Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

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Die Fehlauslegung dergestalt erfolgt allerdings im Kopf des Hörers. Das hat nicht der Sender zu verantworten. Hier gilt das Prinzip "Honi soit qui mal y pense"...
 
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Deas Auflösung des sprachlichen Konflikts ist eindeutig die handwerklich beste. Es gibt nämlich keine Vorschrift, die verlangt, dass man an einem Agenturtext zu kleben hat. Man darf als Nachrichtenredakteur durchaus auch den eigenen Verstand einschalten und die eigene Formulierungskompetenz anwenden.
 
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Die Fehlauslegung dergestalt erfolgt allerdings im Kopf des Hörers.

In dem Fall schon im Kopf des Schreibers und Sprechers. Sollte ich mich jetzt
der Auslegung wegen schämen? Nein! "Sie hat mit ihm geschlafen." ist eine
Aussage, die mir eindeutig zu zweideutig ist, also eher mehr zwei- als eindeutig.

Die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr außer mir diese Meldung mit einem
geschwisterlichen Geschlechtsakt verbinden, war mir viel zu hoch.
Jeder weiss, was das heißt, wenn irgendwer mit irgendwem schläft.

Soetwas muss nicht sein.
 
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Die Fehlauslegung dergestalt erfolgt allerdings im Kopf des Hörers. Das hat nicht der Sender zu verantworten. Hier gilt das Prinzip "Honi soit qui mal y pense"...

Auf irgendeinem Damagement-Seminar (ja, ich mußte sowas mal besuchen) erzählte uns der Trainer etwas von einem "Grundgesetz der Kommunikation", welches in etwa lautete: "Es ist unerheblich, was beim Sender rausgeht, wichtig ist, was beim Empfänger ankommt".

Dieses könnte man jetzt - auf das Radio angewandt - so auslegen, daß, sollte dieses "Gesetz" Anwendung finden, die Verantwortung sehr wohl beim Radio liegt. Allerdings - und das darf man keinesfalls außer Acht lassen - gilt das o.g. "Gesetz" in der Kommunikation zwischen zwei Personen, möglicherweise noch, wenn eine überschaubare Gruppe adressiert wird. Beim Radio hingegen hören viele Menschen zu, die alle individuelle Erfahrung und Sprachbegabung haben, was dieses Gesetz hinfällig zu machen scheint - man kann es schlechterdings allen recht machen.

Kann man aber dem Hörer eine gewisse Verantwortung auferlegen, dem Text sprachlich folgen zu können? "Deutsche Sprache, schwere Sprache" wird ja immer wieder gerne zitiert und selbst ich, der hier geboren und aufgewachsen ist und eine (zumindest der Definition nach) anständige Schulbildung genossen hat, habe zuweilen Probleme damit - bei diesem Beispiel habe ich auch ganz gut grübeln müssen, um den Ausführungen folgen zu können. Wie verhält sich das für Hörer, deren Muttersprache nicht die deutsche ist? Die sie als Fremdsprache gelernt haben und möglicherweise nicht all die Feinheiten beherrschen, die die Sprache nun einmal bietet?

Ich bin da etwas hin- und hergerissen, muß ich zugeben.

LG

McCavity
 
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Klar. Bei offensichtlichen Zweideutigkeiten sollte der Redakteur umformulieren und so dem Hörer irritierende Assoziationen ersparen. Aber das ist ein weites Feld. Darf ich zum Beispiel als Synonym für "Der 19-Jährige" (der auf das Mädchen eingeschlagen hatte) auch "der junge Mann" verwenden, in diesem Fall für meinen Geschmack ein eindeutiger Euphemismus, der Assoziationen ungestümer Kraft und Riefenstahl'scher Schönheitsideale weckt? Oder darf ich ihn, den 19-Jährigen, umgekehrt als "Schläger" bezeichnen, ein Begriff, der ebenfalls konnotiert ist? Oder gebe ich es tatsächlich in die Ohren/Hände des Hörers, sich ein objektives Bild des Sachverhalts zu machen - trotz meiner konnotierten Synonyme?
 
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Natürlich ist es Aufgabe und Verantwortung des Radiosenders, dafür zu sorgen, dass das Gesendete inhaltlich auch entsprechend ankommt. Natürlich kann niemand diesen Erfolg garantieren. Aber soweit es in meiner Kraft steht, es zu tun, ist es meine Pflicht. Das Gesetz, McCavity, findet also hier zwingend Anwendung.

Mannis Fan, sicherlich ist die Umformulierung die beste Lösung, aber wenn das Hirn gerade auf Urlaub oder im Sommerloch versunken ist? Nein, ernsthaft, ich erschrecke regelmäßig, mit welcher Ergebenheit Agenturtexte inhaltlich unhinterfragt bleiben und sprachlich übernommen werden.

Was Konnotationen der stärkeren Art angeht, so sind diese wo irgend möglich zu vermeiden. Vollständig lassen sie sich bekanntlich nicht vermeiden. Das Alter zur Identifizierung einer Person heranzuziehen, halte ich für eine weitgehend wertneutrale und deshalb vernünftige Lösung.
Das setzt allerdings voraus, dass ich sensibel bin für Konnotationen und reflektieren kann, wie ein anderer meine Formulierung aufnehmen könnte. Möge auch hier das Hirn nicht im Urlaub sein.
 
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Was Konnotationen der stärkeren Art angeht, so sind diese wo irgend möglich zu vermeiden.

Das sehe ich auch so. Obwohl ich Konnodingsda bis eben nicht einmal kannte,
geht es nicht an, den Schläger als solchen zu bezeichnen, da es dem Hörer
wohl vermitteln würde, der Mann sei als solcher geboren und hätte demnach
sein Leben lang nichts anderes gemacht.
Das bringt da auch noch eine Flut neuer Grübeleien ins Spiel und lenkt von
dem Rest der Meldung ab. Die für sich zu bewerten hat der Hörer Zeit, wenn
er sie vollständig und - einigermaßen - wertungsfrei vom Sprecher bekommen hat.
 
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Konnotationen sind die Dinge, die wir in unserem Hirn mit bestimmten Begriffen "notieren", gewissermaßen co-notieren. Also Dinge, die wir mit etwas in direkten Zusammenhang bringen, mit ihnen sofort assoziieren. Wissenschaftlich geht es um semantische Inhalte, um logische und psychologische, auch soziologisch bedingte Vernetzungen.

Bewusste Euphemismen arbeiten genau mit diesen Zusammenhängen und Nebenbedeutungen, über die wir wenig Macht haben. Mit dem Wort "Finanzierungslücke" verbinden wir beispielsweise im ersten Moment, dass es sich um eine kleine Angelegenheit handelt, es ist ja schließlich kein Loch; "finanzieren" klingt feiner als "bezahlen", "Finanzen" seriöser als "Geldangelegenheiten". Eine "Finanzierungslücke" klingt also nach einer kleinen Lässlichkeit, die natürlich im Handumdrehen zu beheben ist. Weil wir Entsprechendes konnotieren. In Wahrheit macht hier natürlich jemand schlicht Schulden und hat keine Ahnung, wo die Kohle herkommen soll. Mit "Kohle" konnotierst Du natürlich etwas anderes als mit "Geld".

Wikipedia liefert dazu übrigens einen ganz passablen Artikel.
 
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Ja, mir war schon sofort klar, was der Begriff bedeutet, ich kannte ihn nur eben
nicht als solchen. Das liegt - ich sagte es an anderer Stelle schon - daran, dass
ich weder Jounalist noch Germanist oder ähnlich ausgebildeter Fachmann bin,
die im übrigen auch nicht davon befreit sind, bisweilen den Wald vor lauter
Bäumen nicht zu sehen, das aber nicht selten gern von sich behaupten.
(was für ein Satz)
Nein, ich betrachte das ganze aus psychologischer Sicht, also immer mit der
Frage: Wie wird die Meldung ankommen, was kann sie auslösen und kann ich
es mir leisten, einen gewissen Prozentsatz an möglichen Mißverständnissen
zu tolerieren oder kann ich verbal noch etwas tun, dies extrem zu minimieren.

In diesem Zusammenhang gesehen gibt es immer wieder Agenturmeldungen,
die teilweise völlig unbrauchbar sind, weil sie gesprochen den Hörer an seinem
Verstand zweifeln lassen. Ja noch schlimmer: Manche Meldungen müssten
gründlich recherchiert werden, weil sie ohne Zusammenhänge und Hintergründe
daherkommen.
Wenn ich davon ausgehe, dass es Journalisten mit Ausbildung sein müssten,
die sie verfasst haben, dann stellt sich mir die Frage, was die eigentlich gelernt haben.
 
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"Manche Meldungen müssten gründlich recherchiert werden, weil sie ohne Zusammenhänge und Hintergründe daherkommen. Wenn ich davon ausgehe, dass es Journalisten mit Ausbildung sein müssten, die sie verfasst haben, dann stellt sich mir die Frage, was die eigentlich gelernt haben."

Wenn ich sehe, was manche (Radio-)Journalisten an Ausbildung erhalten, frage ich mich das nicht mehr. Es greift, so scheint es mir, inzwischen eine unglaubliche Unreflektiertheit um sich, dass einem angst und bange werden kann.
 
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Tja.

Was übrigens Agenturmaterial und da speziell das von dpa angeht, so sieht mir das oft so aus, als wäre es unter extremem Zeitdruck zusammengehackt worden. Als müßte man die Leute dort schlicht bedauern.


(Klaro - man hätte den Sachverhalt auch völlig anders formulieren können, aber darum ging's mir jetzt nicht)

Vielleicht sollte es doch darum gehen?
 
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Deine Beobachtung trifft die Wirklichkeit gut. Das bewährte 4-Augen-Prinzip scheint zudem entweder oft nicht mehr zu funktioieren oder schlicht aufgegeben worden zu sein. Inhaltliche und sprachliche Korrekturen werden dort meiner Erfahrung nach durchaus angenommen (und per Korrekturmeldung auch rausgegeben), es häufen sich aber die Fälle, dass das nötig ist, so mein Eindruck. Der Konkurrenzdruck ist immens, was sich im Wirtschaftsergebnis niederschlägt:

Erstmals rote Zahlen bei der dpa, titelte jüngst nicht nur die FTD, um weiter zu berichten:
"Mochte die Medienbranche auch noch so sehr darben - die Nachrichtenagentur dpa verdiente trotzdem Geld. Bislang. Nun hat die Zeitungskrise den traditionsreichen Dienstleister erwischt: Im Kerngeschäft rutscht die Agentur 2007 erstmals ins Minus. Die schrumpfenden Umsätze im Geschäft mit Zeitungen und Radiosendern führten zu einem operativen Verlust von 100.000 Euro, teilte die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch in Hamburg mit."

Da die Qualität der Meldungen in meinen Augen nachgelassen hat, bin ich gespannt, was die Zukunft bringen wird. Auf jeden Fall verstärkt sich die Notwendigkeit, auch dpa-Meldungen erheblich gründlicher auf Sprache und Inhalt abzuklopfen als früher, bevor man mit ihnen an die Öffentlichkeit geht.
 
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[OT:] Ich mag sowohl das dicke, eierförmige Seehundteil als auch die Mainzelmännchen. Als Kind hab ich mir immer gewünscht, dass der Onkel mal bei den Mainzern auftaucht... (quasi Jam Session der Helden meiner frühen Jugend).
So, nu widder weidä im Eigentlichen...
 
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Manschma klingt das aber gar nicht schön, wenn man nur immä das "als" verwenden soll.

"Ich habe als Fußpfleger mehr Pilze gesehen als als Pilzsammler"...

Da - gebe ich zu - weiche ich auch mal auf ein gepflegtes "wie als" aus.
 
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Ich bevorzuge in solchen Fällen das, zugegeben etwas geschraubt klingende, aber dennoch sehr schöne "denn".

Also: "Ich habe als Fußpfleger mehr Pilze gesehen denn als Pilzsammler"...
 
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Heute in irgendeinem Werbespot gehört:

"Treff Deine Stars..." :rolleyes:
 
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Inselkobi, "als wie" ist hessisch, und wenn schon nicht in ganz Hessen, dann zumindest im Frankfurter Raum.
Viele Dinge werden vom Frankfurter auch "gemacht" ("Ich mach mal fort", "mach mal rüber" etc.).

Das ist keine Sprachlotterei, das ist regionaler Zungenschlag. :p

Gruß, Uli
 
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Schön, Doppel-O, dass Du den Werbeschaffenden das zutraust. Ich tue es schon lange nicht mehr. Jede Wette, dass der Texter meinte, das sei richtig. Ich habe schon Germanistikprofessoren brauchen ohne zu gebrauchen hören...

Zusatz: Liebes Studio_Fläschchen, auch Dir möchte ich widersprechen. Hamburg, Dortmund, Köln, Karlsruhe, Stuttgart, München, Berlin - "als wie" habe ich überall gehört. Glaub mir, das waren da nicht lauter Frankfurter im innerdeutschen Ausland!
 
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Doch, Beobachter, ich glaube wirklich, dass im Vorfeld ein Dialog untenstehender Art entstanden war:

Texter (mit Augenringen): "Boss, ich hab meinen Text fertig: 'Triff Deine Stars!' "

Art director (hinter Kristallglasschreibtisch): "Geil, Kerlchen, geil. Geiler Liner. Mach aber statt 'Triff' 'treff'. 'Triff' versteht kein Schwein."

Texter (im Inneren kochend und wutschnaubend, aber an Frau, Kinder, Boot und Karriere denkend) "Suuuper! Das ist es. Das ist natürlich nicht zu toppen! Geil! Da muss ich aber noch lange arbeiten, bis ich Ihre Brillanz habe, Chef! Wow!"

Art director: "Kerlchen, das ehrt Dich. Ich hätte da noch einen weiteren Auftrag. Die neue kritische Adorno-Gesamtausgabe muss beworben werden. Du wärst der richtige Mann..."
 
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