Ja, die gab es auch noch.
Meredith Edwards - Ready to Fall
Der weiblich geprägte, schmusige Country-Pop war eine der Hauptströmungen zwischen 1998 und 2004, auf der die großen Radiostationen zumindest mitschwammen. In diesen Jahren herrschte bei den Nashville-Dependancen der Plattenmultis stilistische Unentschlossenheit über die musikalische Ausrichtung, es gab jede Menge Mischexperimente (Neotrad-Pop, Hochglanz-Gitarrenpop, Rockballaden, Neotrad-Rock, Blues-orientierter Rock mit poppigen Arrangements etc.). Es gab zudem ein Überangebot an "poppiger", femininer und balladenhafter Musik, ein Tend, der auch das Management arrivierter Interpreten erfasste:
Faith Hill - The Secret of Life
Der Musikstil schleifte sich in den Folgejahren immer mehr ab und näherte sich dem damals eher verschlafenen aber von Frauen jenseits der 25 gern gehörten AC-Format, das mangels Nachwuchs mehr und mehr austrocknete. Ein Problem, das das demographisch ausgewogene Country-Format nie hatte. Die ganze Musikindustrie war zu jener Zeit im Aufruhr, man sah sich angesichts der MP3-Tauschwelle im Internet schon am Rande des Abgrunds und so versuchte man zunächst große Stimmen mit austauschbaren und stilistisch unebenen Kompositionen formatübergreifend zu positionieren. Die Hörer goutierten diese Praxis aber gar nicht und anders als heute war der Hörer noch wichtiger als der Käufer, der die Musik letztendlich in den Schrank stellen sollte.
Das Top-40-Format befand sich nach 2000 quotentechnisch im Sinkflug, Adult Contemporary konnte zulegen ("Schönes bleibt") und Country blieb über die Jahre erstaunlich stabil. Die Rockformate degenerierten allesamt zu Kleinsparten, aber blieben werbe- und verkaufsstark (junge, männliche Plattensammler). Der jugendliche Musiktrend ging vermehrt in Richtung Hip-Hop und die Über-20-Jährigen verteilten sich auf Country und AC, die Masse der Schwarzen zerfiel in eine Non-Rap (Urban-AC) und eine Rap-freundliche Hörerschaft (Urban CHR).
Mittlerweile hat sich der Trend wieder gedreht, Country kultiviert den Gitarrengroove und das AC-Format zerfällt in seine Einzelteile - die jüngeren Abkömmlinge lieben adulten Dance-Pop, die meisten aber konzentrieren sich auf die fest etablierten Titel aus den letzten 40 Jahren, die sie immer, immer und immer wiederkehren lassen. Hot-AC ist modern, innovativ und bietet gute Werbeflächen, ist aber zugleich quotenschwach und bei keiner gesellschaftlichen Gruppe das bevorzugte Radioformat. Top-40 ist wirtschaftlich gesund aber auf die in Amerika nicht so heiß begehrten Unter-20-Jährigen fokussiert, die lieber downloaden als Platten kaufen.