Radio: das unbekannte Massenmedium?

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
@O-Ton
Dieser Artikel ist Balsam. Leider werden ihn wieder nur die Falschen lesen. Schon gar nicht die aufgeregte Fangemeinde in diesem Forum, die beleidigt schnappt, wenn man ihren Dudelfunker nicht ebenso "geil" findet wie sie selbst.
Ich habe mir mal nur diesen einen steinhart gemeißelten Grundgedanken herauskopiert:
Greffrath schrieb:
Wer von klein auf Dudel und Schnipsel hört, erfährt eben nie, wie schön es sein kann, Auto zu fahren oder zu putzen und dabei einen Roman oder ein Hörspiel zu hören; wer nie herausgefordert wird, hat nie erlebt, wie beglückend ein völlig unbekannter Gedanke ist; wer nie Fremdwörter hört, wird nie welche lernen. Dahinter steckt nicht nur ein marktliberales Menschenbild, sondern die Umfirmierung einer geistigen Angebots- in eine Nachfrage-Ökonomie: die "Präferenzen" der Kunden müssten "bedient" werden. Nur: Deren Geschmack haben die Bediener ja selbst sozialisiert.
 
Christian Bollert spricht mir aus der Seele, wenn er sagt:
Muss Kultur immer Hochkultur sein? Was ist denn mit der Popkultur? Ist ein Klassikkonzert "kultureller" als ein Popkonzert? Sind die Beatles schlechter als Ravel? Darf eine zeitgenössische Band wie The Notwist nicht spannender sein als Beethoven? Ist Kultur dann keine Kultur mehr, wenn sie mehr als ein paar eingeweihte Spezialisten erreicht?

Diese Diskussion hatten wir ja gerade in einem Nachbarthread.

Ansonsten, werter O-Ton, fürchte ich, Du postest Deine Links in ein Niemandsland. Vielleicht solltest Du lieber fragen: "Welche geilen Hits der 80er müssen unbedingt mal wieder ins Radio"? - dann erntest Du sicher größere Resonanz.
 
Der Beitrag ist insgesamt etwas dünn, im Vergleich zu den teilweise hochkarätigen Analysen der Vorgänger. Aber einen Schlüsselsatz hat er trotzdem geliefert:
Höppner schrieb:
Was wir brauchen ist ein Kulturradio, das unser Kulturleben mit all seinen Farben und Facetten wiedergibt, statt eine rein akademisch-intellektuelle Sicht auf die Dinge zu geben.

Das gilt nicht nur für Musik und die Film- und Beauty-Themen, sondern ebenso für Literatur, bildende Kunst und alle weiteren "Kultur"-Themen. Wobei Kultur sowieso alle Ausdrucksformen des menschlichen Zusammenlebens und Kommunizierens beinhaltet, insofern darf man hier eigentlich überhaupt keine Einschränkung formulieren.

Das Hörer-Abschreckungs-Kriterium ist zwar die "rein akademisch-intellektuelle Sicht", aber es fehlt hier natürlich der Blick auf das andere Ende der Fahnenstange, dahin, wo der Musikredakteur eine Hot-Rotation bastelt. Es darf nämlich genausowenig die "rein quotenorientierte-Mainstream-Sicht" sein.
 
@Mannis Fan : Ist nicht so ein Sender Klassik Radio, wo etwas weniger hochintellektuell, aber dafür etwas mehr boulevardesk über Kultur im Allgemeinen und Musik bzw. Inhalte gesendet wird? Ich weiß, ich hatte mal Klassik Radio etwas niedergeschrieben, aber ich konnte mich mittlerweile eines besseren überzeugen.
 
Ich kann die Frage nicht beantworten, wenn Du mich so direkt ansprichst. Was ist "boulevardesk"? Entweder wird ein Thema interessant und verständlich präsentiert, oder verkopft, langatmig, langweilig und so vor Anspruch triefend, dass selbst der Abschaltknopf noch einschläft.
Beim zitierten Sender ist wohl schon das Hauptproblem, dass er "Klassik Radio" heißt. Das scherckt viele von vorneherein ab, noch ehe sie dem Programm überhaupt mal eine Chance gegeben haben.
 
Boulevardesk heißt aus meiner Sicht, dass die Personalities von Stars und Sternchen thematisiert werden und wenigiger Inhalt und Qualität von deren Werken. Bei letzteren analytisch auch unterhalb der Oberfläche zu kratzen mögen viele als "rein akademisch-intellektuelle Sicht" abtun, aber das kann man sprachlich auch so gestalten, dass sich mehr Leute angesprochen fühlen, als die, die sich im Elfenbeinturm verstecken. Beim Thema Musik ist Klassikradio in diesem Sinne ganz klar boulevardesk im Gegensatz zu Bayern 4 Klassik, dass dann in der Tat eine bestimmte "akademisch-intellektuelle Sicht" bedient.
Das Problem bei beiden ist IMHO eher die schmalspurige Verspartung, sprich, es wird nur ein sehr enges kulurelles Spektrum bedient - bei Bayern Klassik halt die Klassik-Hochkultur, beim Klassikradio leichtere, populärere Klassik und Filmmusik.
Der BR kann sich die Schmalspur mit BR-Klassik erlauben, weil er auf Bayern 2 ein sehr großes kulturelles Spektrum bedient und - meiner Einschätzung nach - damit auch praktische Resonanz hat.
Die verlinkte "Kulturradiodebatte" hat aber scheinbar primär den WDR im Fokus. Für mich aus der Ferne könnte das da ähnlich laufen: WDR 3 - Klassik/Hochkultur, WDR 5 - das breite Spektrum der restlichen Kultur.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann die Frage nicht beantworten, wenn Du mich so direkt ansprichst. Was ist "boulevardesk"? Entweder wird ein Thema interessant und verständlich präsentiert, oder verkopft, langatmig, langweilig und so vor Anspruch triefend, dass selbst der Abschaltknopf noch einschläft.
Beim zitierten Sender ist wohl schon das Hauptproblem, dass er "Klassik Radio" heißt. Das scherckt viele von vorneherein ab, noch ehe sie dem Programm überhaupt mal eine Chance gegeben haben.
Eben, manche Sender, die vielleicht originär gut wären, kämpfen aber mit kräftigen Image-Problemen. Meistens sinds Nischensender!
 
Kulturradio-Debatte 19: Oliver Sturm: Sendungsbewußtsein. Das Kulturradio muss entkrampft werden (epd medien)
 
Zuletzt bearbeitet:
"Das erneuerte Programm von Deutschlandradio Kultur ... ist auch eine Antwort des nationalen Hörfunks auf die seit Anfang 2012 lebhaft geführte Kulturradio-Debatte ... " (Andreas-Peter Weber (Programmdirektor von Deutschlandradio): Kultur und Politik im Diskurs. Das nationale Kulturradio erneuert sich (epd) (etwas versteckt)
 
AW: Radio: das unbekannte Massenmedium?

Das Medienforum NRW widmet sich erstmals wieder dem Radio. „Lange Jahre“, so kann man einer Mitteilung entnehmen, „hat“ – man kann sagen auch - „das Medienforum NRW darauf verzichtet, Radio explizit zum Thema zu machen“. Doch nun soll das anders werden – und man will sich (ja, ja) gleich der „Zukunft des Hörfunks“ zuwenden. Eine der Fragen soll lauten: Wird Radio in bislang unbekannte Angebotsdimensionen vorstoßen und sich neu erfinden können?“ Eine andere: „Und was ist dann eigentlich noch Radio?“
Dies wirft natürlich schon vorab mindestens drei Folgefragen auf: 1.) Wann hat sich das Radio denn bisher schon einmal neu erfunden? 2.) Sind die Zeiten den Formatradios nun auch (quasi offiziell) vorbei, neuerfindungsbedürftig? Und: 3.) Warum ist denn gleich eine Neuerfindung notwendig?

Wunderbar diese amtsähnliche Sprache der Medienforums, die die eigene Bedeutungslosigkeit überdecken soll. Aber ich will nicht zum x-mal über das Deutsche Gremienunwesen abwettern. Diese Schwafelrunden mit Greminenhengsten produzieren auf höchstem Niveau Dr. Murkes gesammeltes Schweigen frei nach Böll. Die Frage nach dem Medium Radio in einem Bundesland, das so ziemlich alles dafür unternimmt, dass es keine freie wettbewerbsintensive Radiolandschaft gibt, denn das ist bekanntlich ja Teufelszeug, hat schon verdammt viel Chupze und blockiert im übrigen auch die Entwicklung in anderen (kleineren) Bundesländern.
 
Das war aber vor drei Jahren, als noch die Sonne schien. Inzwischen ist das Medienforum NRW ja nur noch ein Anhängsel der Anga-Com. Das wird natürlich nicht so „kommuniziert“, ist von irgendjemandem aber exakt so wahrgenommen und beschrieben worden.

Finde nur gerade nicht wieder, wer das wo äußerte. Eine öffentlich-rechtliche Mediensendung wird's wohl nicht gewesen sein, denn dort gehört die geflissentliche Dokumentation der diversen Schwafelrunden ja zum guten Ton. Nun ja; selbstreferentiell ist schon seit Jahren eines meiner Lieblingswörter.
 
Schade, dass solche Debatten/Diskussionsbeiträge mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ich meine damit auch die radioforen-Öffentlichkeit. Wobei ich mir im Klaren darüber bin, dass eine überwältigende Mehrheit dieser Öffentlichkeit davon überfordert wäre. Stattdessen haben wir hier kilometerlange Threads "Welche Songs der Sechzieger ...., welche Songs der Siebziger... etc."

Mal ein Zitat aus dem Beitrag herausgegriffen:
Die digitale Umwälzung bedrängt das Primat des Inhalts. (...) Wir bewegen uns alle im Klima einer hypernervösen Erlebniskultur.
Alles gesagt!

Und dann dies:
Die Separierung von Kultur in einem eigenen Übertragungskanal im Radio, meistens noch in großer Überdeutlichkeit mit dem Brandzeichen "Kultur" im Namen drohend gezeichnet, ist eine gefährliche Trennung einer ganzheitlichen Radioidee in Bildungsklassen. Wer nicht ausdrücklich nach Kultur verlangt, wer nicht durch Erziehung, Schule und akademische Formung sicher im kulturellen Milieu zu flanieren versteht, findet die Eingangstür "Kulturradio" nur schwerlich.

Darin liegt ein wesentlicher Grund, warum es heutzutage kaum gelingt, Massen zum Qualitätsradio zu bringen. Sie verstehen es gar nicht und sie finden die "Eingangstür" nicht.

Dabei ist die "ganzheitliche Radioidee" als solche Kultur in ihrem besten Sinne. Auch dazu liefert der Beitrag das alles sagende Zitat:
Kultur ist nicht nur ein Sammelbecken, in dem alte und neue Kunst je nach Tagesaktualität wie ein Sachthema behandelt, entschärft und kommentiert wird, sie handelt vom Erleben der Zeit und derer, die diese prägen und von ihr Interessantes, Brisantes, nicht nur Neues berichten können.

Bei dieser Gelegenheit: Vielen Dank an O-Ton für die regelmäßigen Link-Hinweise.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schade, dass solche Debatten/Diskussionsbeiträge mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Das hat für mein Empfinden aber maßgeblich der epd mit sich selbst auszumachen. Oder meint jemand, die Texte des epd-Medienressorts, die öffentlich und nicht nur in dieser teuren Entscheiderpublikation erscheinen, seien nach dem letzten Relaunch des Internetauftritts noch gut auffindbar?

Schlimm ist dabei die sich einem aufdrängende Frage, ob eine wirkliche Öffentlichkeit überhaupt erreicht werden soll oder doch nur eine Funktionselite.

Ich meine damit auch die radioforen-Öffentlichkeit. Wobei ich mir im Klaren darüber bin, dass eine überwältigende Mehrheit dieser Öffentlichkeit davon überfordert wäre. Stattdessen haben wir hier kilometerlange Threads "Welche Songs der Sechzieger ...., welche Songs der Siebziger... etc."

Interessiert hier in der Tat offensichtlich keine Sau.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben