AW: Deutschquote, nächste Runde
Hallo,
erst vor einigen Tagen habe ich dieses hochinteressante und informative Forum im Internet entdeckt und mich zunächst einmal in diesem thread eingelesen.
Hier meine auf Grund eigener Erfahrungen und Erkenntnisse als Musikwirtschaftler sowie gründlicher Rechercherchen (s.u.) gewachsene Meinung möchte ich hier in komprimierter Form zur Diskussion stellen.
Das Grundproblem der Quotierung deutscher Musik liegt darin, daß nach EU-Wettbewerbsrecht - wenn überhaupt - nur eine Sprachquote wie in Frankreich möglich ist. Modelle wie der in Kanada angewandte MAPL-Code sind bei uns nicht durchsetzbar. Das heißt, bei Einführung einer Sprachquote wären fremdsprachige Produktionen deutscher Künstler klar benachteiligt. Man kann aber niemanden zwingen, sich ausschließlich in Deutsch zu artikulieren. Demgegenüber würden deutschsprachige Coverversionen ausländischer Werke bzw. Produktionen von der Quote bevorteilt. Das würde zu deutlichen Verwerfungen führen.
Die Sender, sowohl ÖR als auch private, berufen sich auf die Freiheit der Programmwahl. Das isz auf den ersten Blick richtig, nur besteht diese Freiheit auch praktisch. Ich sage: nein. Die Musikredakteure des Hörfunks sind gezwungen, sich dem Diktat der Werbechefs zu unterwerfen und Musik zum Vehikel für den Verkauf von Werbezeiten zu machen. Hierfür werden deutsche Texte als störend empfunden. Damit im Zusammenhang steht auch das unsägliche "Rotationsprinzip", das eine im Gegensatz zu früher drastische Verschmälerung der musikalischen Vielfalt der Hörfunkprogramme gebracht hat.
Mit einer Quote läßt sich das Problem nicht lösen, auch nicht mit der als Alternative vorgeschlagenen "freiwilligen Selbstverpflichtung".
Ich halte zwei grundhafte Aspekte für überlegenswert:
1. Einwirken auf die Sender (bei den ÖR auch durch die Politik) hinsichtlich Erhöhung des Anteils von Neuvorstellungen, ggf. in Spezialsendungen. Hörerresonanz auf neue Aufnahmen kann man nur erreichen, wenn sie dem Hörer auch bekannt gemacht werden. Dann scheidet sich schon von selbst die Spreu vom Weizen.
2. Inangriffnahme einer grundhaften Strukturreform der ÖR mit dem Ziel der Abkehr vom antquierten "Allierten-System" durch Zusamnmenlegung weiterer Rundfunkanstalten mit dem Ziel von etwa 4 ARD-Anstalten mit deutschlandweiter Hörfunk-Empfangbarkeit, jedoch Beibehaltung regionaler Fenster und Einführung von Spartenprogrammen, ähnlich der beim ARD-TV längst vorhandenen Struktur.
Damit wäre die Wahlfreiheit des Hörers gestärkt, Dopplungen von Produktionen und Sendungen könnten vermieden werden. Damit wären auch erhebliche Kosteneinsparungen möglich, wodurch GEZ-Gebühren nicht mehr erhöht werden müßten, sondern drastisch gesenkt werden könnten.
Nur traut sich dort keiner ran, weil derartige Schnitte mit nicht unerheblichen Folgen verbunden wären wie Stellenabbau, Verkauf von Immobilien und Technik, aber auch Verkleinerung der Rundfunkräte und somit Verzicht von Politikern und sonstigen Lobbyisten auf ein "angenehmes Zubrot", sprich "Besitzstandswahrung".
Das mag etwas vom Thema "Quote" abweichen, stellt aber m.E. die einzig mögliche Alternative dar, das Musikangebot der Sender farbiger und vielfältiger zu gestalten.
In dem von mir betreuten
Musikwirtschafts- und Medienforum von GBT MUSIK
habe ich unter dem Thema
Quotenregelung für deutsche Musik im Rundfunk
eine umfängliche Sammlung von Links zu diversen Unterlagen zum Thema, wie Materialien von der Anhörung im Bundestag, Stellungnahmen von Experten und thematisch passenden threads (einschließlich Archivmaterial) in diversen Foren eingestellt, die zu meiner Meinungsbildung beigetragen haben.
Gruß Uli49