AW: Bürgerfunk NRW - weg damit !!! Danke CDU !
Meine Einstellung zu "Bürgerfunk" ist recht kompliziert und teilweise gespalten. Der Reihe nach:
1.
Halte ich Bürgerfunk (oder wie auch immer Funk außerhalb der Verantwortung von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Veranstaltern auch genannt werden möge) für unverzichtbar. Der Grund dafür? Ganz einfach: Vielfalt. Vielfalt in der Meinung, Vielfalt im Wort, Vielfalt in der Musik. Privatfunk kann dies in Deutschland nicht leisten, das hat er bewiesen und daran wird sich kaum etwas ändern. Privatfunk muß verkaufen und geht dafür auf Nummer sicher. Die öffentlich-rechtlichen glauben mehrheitlich, dies nicht leisten zu können, ohne ihre Existenzberechtigung zu verlieren. Inwieweit dies im Einzelfall zutreffend ist, muß überprüft werden. Bleiben die "Unabhängigen", die "Ehrenamtlichen", die Amateure. Im MDR-Sendegebiet beispielsweise sind spezielle Angebote auf den OKs und NKLs die einzige Quelle für neue Musik jenseits der Charts und auch der einzige Anlaufpunkt im Radio für Informationen über alternative lokale kulturelle Ereignisse. Die mangelhafte Berichterstattung des MDR über lokale Ereignisse wurde zuletzt von der CDU Sachsen-Anhalts im Zusammenhang mit der Anregung einer Zusammenlegung von Jump und Sputnik kritisiert. Beeindruckende, qualitativ hochwertige Sendungen sind mancherorts auf unabhängigen Frequenzen zu hören: der gern von mir zitierte
Sunday Service in Hamburg ebenso wie beispielsweise das
Hellborn Metalradio, das in Thüringen kompetent über die härtere Musikszene berichtet. Diverse eher Minderheiten ansprechende Sendungen haben ihre Heimat auch auf solchen Kanälen, sei es das Programm des
Blindenverbandes oder das
schwule Infomagazin.
Die zugesicherte freie Meinungsäußerung ist in der etablierten Rundfunklandschaft kaum noch möglich, es sei denn, man vertritt die Meinung eines imaginären "Durchschnittsmenschen", den es in dieser Form eigentlich nur als Target für Werbemaßnahmen geben kann.
2.
Sähe ich kaum noch eine Rechtfertigung für offene Kanäle und Bürgerfunk, kämen die öffentlich-rechtlichen Veranstalter einem umfassenderen Programmauftrag, der auch Themen und Kultur jenseits der Massenakzeptanz beinhaltet, besser nach. Das Aufbereiten von Informationen fürs Radio, das Selektieren des Wesentlichen, scheint Amateuren häufig Probleme zu bereiten. Kann man den meisten ja auch nicht übelnehmen, schließlich sind es keine ausgebildeten Journalisten.
3.
Habe ich massive Probleme mit einer auch in meinem Umfeld schon heftig diskutierten Einstellung bestimmter Amateurfunker, die bereits hier angedeutet wurde:
MikroMafia schrieb:
Bürgerfunk kann auch für Qualität stehen, sprich soundtechnisch, produktionstechnisch und inhaltlich. Was nützt denn Vereinen und Verbänden eine mieß produzierte Sendung ? Gar nix.
Offenbar scheint es doch einen Nutzen zu geben, wenngleich einen sehr zweifelhaften: Abgrenzung. Ich habe nicht nur einmal gehört "na und, wir sind ein offener Kanal, wir müssen (!!!) schlecht klingen", wenn die RTW wieder einmal Dauerleuchten zeigte oder 128er MP3s über den Sender gejagt wurden. Mahnt man qualitative Mindeststandards an, bekommt man zu hören, das hier wäre kein kommerzieller Sender. Natürlich nicht, aber warum nur bedeutet bei so vielen Möchtegern-Radiomachern "professionell" = "kommerziell"? Ich habe es nie verstanden und wäre für eine Erklärung sehr dankbar...
Inhaltlich gibt es auch nicht wenige Kandidaten, die auf den letztlich GEZ-grundfinanzierten Frequenzen versuchen, Privatfunk zu kopieren, um sich den Wunsch nach der Illusion vom großen Privatradiohelden zu erfüllen. In Jena beispielsweise hört man dann Verkehrsfunk (freilich ohne die Autoradios durchzuschalten), dessen Meldungen bei nem "großen" Sender abgeschrieben wurden, angereichert mit der "billigsten Tanke der Stadt". Immerhin kann diese Nutzergruppe das recht professionell - nur leider am völlig falschen Ort. Letztens gab es, so erzählte man mir, einen Eklat, als ein Veranstaltungsfunk zu einem lokalen Filmfestival geplant war, der letztlich nur aus Musik-Endlosschleife ohne nennenswerten Informationen über das Ereignis bestand.
Völlig berechtigt ist folgender Wunsch:
MikroMafia schrieb:
Der Radiogeilste mit schlechten Stimme sollte nicht moderieren !
Aber wie sollte er umgesetzt werden, ohne wieder in die freie Meinungsäußerung einzugreifen? Welche Kriterien gelten, wer überwacht ihre Einhaltung? Dazu hätte ich gerne auch ein paar Ideen gehört.
MikroMafia schrieb:
Es ist ja auch saueinfach einen MP3 Stick mitzunehmen, ein paar coole Sprüche zu schlagen und die Sendung dann auszustrahlen. Die Inhalte liest man aus dem Internet ab. Das Bürgerfunk anno 2005. So etwas kotzt einen an.
Beruhigend, daß es auch anderswo so ist. Das machts aber leider auch nicht besser...
MikroMafia schrieb:
Des weiteren sollte verbindlich vorgeschrieben werden wofür die Fördermittel ausgegeben werden. Jede Radiowerkstatt gibt ihre Budgetvorstellungen an und bekommt gegen Quittung des Einkaufs den Betrag XY erstattet.
Wenn ich mir anschaue, wie knapp manche kalkulieren müssen und mit welch abenteuerlicher Technik der Betrieb aufrechterhalten wird, reibe ich ungläubig die Augen. So schlimm in NRW? Ist das tatsächlich ein Selbstbedienungsladen?
NickyDean schrieb:
Und ich würde sagen das sie damit eine Möglichkeit haben, den Bürgern eine Möglichkeit zu nehmen, auch mit zu sprechen.
Ich befürchte freilich auch, daß alle qualitativen Argumente, so es sie denn gibt, nur vorgeschoben sind. Unabhängige Medien waren und sind immer unbeliebt bei den Mächtigen oder denen, die es sein wollen. Gleichgeschaltete Medien in Diktaturen (Extremfall) gehören zur Geschichte, seit es Medien gibt. Andererseits, und ohne den NRW-Funk zu kennen: hat der soviel bewegt, aufgedeckt, mitgeredet? Und wenn nicht - was sollte man dann bewerten: die Realität oder die Möglichkeit, es zu tun?