AW: Ausformulieren oder Stichwörter?
Guten Tag, Black Jesus!
Danke für Dein Posting, Du sprichst mir irgendwie aus der Seele!
Black Jesus schrieb:
Zunächst einmal kann es ja sein, dass Dirk einen "komplizierten" Weg der Vorbereitung aufgezeigt haben mag, der mir persönlich aber gefällt und den ich gerne mal ausprobieren werde. Also danke Dirk!
Ja, ich gebe zu, ich habe mir "einen Wolf" bei der Erklärung meines Systems "geschrieben", aber ich konnte es zu dem Zeitpunkt (als ich es geschrieben habe) nicht "besser" und kürzer formulieren. Ich hoffe dennoch, dass meine Gedanken diesbezüglich verstanden worden sind. Ich verwende dieses "HG, NG & Fakt"-System schon seit "Anno Blumenkohl" und bin immer sehr gut damit gefahren.
Vorher (zu Beginn meiner Laufbahn) war ich auch einer jener von sich selbst überzeugten Radio-DJ's, die in Sachen Moderation (nicht in Sachen Musik! Da war ich immer gut vorbereitet, weil ich sie immer selbst zusammengestellt habe und es auch heute noch so mache) völlig unvorbereitet in die Sendung gegangen sind. Und was da teilweise für eine gequirlte Ka....BEEEEEEEEEEEP...e raus kam, das kann sich ja hoffentlich jeder selbst vorstellen. Bis mir eine Sprecherzieherin eines Tages dieses System zeigte und mich damit elektrisiert hatte. Endlich etwas, wo ich zwar frei moderieren kann (darauf habe ich immer großen Wert gelegt und mache das auch noch heute so), aber nicht "auf die Schnauze" fallen kann, weil ich plötzlich nicht mehr weiss, was ich inhaltlich sagen wollte.
Denn...
radiovictoria01 schrieb:
...wenn man sich auf eine Sendung vorbereitet, kann es nicht schaden. Bei wichtigen Passagen und Informationen mache ich es (vor der Sendung bzw. Aufzeichnung) heute noch so.
Ja, das mache ich genau so! Der Vorspann (bei mir eine Kombination aus einem Station ID-Jingle, dem als "closed harmony" gesungenen "Dirk Visser"-Jingle, dem DV-eigenen "Bumper" und einem eigenkomponierten Musikbett und ggf. noch einem Lacher, falls der zum Inhalt meiner Moderation auf dem Musikbett passt) ist z.B. solch' ein SEHR wichtiger Punkt für mich! Eigentlich ist er für mich
der wichtigste Punkt der Sendung. Wenn das Opening der Show nämlich "in die Hose" geht, dann ärgere ich mich in Grund und Boden. Ich finde, das ist wie eine akustische Visitenkarte dem Hörer gegenüber!
Höre ich dann (im Umkehrschluss "als Hörer") einen versemmelten Anfang irgend einer Sendung, dann habe ich keine Lust mehr mir den Rest der Sendung anzuhören, weil ich denke, der DJ/der Moderator hat es einfach nicht drauf. "Gewollt und nicht gekonnt" sozusagen! Bezeichnet mich von mir aus mal wieder als "arrogant", aber in diesem Moment bin ich "der Hörer, die heilige Kuh" und als solche(r) "verschwende" ich nicht meine Zeit mit halb-garem "Moderations- & Präsentations-Krampf" aus dem Radio! Dann hat sich für mich jene Sendung (und bei einem oder zwei weiteren enttäuschten Hör-Versuchen einer anderen Sendung der eingeschalteten Station meinerseits vielleicht sogar der ganze Sender) "erledigt".
MAXX schrieb:
Es gibt keinen Starmoderator, der frei moderiert! Das machen nur die, die sich cool fühlen - und man hört es in jeder Moderation ob jemand vorbereitet ist oder nicht. Ausnahmen sind selbstverständlich Hörertalks etc. oder kleine Teaser.
Ja
UND Nein! Freie Moderation ist natürlich "cool", aber nicht jeder kann das! Und schon gar nicht (oder nur in den seltensten Fällen) über den Zeitraum einer gesamten Sendung hinweg UND mit wichtigen Fakten (Namen von Menschen, komplizierten Sachverhalten, etc.)! Standard-Moderationen schreibe ich auch nicht auf (die sind ja schließlich in Fleisch und Blut übergegangen und die kann ich auch im Schlaf),
aber...
Black Jesus schrieb:
Nicht anders verhält es sich bei einem Chris Moyles, der zwar auch sehr viel spontan angeht aber dennoch mit seinem Team vorher bespricht worum es in der Show gehen soll. Das funktioniert aber nur (und das könnt ihr in beiden seiner Bücher nachlesen) weil das Team in sich so eingespielt ist, dass es weiß wohin die Reise insgesamt geht, sodass es mit "ausbrechen" kann, wenn es will.
Das ist die "Mindestanforderung" in Sachen "show prep"! Bei mir und meinem Producer ist das nicht anders, wir machen das genau so.
Black Jesus schrieb:
JEDER, absolut JEDER gute Mod weiß wann was in seiner Sendung passieren soll. Ob es dann auch passiert ist zweitrangig. Da lässt er sich gern von dem überraschen was auf ihn zu kommt.
Absolutely right!!! Und ich füge hinzu, dass er zumindest die wichtigsten Punkte jener Sendung (was auch immer das im Einzelfall bedeuten mag) "schreibt" (mit welcher für ihn 'richtigen' Methode auch immer!) und den Rest, also die Standard-Breaks nicht unbedingt "schreiben" muss, denn die hat er ja höchstwahrscheinlich im Blut. Falls nicht, dann sollte er auch diese aufschreiben!
MAXX schrieb:
Wichtig ist ein kreativer Einstieg, ein Hinhörer, eine eigene Meinung, leichte Ecken und Kanten, moderiere über die Titelintros (Ramps) und fahre diese laut!
BINGO!!! Aber was genau meinst Du mit Intros "laut" fahren? Meinst Du vielleicht "mit dem "Gangschaltung"-Prinzip" die Sendung fahren? Das mache ich so! "Crossfades" unter der Moderation von zwei Musiktiteln "geht" meiner Meinung nach nämlich "gar nicht"! Das ist bei mir höchstens beim Übergang von Musiktitel auf Unterlegmusik "erlaubt"! Alles andere, finde ich, klingt grauenvoll!
MAXX schrieb:
und
MAXX schrieb:
...selbst das Drehbuch der TV-Reihe "Stromberg" enthält ALLE "ähms", Pausen und Lacher, die Stromberg abruft!
Vorher habe ich das auch ausprobiert, aber das funktioniert bei mir definitiv nicht, da ich nahezu permanent auf Intros und Endings von Musiktiteln spreche und mit eigenkomponierten Unterlegmusiken arbeite (manche Betonköpfe behaupten, ich würde die Musik dabei "pumpen", ich sage "ja!" - allerdings nicht wie der "Dorfdisco-DJ", der den Regler beinahe wahllos weit rauf und runter reißt! Ich nenne es "Rhythm 'n' Talk" und benutze dabei musikalische Akzente (z.B. Bläsersätze, Gitarren-Licks, Vokalisen-Einwürfe (> die Sängerin oder der Chor singt z.B. auf dem Intro bereits ein "oooh, yeah", danach folgt weiter instrumentaler Teil (den ich dann weiter überspreche) und
dann beginnt erst der eigentliche Lead-Gesang des Songs) zur Unterstützung meiner Moderation. Ich moderiere quasi "um die musikalischen Akzente" herum und "nehme" diese "mit". Klar, das ich in diesem Moment den Fader leicht hochziehe, wenn ein solcher Akzent dann kommt. Einfach über den musikalischen Akzent drüber labern ist eine Unverschämtheit, für die ich jeden "Moderator" abgrundtief verachte, der es tut! Das hat nämlich nichts mehr mit "Respekt vor dem Künstler und seines Werkes" (also die Platte, die da gerade "vergewaltigt" wurde) zu tun!
Meine menschliche Sprach-Stimme ist in einer Sendung nämlich "nur" ein Solo-Instrument im großen "Orchester" von Musiktiteln, Jingles, Unterlegmusiken, Beiträgen und so weiter! Und ein Solo-Instrument spielt in einem Konzert, welches von einem Orchester aufgeführt wird, auch nicht einfach wahllos drauflos, sondern hat seine festgelegten Einsätze! Genau so muss ich auch mein "Solo-Instrument", also meine Sprach-Stimme in der "Orchesteraufführung" der Sendung einsetzen! Alles andere wäre Banausentum!
Da ich mich mit meiner Sprach-Stimme allerdings den musikalischen Gegebenheiten anpassen muss, denn die Musik ist ja bereits starr vorproduziert (also unveränderbar), "biege" ich meine "Solo-Einsätze" mit "Rhythm 'n' Talk" so hin, dass es wieder passt und alles wie aus einem Guss klingt! Meine Stimme wird dadurch 'plötzlich'
Teil des "Gesamt-Orchesters", dass der Hörer präsentiert bekommt!
Logischerweise wird die Musik in diesem Moment dann "leicht" lauter (und leiser wenn ich meine "Solo-Einsätze" habe), aber der Hörer nimmt es nicht als "pumpen" wahr, denn ich muss den Fader, auf dem die Musik, liegt SEHR VERSIERT bedienen können! Ich muss quasi mit meiner Hand am Regler "kleben"! Denn NUR DANN hört der Hörer
genau in diesem Moment z.B. den Bläsersatz! Und für dieses "Rhythm 'n' Talk" (also das "um die musikalischen Akzente herum sprechen") bietet sich das "HG, NG & Fakt"-System mit seinen Stichworten bzw. Satz-Fragmenten geradezu an. Eine weitere Voraussetzung für "Rhythm 'n' Talk" ist, dass der User sehr musikalisch ist. Im Optimalfall hat er eine musikalische Ausbildung (zumindest eine musikalische Vorbildung) und spielt bestenfalls selbst ein Musikinstrument!
Ausformulierte Moderation...
radiovictoria01 schrieb:
Hat den Nachteil, daß dieser sich mitten im Text verhaspeln kann (und der Hörer dann mitbekommt, daß da jemand ab/vorliest, peinlich) und zudem hemmt es den Sprachfluss (schnelle, treibende Ansagen sind kaum möglich).
Alles vorher ausformuliert ausgeschrieben funktioniert dabei in sehr seltenen Fällen, denn es "kollidiert" in 99,8% mit der musikalischen Struktur der Intros meiner zu spielenden Musiktitel (die habe ich nämlich in der Regel nicht parallel abgehört, während ich meine Moderationen ausformuliert schreibe! Und selbst wenn ich es mache, passiert in der Sendung irgend etwas Unvorhergesehenes (ich verpasse meinen Einsatz oder ich spreche schneller oder langsamer als bei meiner Vorbereitung) und dann kann ich meine ausformulierten Zettel weg schmeißen!
Eine weitere Voraussetzung für "Rhythm 'n' Talk" ist allerdings, dass ich 'meine' Musik HAARGENAU kenne und definitiv vor dem Einsatz (also unmittelbar
vor dem Break nochmal über "PFL/cue" vorhöre!!! Und was eignet sich besser dafür, als wenn ich die Musik meiner Sendung selbst zusammenstelle? Denn DANN kenne ich meine Platten sowieso! Falls ich aber - mit einem vorher durch die Musikredaktion festgelegten - Musikablaufplan "gezwungen" werde, SCHON WIEDER die selbe musikalische "Dudelfunk-Grütze" (Lady GaGa & Konsorten und zum 800.000sten Mal die selben Oldies - Ihr wisst schon was ich damit meine!) in meiner Sendung "durchzunudeln" habe, dann bin ich a) völlig unmotiviert und b) ist mir die Musik dann scheiß egal und dann höre dabei höchstwahrscheinlich nicht mehr "PFL/cue" vor (weil ich genervt bin) und c) kann ich als Resultat dessen kein "Rhythm 'n' Talk" optimal umsetzen. Wahrscheinlich meckert dann auch noch ein unqualifizierter "Berater" und behauptet, ich würde "pumpen" und die ganze "On Air-Performance" (inklusive der Moderation) klingt dann nur noch grauenvoll und geht dann sowieso den Bach runter! Und DAS ist meiner Meinung nach EINER DER WESENTLICHEN GRÜNDE, weshalb Radio heutzutage leider so "klingt", wie es klingt! Die ECHTE Motivation des Herzens (!!!) vieler Beteiligter (vor allem die der Moderatoren, die mein Produkt (das Programm) "verkaufen" sollen ist leider nicht (mehr) vorhanden! "Die" machen "nur" (noch) ihren "Job", haben das Gehirn oftmals beim Betreten des Funkhauses sowieso beim Pförtner abgegeben oder abgeben müssen und ihr Herz aus Gründen des Selbstschutzes direkt schon zu Hause gelassen! Vom Druck der Quote und den daraus (nicht unbedingt zwangsläufig) resultierenden "Grausamkeiten" mal abgesehen!
Das kann man doch auch anders (und ich meine damit "menschlicher") umsetzen, oder?
Ich muss dazu allerdings meine Mitarbeiter INTENSIV schulen und echtes Verständnis (kein geheucheltes!) für die Situation 'meines' Senders bei ihnen erzeugen können. Es hat also sehr viel mit Ehrlichkeit und Vertrauen (auf Seiten des Managements und auf Seiten der Mitarbeiter) zu tun! Und glaubt mir, DAS GEHT! Das habe ich selbst schon erlebt und es ist ein entspanntes, fast schon familiäres arbeiten - auch wenn Stress und (Quoten-)Druck vorhanden ist. Das ist quasi "wie Radio machen im Himmel", auch wenn DIES hier auf Erden meiner Meinung nach Normalzustand sein sollte! Wie sage - nicht nur - ich immer wieder?
Wer ungewöhnliche Erfolge erzielen will, der muss bereit sein, ungewöhnliche Wege zu gehen! Dann stellt sich ungewöhnlicher Erfolg nahezu zwangsläufig ein!
Jetzt habe ich schon wieder so viel geschrieben, obwohl ich es gar nicht geplant habe. Also, lieber Olesprenger (@Olesprenger), lasse Dir bitte nicht vorschreiben,
wie Du Deine Moderation vorzubereiten hast -
aber bereite sie vor! Vor allen Dingen, wenn Du gerade noch gaaaanz am Anfang Deiner Rundfunk-Laufbahn bist! Finde den für Dich richtigen Weg und setze diesen dann konsequent um! Auch wenn es manchmal "stürmen" und "hageln" mag, aber ich bin mir sicher, Du wirst (vor allen Dingen mit den vielen ernsthaften Tips, die Du bislang in diesem Forum hier bekommen hast) Deinen Weg schon gehen.
Ich wünsche Dir aus ganzem Herzen viel Erfolg dabei.
Beste wohlwollende Grüße,
- Dirk Visser -
P.S.: Falls mich jetzt wieder jemand zu verreißen gedenkt: ja, der Pfleger war AUCH HEUTE schon da und ich habe auch heute bereits herzhaft - auch über mich selbst - gelacht!