AW: Hat Berlins Radio-Frosch ausgequackt?
@europe fm
Den mußt Du Dir wie Rolf Bossi nur 20 Jahre jünger vorstellen. Ein älteres Foto Du unter:
http://www.kress-koepfe.de/index.php?SID=56f85da7c8077be7c3607b058b764f27
Hier noch was aus der Vergangenheit:
Das alte "Radio 100" auf UKW, 103,4 Mhz in Berlin ist seit einiger Zeit am Ende. Geschäftsführer Thomas Thimme, hatte am 28.2.91 den Konkurs des Senders angemeldet und die MitarbeiterInnen standen morgens vor verschlossenen, bewachten Türen. Thimme wollte von Anfang an das "Radio 100" wegen finanzieller Schwierigkeiten an den französischen Sender "Nouvelle Radio Jeunesse" (NRJ),einen Musik-Blahblah-Werbung-Sender, verkaufen, der bereits zahlreiche Lokalradiostationen in Frankreich und England besitzt.
Das Unternehmen "Schmidt und Partner" (MSP) (Elefantenpress-Verlag, Titanic- und Freitag-Herausgeber) war ebenfalls am Kauf von Radio 100 interessiert. "Schmidt und Partner" (MSP) ist gegenwärtig mit verschiedenen Aufkäufen wie z.B. des Tribüne-Verlages/Junge Welt im linken Medienmarkt beschäftigt. Dennoch erhofften sich die Radio 100-Leute, daß sie bei MSP die Programmstruktur und die redaktionelle Autonomie erhalten könnten. Deshalb fand eine Spendenkampagne statt, die über 100.000 DM für das Radio 100 einbrachte und es ermöglichte, daß anschließend Verhandlungen mit MSP statt mit NRJ geführt werden.
Auch die taz besaß Anteile am Radio 100 und war mit am Gerangel beteiligt. Taz-Geschäftsführer Ruch wollte verhindern, daß mit MSP verhandelt wird. Er und Geschäftsführer Weihönig von MSP wurde worgehalten, sie seien "Intimfeinde" geworden, weil sie sich ständig beim Aufkaufen von Unternehmen im linken Medienmarkt als scharfe Konkurrenten begegnen. Als dies dem taz-Vorstand deutlich wurde, entschloß dieser sich gegen den Verkauf von Radio 100 an NRJ.
Die mögliche zukünftige Gruppierung, die ein neues Radio 100 hätte tragen können wäre gewesen: Schmidt und Partner, Basisdruck-Verlag als Gesellschafter und dann dem MitarbeiterInnenverein Radio 100, TOLLeranz e.V., Förderverein für interkulturelle Medienarbeit (FIM) und Prominentenverein. FIM war vor allem darum bemüht, eine Verbindung vom Radio 100 zu politischen, kulturellen und sozialen Initiativen aufzubauen.
Dadurch, daß Thimme den Konkurs angemeldet hatte, wurde jedoch der Weg für eine Übernahme durch NRJ geebnet. Am Montag den 6.Mai hat der Berliner Kabelrat die freigewordene Frequenz von Radio 100 an "Radio 2000" von NRJ vergeben. Thomas Thimme meinte "mit Hunderten von Soli-Gruppen erreicht man keine gesellschaftliche Relevanz" (taz, 10.5.91) und arbeitet jetzt für Radio 2000 von NRJ.
Bitterböser Kommentar und Fluch: Die Zahl "2000" ist zwar größer als die Zahl "100" aber hundert Soli-Gruppen für Radio 100 sind sicher von größerer gesellschaftlicher Relevanz als die Tausendmarkscheine von NRJ. Vielleicht spürt das Thomas Thimme, falls er mal von NRJ gefeuert wird und sich keine einzige Soli-Gruppe für ihn findet.
Quelle: "telegraph" (Ostberlin), Nr. 3/22.3.91
Das aktuelle Programm finde ich durchaus angenehmer. Chaos war für Radioprogramme schon immer eher qualitätszuträglich.
Die Vorgänge rundherum in Berlin gehören aber AFAIK in Aktenzeichen XY....