Der Blick von außen und der spezielle Blick der Framing-Expertin soll den Verantwortlichen nicht nur Probleme mit ihrer Kommunikation zeigen, also die Möglichkeiten beschränken, sondern auch den Raum des Denkbaren weiten.
Wehling geht dabei sehr weit – für mein Gespür selbst für eine solche Diskussionsgrundlage zu weit. Ihre Vorschläge laufen letztlich darauf hinaus, jede Kritik an der ARD, jeden Reformvorschlag zu delegitimieren. Sie schreibt:
Wer die ARD „verkleinern“ möchte, der stellt das Recht der Bürger an einer umfassenden und gründlichen Rundfunkversorgung infrage. (…) Diese Forderung ist letztlich ungeheuerlich.
Offenbar für eine ARD in einem Paralleluniversum, in dem sie weltweit ihresgleichen sucht und als Vorzeigeprojekt gilt und praktisch nicht zu verbessern ist, formuliert sie:
Unser gemeinsamer Rundfunk ARD sucht weltweit seinesgleichen, wo es um seine hohen Standards geht. Er gilt als „Vorzeigeprojekt“, als Role Model (…).
Es geht nicht darum, sich grundlegend zu verändern oder Mängel der ARD zu beheben. Es geht darum, gleichermaßen exzellent zu bleiben – heute und zukünftig.
Sie empfiehlt, aus dem „Zahlungs-Frame“ herauszukommen:
Wie viel oder wie viel Qualität erhalte ich für mein Geld? Im Frame des Einkaufens von Waren spielt der systemische Mehrwert einer Sache keine Rolle. Der Frame beschränkt sich auf den ‚Geld gegen Ware‘-Transfer und bringt die ARD in die Lage, sich ständig für die Qualität und Vielfalt ihres Programmes rechtfertigen zu müssen.
Moment mal.
Nichts sollte die ARD aus der Lage befreien, sich für „Qualität und Vielfalt“ ihres Programmes (oder genauer: ihr Fehlen) rechtfertigen zu müssen. Wenn da wenigstens „Quote“ gestanden hätte!
An manchen Stellen ahnt man, dass auch Wehling nicht wirklich überzeugend findet, was sie schreibt. Etwa wenn sie als Beleg dafür, dass die ARD auch
unsere ARD ist und wir an ihr mitwirken, nur dürrste Beispiele findet:
Sie ist von uns gestaltet, indem viele Bürger sich über die monatliche Beteili gung hinaus einbringen. Etwa, indem sie privat mitgestalten – zum Beispiel durch die Teilnahme an Talkrunden und in anderen Formaten, oder durch Einmischung durch Briefe oder die Teilnahme an Bürgerbefragungen.
Mei, die Teilnahme an Talkrunden!
Versuche, die ARD als eine große, bewahrenswerte, von aktuellen Situationen unabhängige Idee zu feiern, ertrinken in Kitsch:
Unsere Eltern und Großeltern haben den gemeinsamen Rundfunk ARD demokratisch beschlossen und mit eigenen Händen aufgebaut. Bis heute haben wir uns immer wieder mehrheitlich für diesen gemeinsamen Rundfunk entschieden und gestalten ihn demokratisch und frei. Wir halten instand, was unser Land an medialer Infrastruktur ARD aufgebaut hat. Wir halten damit auch die Leistung und den Weitblick unserer Großeltern in Ehren. Wir werden den Wünschen unserer Eltern nach einer freien, demokratischen, selbstbestimmten und menschlichen Gemeinschaft gerecht – und erhalten die dazu notwendige Rundfunkinfrastruktur ARD für unsere Kinder und Enkelkinder.
Bei aller Sympathie dafür, außerhalb der mühsamen Alltagsdiskussionen zu argumentieren: Mit dem Gedanken, dass wir unsere ARD nur von unseren Kindern geliehen haben oder durch ihren Erhalt unsere Großeltern ehren, wird man sie nicht retten können.
Manche Stellen wirken deshalb so abenteuerlich, weil sie vielleicht der Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechen, aber im Alltag so unendlich fern liegen. Diese hier etwa:
Tatsächlich aber „nimmt“ die ARD kein Geld „ein“, sondern verwaltet schlichtweg das Rundfunkkapital der Bürger, die sich in Deutschland seit jeher auf diese Weise ihren gemeinsamen, freien Rundfunk der ARD ermöglichen.
Und diese:
Der Rundfunk der Bürger ist nicht nur gemeinsam finanziert, sondern auch in besonderem Maße demokratisch – was sich etwa in der föderalen Struktur der ARD und der Besetzung von Gremien durch unterschiedliche Vertreter der Gesellschaft und demokratisch ernannte Volksvertreter spiegelt.
Man muss die Diskussionen um Arbeit und Besetzung der Aufsichtsgremien der vergangenen Jahre und Jahrzehnte schon komplett versäumt haben, um so etwas unbeschwert formulieren oder lesen zu können.