du Dein vielbeneidetes Vitamin B und müsstest hier nicht klagen (dazu zählen neben einer Handvoll Talent aber auch Kollegialität und ein nettes Wesen)
3.) Wenn Du seit 15 Jahren im Privatfunk auf derselben oder auf ähnlichen Positionen gearbeitet hast, dann a) selbst schuld oder b) dann steh doch dazu und gib weiterhin alles und mach das Beste draus. Einer schrieb hier sinngemäß, statt zu klagen, sollte man einfach seine Arbeit machen. Ganz genau.
3.) Niemand hindert Dich daran, als freie Reporterin Beiträge an verschiedene Öffi-Wellen zu verkaufen, nicht einmal Deine Noch-Tätigkeit im Privatrundfunk
4.) Wenn Du im kreativen Bereich = als Mod, als Nachrichtentante, als Planer, als Reporterin im Öffi arbeiten willst, kannste Dir ne Festanstellung aus dem Kopf schlagen. Als Freie kannste eh mehr Kohle machen, außerdem ist Festanstellung schwierig mit eventuellen Nachtdiensten, Wochenenddiensten etc. zu vereinbaren. Wenn Du angestellt werden willst, bist Du raus aus dem operativen Bereich und wirst Teil der CvD-Ebene oder Schlussredaktion oder ähnliches. Dazu kommt auch: Chefs lügen auch gerne bzw. haben keinen Bock, die Wahrheit zu sagen. Wenn Dir jemand erzählt, er würde Dich gern nehmen, müsse aber sparen, muss das nicht die Wahrheit sein. Zumal zumindest ich sowas bei Bewerbungsgesprächen freier Mitarbeiter (auch im Flurfunk) noch nie gehört habe.
5.) Die Sender müssen sparen, dennoch sehe ich nach wie vor neue Leute kommen und andere Leute gehen - letztere in der Regel nicht in die Arbeitslosigkeit, sondern einfach wonanders hin.
6.) Es gibt nicht nur Jobs beim Radio. Wenn Du soviel Erfahrung hast und auch nur halbwegs neugierig oder flexibel bist, guck nach links und rechts. Es gibt Online-Redaktionen, VJ-Ausbildungen und -Abteilungen, es gibt den guten alten Videotext mit verschiedenen Standorten in der ARD, es gibt Service-Redaktionen, es gibt die Möglichkeit, als Coach zu arbeiten oder Weiterbildungen zu leiten (auch innerhalb des Senders), man könnte auch mal auf eigene Faust mit Aufnahmegerät und Laptop zum Schneiden ins Ausland reisen (vielleicht nicht gerade nach Washington, London oder Paris - aber selbst das kann klappen) und coole Beiträge anbieten - und wenn Du Dich und die Beiträge auch nur halbwegs verkaufen kannst, findest Du Abnehmer (Kulturwellen, Inforadios, eine Latte an Sendungen im DLF...)
7.) Ich kenne eine Reihe von Leuten, die machen ein- oder zweimal die Woche oder auch nur einmal im Monat ne coole Show im Radio, dann noch ne coole Show bei nem anderen Sender und ansonsten arbeiten sie als Krankenpfleger, Elektriker, Unidozent, Lehrer oder Übersetzer.
8.) Du wirst hier garantiert keine Kontakte im Sinn einer Einladung knüpfen können - dafür viel Bestätigung von anderen Verschwörungstheoretikern und Frustrierten finden.
9.) Du willst ne prima Journalistin sein? Dann sei es - mit allen Höhen, Tiefen, Risiken und Erfolgserlebnissen. Aber hör auf, von Ehre, Reichtum und ner sicheren Zukunft in Festanstellung zu träumen.
10.) Ich bin Dir nun schon zu nahe getreten, deshalb noch ein Letztes: Du bist bestimmt kein Looser, Taugenichts oder Nichtskönner. Du kannst bestimmt ganz viel, kannst ein wunderbarer Mensch sein und hast ne Menge Fähigkeiten. Dennoch solltest Du Dich bei soviel Frust vielleicht mal zum Spezialisten Deines eigenen Leidens machen. Hinterfrage Deine Tätigkeit und sei ehrlich mit Dir selbst. Würdest Du woanders wirklich glücklicher werden? Würdest Du Dich nicht letztlich auch quälen? Das heißt nicht, dass Du die letzten 15 Jahre bereuen sollst, im Gegenteil. Sie waren ein Lebensabschnitt, in dem Du auch lebenswichtige Erfahrungen gemacht hast. Dennoch ist eben nicht jeder für eine lebenslange Karriere in den Medien geschaffen (wer weiß schon, ob ich das bin) und vielleicht ist Dein jetziger Beruf auch nur das Resultat erlebten Mangels. Vor allem, wenn der Lebensinhalt der letzten Jahre nur Kompensation war, die von der Gesellschaft, Deinen Freunden, Dir selbst gern gesehen wurde und die man sogar als Erfolg interpretieren konnte.
Danke. Du machst die Branche nämlich wesentlich schlechter als sie ist.