AW: Hörfunkkrimireihe "radioTATORT"
So viel Wohlwollen dem gesendeten Radiotatort gegenüber wie in einigen Postings kann ich nicht teilen. Tut mir leid. Ich bin bitter enttäuscht. Da wurde über Monate eine immense Erwartungshaltung aufgebaut: Das Radio besinnt sich seiner alten Tugenden. Das Radio kann immer noch Straßenfeger produzieren. Das Radio kann mindestens so fesselnd sein wie das Fernsehen. Die ARD legt sich in einer gigantomanischen Anstrengung ins Zeug. Alle deutschen Sender, äh, Tschuldigung, alle ARD-Anstalten schmeißen ihr Know-How zusammen und stellen etwas her, was es seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten nicht mehr gab: Das einst so glanzvolle Genre des spannungsgeladenen Krimi-Hörspiels wird unter neuen Vorzeichen wiederbelebt. Mensch Meier!
Und dann das: Ein gigantischer...Pups!
Ein fahrig und lieblos gesprochener Lau-und Laber-Krimi, den die Schüler-AG "Höspiel am Roland-Koch-Gymnasium Wetzlar" nicht schlechter hätte produzieren können.
Die Sprecher: klebten am Manuskript und agierten völlig unnatürlich bis hin zu typischen Fehlbetonungen beim Ablesen. Bei manchen Passagen hatte ich den Eindruck, die Schauspieler hätten das Drehbuch im Moment der Aufnahme das erste Mal gesehen (Ausnahme: Der "Emir" selbst, der mir sehr gut gefallen hat). Die Rollenzuordnung war kaum auf den ersten "Blick" zu erkennen - verwirrend genug, wenn man auch noch dem sterilen und wirren Konstrukt des Manuskripts folgen sollte.
Und die Regie hat offensichtlich von alledem nichts mitbekommen. Peinlich.
Wo waren die spannenden, knisternden, atmosphärischen Flächen? Wo waren die Geräusche, die ein Krimi-Hörspiel erst zum Krimi für die Ohren machen? Wo war der dezente Grusel? Nix! Nur Papier, Papier, Papier...
Einzig die Musikelemente suggerierten Spannung, die allerdings durch Handlung und Dialoge nie eingelöst wurde.
Nach dem vorhersehbaren Ende dieses Glanzstücks (immerhin der Pilot, von dem man nun wirklich einen Teasing-Effekt für die kommenden Folgen hätte erwarten können) blickten mein Gegenüber und ich uns sehr ratlos an und waren uns einig: Dem Radiotatort höchstens noch eine Chance.
Wer nur hatte entschieden, den "Emir" an die Flaggschiffposition zu setzen??????
Dann kam das angekündigte "Making of". Was erwarte ich von einem Making of? Eben. Was aber kam? Das paritätische, typisch ARD-hafte Abfragen und Abklappern der Drehbuchautoren Sender für Sender und die trockene, ja furztrockene Vorstellung der unterschiedlichen Anstaltskonzepte. Gähn. Das ganze erinnerte mich an den alten Witz: "Verstehe gar nicht, Genosse, dass unser Ballett mit den verdienten Aktivistinnen bei den Werktätigen nicht erfolgreich war. Die Tänzerinnen sind doch alle schon seit 50 Jahren in der Partei."
Hier hat sich "mein" Laden allein durch seine Strukturen mal wieder völlig lahm gelegt und durch eine Philosophie, die Otto-Normal-Onkel nicht nachvollziehen kann, sämtlicher Möglichkeiten beraubt, den Hörer anspruchsvoll-unterhaltend wieder an das Radio zu binden. Schade drum!
Ich hoffe aber, dass es zu meiner Tirade Gegenpositionen gibt von Forenteilnehmern, die den "Emir" gehört haben, ihn besser bewerten und mir bitte widersprechen wollen.