Wieso war Westmusik "verboten"? Schon 1964 liefen im DT64-Sonderstudio-Festivalprogramm die Beatles. Und seit den Tagen, in denen Elisabeth Heller im Rundfunk der DDR arbeitete, war Westradio-Hören von höchster Stelle (Erich himself) legalisiert - nur halt nicht in öffentlichen Einrichtungen wie NVA oder Schulinternaten.
Der Sprecherraum im Video bei 1:05 ist zweifelsfrei der Sprecherraum 1 im K6, Block E-T. Rechts neben der Hand von Frau Heller sieht man eine etwas verkratzte Blechabdeckung. Darunter waren 4 Fader, z.B. für den Fernstart der 4 Bandmaschinen draußen in der Regie. Unten außerhalb des Bildes wäre eine schmalere Abdeckung mit 2 Mono-Fadern für die Mikrofone gewesen. Diese sogenannte "Moderatorenregie" gab es nur im K6. Der K6 wurde von DT64 genutzt. Elisabeth Heller hat aber nicht bei DT64 gearbeitet. Wie das Foto zustande kam, wissen freilich diejenigen, die die persönlichen Hintergründe der Mitarbeiter etwas kennen. Man kannte sich ja auch im DDR-Rundfunk programmübergreifend.
Und immer wieder dieser Dünnschiss mit der "Überlegenheit des Ostblocks", die angeblich demonstriert werden sollte. Das Funkhaus sollte vor allem hochwertige Produktionsmöglichkeiten bieten. Da ließ man nichts anbrennen. Rundfunk hatte damals einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft - in Ost und West. Wüsste nicht, dass die Funkhäuser in München oder Köln oder der umfunktionierte verhinderte Bundestag am Dornbusch als Bruchbuden zusammengezimmert worden wären. Auch da hat man sich technisch Mühe gegeben. In München stehen die einzelnen Studios z.B. auch auf Entkopplungselementen / Federn. Und man baute damals wichtige Gebäude halt auch ästhetisch. Es kam also eine Symbiose aus möglichst optimaler Akustik mit hoher baulicher Ästhetik dabei heraus. "Synthese" nennt sich dementsprechend auch ein Film aus dieser Zeit:
https://www.defa-stiftung.de/filme/filmsuche/synthese/
3:44 - "Doch am 31. Dezember 1991 werden auch die Radiosender DDR 1 und 2 abgeschaltet."
Meine Fresse, was für eine schlampige Arbeit! Die DDR verschwand mit
der Annektion dem Beitritt am 3.10.1990. Das einzige, was danach noch "DDR" hieß, war einige Tage lang die Ansage "Rundfunk der DDR, Ihr Anruf wurde gezählt, bitte auflegen" der Televoting-Anlage, weil man diese Nebensächlichkeit offenbar in dieser wahnsinnigen Zeit übersehen hatte. Radio DDR 1 hieß längst "Radio aktuell", Radio DDR war mit Kerninhalten zum Deutschlandsender gekommen und als eigenes Programm zunehmend durch die sich immer weiter ausdehnenden Landesprogramme verdrängt, die sich danach auch die Frequenzketten des Berliner Rundfunks und von Radio Aktuell griffen - weit vor Ende 1991.
Auch hübsch: "an ihre Stelle treten westdeutsche Sender". Der ist sogar unfreiwillig entlarvend, denn was z.B. in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab 1992 lief, war für mich tatsächlich "Besatzerfunk" aus einer anderen, einer widerwärtigen Welt. Das war aber auch nicht die "westdeutsche" Welt, denn so einen Abfall, wie ihn der MDR in den Äther pustete, gab es in Westdeutschland damals noch nicht. Da räumte man die Relevanz aus den Hörfunkprogrammen ja erst in den folgenden Jahrzehnten weitgehend aus.
Wir hörten ab 1992 dann Mittelwelle (DT64), später dann wieder "Westradio", weil MDR gar nicht erträglich war.
Frau Heller hat so einen Quatsch mit Sicherheit nicht erzählt. Hier waren mal wieder Filmschaffende am Werk, die nicht einmal den minimal nötigen Aufwand und die minimal nötige Sorgfalt betrieben haben. Aber schön reißerisch wirds dadurch.
4:22 - ich glaube, da kommt Frau Heller aus dem "STAR", dem Stereo-Abhörraum. Der war dort glaube ich, neben dem Kultursaal (Türen geradeaus). Im STAR liefen auch internationale Hörsitzungen auf höchstem Niveau, das war ein Referenz-Raum.
4:40 - Blick auf (vorn rechts) den Schaltraum Block E (vernichtet), dahinter die 8 identischen Studiokomplexe Block E (vernichtet), dahinter das Redaktionsgebäude E-R (verwüstet, entkernt, verscherbelt).
"Doch der Musiker Niels Frahm haucht ihnen neues Leben ein." Anders: es war Leben im Block B, die Studios waren in kompetenten, wertschätzenden Händen. Im Hörspiel 2 arbeiteten Peter Kainz und Andreas Meinetsberger teils immer noch mit DDR-Technik an Hörspielen für die ARD und das Deutschlandradio. Dort entstanden Hörspiele für den WDR und andere Anstalten. Die alten Hörspielregisseure wussten doch, wo optimale Arbeitsbedingungen herrschen. In Hörspiel 1 war eine hochwertige Musikproduktion. In Saal 4 war eine hochwertige Produktion, die viel für das Deutschlandradio gemacht hat.
Das erfüllte nach Übernahme des Funkhauses durch den neuen Besitzer alles nicht mehr den Hipster- und Coolness-Faktor und wurde finanziell rausgedrängt - was übrigens absehbar war, wenn man sensibel genug war und die vorherigen Aktivitäten des neuen Besitzers auch nur ansatzweise betrachtet hat. Danach begann die bauliche Schädigung der Studios, Kabinen wurden vernichtet, brutale Deckenabhängungen für Licht eingezogen, es begann die missbräuchliche Nutzung von Saal 1 als Partylocation. Kotzen muss ich bei sowas.
"Im von ihm renovierten Studio 3" - Renovieren heißt abseits des Austauschs der elektronischen Gerätschaften für diese Studios "Tod". Jeder Austausch von baulichen Elementen bricht mit der hochqualitativen Akustik. Die "Alten", die dort geplant haben, leben noch. Sie gehen da nicht mehr hin, sie tun sich das nicht mehr an.
Was hat Depeche Mode dort zu suchen? Das war das Auftaktkonzert einer Tournee, im sensiblen Saal 1, mit rausgerissenem Mobiliar. Block B ist eine Produktionsstätte und keine Partylocation. Depeche Mode hätte das gleiche auch im Postbahnhof auf Stahlkacheln machen können. Da wäre es ums Gebäude nicht schade gewesen.
Der "Geist der Vergangenheit" lebt im Funkhaus leider nicht mehr. Der "Geist der Vergangenheit" war der Geist künstlerisch hochwertiger Produktionen und der Geist der Wertschätzung des kulturellen Erbes sowie dessen sinnerhaltende Benutzung. Das ist seit 2014 verlorengegangen.
So viel Schlamperei bei der journalistischen Arbeit führt in diesem Film zur Geschichtsverfälschung. Und das Ding ist gebührenfinanziert. Widerlich. Aber irgendwelche Leute, die "was mit Medien" machen, können sich nun cool und hip fühlen, weil was von ihnen auf arte gelaufen ist.
Wäre mal interessant zu erfahren, ob Frau Heller den Film zur fachlichen Freigabe bekommen hat. Ich hätte das nicht freigegeben. Übrigens kein Einzelfall: die Akustikerin, die für Block B verantwortlich war, lieferte sich mit einigen Schreiberlingen bis hinauf zu berufsmäßig mit sowas befassten Baugeschichts-Promovierten zähe Korrektur-Iterationen, weil die Leute beim Verfassen ihrer Texte "kreativ" werden und Dinge hineinhalluzinieren, die nie der Realität entsprachen und nie gesagt wurden. Und am Ende wurde doch wieder Blödsinn geschrieben und erschien in vermeintlich hochwertig wirkenden Publikationen. Manche jungen Szene-Hipster gaben sogar auf, irgendwas zu veröffentlichen, weil sie offenbar nicht gewohnt waren, dass es so etwas wie "nicht-Freigabe" wegen fachlichen Blödsinns überhaupt gibt.
Was ist das für eine Welt, in der heutige junge Medienschaffende leben? Sollnse doch Fantasy-Autoren werden. Oder Blogger über vegane Küche. Aber bitte nicht über geschichtliche Dinge schreiben. Da grausts mir. Solcherart "Journalismus" verdient seinen Namen nicht.
*würg*