@Ralle_Köln und
@Radiokult haben die korrekten Aussagen.
Auf UKW muss zwingend bearbeitet werden, sonst knallen einen schon die Höhen normaler Sprache nach der Preemphasis den UKW-Hub auf Werte jenseits 120 kHz. Erlaubt sind 75 kHz Gesamt-Spitzenhub in Deutschland. Das gleiche passiert bei modern abgemischten Pop-Produktionen durch deren dauerndes Clipping (= massiv Hochton-Energie), das gleiche passierte schon genau wie bei Sprache in den 1950er Jahren z.B. bei Blechblasinstrumenten. Es gibt dann eklige Verzerrungen, die von den Technikern schon in der UKW-Frühzeit so genannt wurden, wie sie klingen: "Spuckeffekt".
Das Thema ist wirklich so alt wie UKW:
Diese absolut notwendige Bearbeitung fand also "immer schon" statt - so gut, wie man jeweils konnte. In den 1980er und 1990er Jahren wurde sowohl in Westdeutschland als auch in Ostdeutschland meist mit dem
EMT 266 gearbeitet. Der kannte schon die "adaptive Preemphasis", um den Eingriff möglichst elegant und "unhörbar" zu gestalten. Auch die später bis heute verwendeten Digital-Geräte Jünger d05, d07 oder die heute aktuelle Jünger-Kiste aus der Slimline-Serie versuchen sich an einer "unhörbaren" Bearbeitung. Es war immer der Ehrgeiz der Tonmenschen und Geräte-Entwickler im deutschsprachigen Raum, diese Bearbeitung so nebenwirkungsarm wie nur möglich zu gestalten:
Wenn man versucht, UKW ohne Transientenlimiter mit Berücksichtigung der Preemphasis zu betreiben, bekommt man als Ergebnis eine Audioqualität, wie ich sie als MP3 angehängt habe. Das ist aus einem DVB->UKW-Kabelkopfstellenumsetzer, den ich danach deswegen in der Aussteuerung um 5 dB dimmen mußte. Diese 5 dB fehlen mir nun im Rauschabstand bei der Nutzung dieses Programms.
In der Zwischenzeit ist zur nicht nur ästhetisch begründeten, sondern auch messtechnischen Pflicht zur Einhaltung der Begrenzung des Spitzenhubes noch Einhaltung der Begrenzung der MPX-Leistung hinzugekommen. Deren Messvorschrift mit dem gleitenden Mittelwert über ein ein-Minuten-Fenster macht daraus etwas, das man durchaus einem Lautheitsmaß nahesetzen könnte. Es geht vom Grundcharakter in die gleiche Richtung. Deshalb profitiert ein nach R128 auf eine Ziel-Lautheit produziertes Programm massiv und macht nur wenig Streß mit der MPX-Leistung. Die wiederum kann der alte EMT 266 nicht einhalten, in den aktuellen Digitalgeräten ist eine entsprechende Funktion aber eingebaut.
Heute gibt man dazu noch eine dezente Dynamikkompression, z.B. Werte um 1,2:1 oder maximal 1,4:1. Das sorgt bei Programmen mit leisen Inhalten (Klassik, Hörspiele etc.) für eine deutliche, aber dem Laien erst wirklich im A/B-Vergleich auffallende Lautstärke-Aufholung bei leisen Stellen, um auch bei widrigeren Hörumgebungen (Auto, Büro) mehr Verständlichkeit zu gewährleisten. Das geht auch noch weitgehend ohne Kollateralschäden. Auf diese Weise wird Bayern 2 beispielsweise so laut auf UKW wie RBB Radio Eins (jeweils Loudness -18,2 LUFS), ergab zumindest eine von den jeweiligen Anstalten selbst vorgenommene Messung im August 2012 über einen Zeitraum von je 24 Stunden.
Von Bayern 2 habe ich keine Vergleichsaufnahmen vor Processing, aber bei DLF Kultur kann man den Effekt gut beobachten. Auf Astra 19,2° Ost (beim ZDF, 256 kbps MP2) ist ein sauberes Signal aufgeschaltet, das für das Anhören mit digitalem Endgerät hervorragend geeignet ist. Auf Astra 23,5° Ost befindet sich die Version für UKW, das ist die künftige UKW-Zuführung mit 384 kbps MP2 (quellseitig offenbar identisch mit der derzeitigen Zuführung via 192 kbps SCPC). Der Unterschied ist extrem sichtbar:
(Screenshots
@DigiAndi)
Und wie klingt DLF Kultur auf UKW? Gut, wenn auch nicht exzellent (exzellent hat man ihn halt auf DVB). Keinesfalls klingt DLF Kultur aber so rotzig verzerrt, grell und gleichzeitig dumpf, pumpend und aufrauschend wie Radio Eins.
Der Unterschied: Radio Eins komprimiert nicht nur und kümmert sich pflichtgemäß um die Begrenzung der Transienten, sondern "zertrümmert" mutwillig den Klang. Hier wird viel mehr gemacht, als für die Einhaltung der UKW-Werte nötig ist. Hier werden offenbar bestimmte Bearbeitungsstufen in einem umfangreichen Audioprozessor ins Clipping gefahren (vor allem an eigentlich leisen Stellen hört man dann lautes Klirren), hier wird dynamisch am Frequenzgang gespielt (alles soll "homogen" klingen, nichts soll von der Grundcharakteristik der Klangfarbe abweichen), hier werden keinerlei leisere Stellen geduldet, auch wenn sie von den Künstlern so vorgesehen wurden. Die Mikrofone sind bis an den Anschlag komprimiert, man hört Speichelfluß- und Lippenverschlußgeräusche, weil die natürliche Charakteristik von menschlicher Sprache absolut nicht mehr vorhanden ist. Ein alienhafter, nebelig-verzischelter Sound, für Menschen mit gesundem Hörempfinden halt einfach unerträglich.
Ist aber Absicht und wer das nicht als Segen empfindet, ist psychisch krank.
Bei reinen Pop-/Rock-Programmen, die Musik heutiger Machart spielen, wäre eine weitere Kompression sogar absolut unnötig. Das Ausgangsmaterial ist, wie
@Ralle_Köln und
@Radiokult schon geschrieben haben, "dicht" genug, sogar über-dicht. Um hier einen homogenen Gesamteindruck zu erhalten, muß man vielmehr die Mikrofone deutlich mehr als auf einer Kulturwelle komprimieren (auch das geht noch weitgehend ohne eklige Kollateralschäden) und die Telefonleitung für Call-Ins ebenfalls derbe komprimieren. Sonst hat man am Ende ein extrem ungünstiges Lautheitsverhältnis zwischen Sprache und Musik. Dann das ganze R128-konform auf -23 LUFS aussteuern und vom nachfolgenden UKW-Processing ohne weitere spektrale Verbiegungen und eklige Regeleffekte auf MPX-Leistung nahe 0 dBr bringen lassen, das sind etwa 5 dB Gain. Dabei werden einzelne Passagen in den Limiter laufen und vermutlich vor allem der Sprachweg wird die Hubbegrenzung auslösen. Aber das sind dann Dinge, die weitgehend "unhörbar" funktionieren. Damit könnte auch Pop-Funk wieder wie in den 1980er Jahren klingen. Oder halt wie DLF Kultur oder Bayern 2 auf UKW. Aber man will ja nicht. Nichtmal bei einem Program, das sich durchaus als etwas besonders hochwertiges innerhalb der ARD versteht.