Die Großfahndung nach den Bostoner Bombenlegern hielt die gesamten USA in Atem. Und sie befeuerte den Kampf der Medien um die Nachrichtenhoheit. Er tobte auf Fernseh- und Computerbildschirmen, zwischen etablierten Networks, flotten Kabelsendern und sozialen Netzwerken: Wer profilierte sich als beste Informationsquelle?
Am Ende gab es bei diesem spektakulärsten Medienereignis in den USA seit Jahren einen Überraschungssieger - die alten, behäbigen TV-Networks, von vielen längst abgeschrieben. Das sah anfangs anders aus. Als sich die Jagd in der Nacht zum Freitag im Vorort Watertown zuzuspitzen begann, hatten sich die Rund-um-die-Uhr-Kabelkanäle
CNN,
Fox News und MSNBC gerade mit Wiederholungen schlafen gelegt. Die Networks ABC,
CBS und NBC ebenfalls. Wer Bescheid wissen wollte, musste auf den Kurznachrichtendienst Twitter umschalten: Da spielten sich Schießereien und Verfolgungsszenen ab, in Echtzeit - wie eine reale Version der TV-Thrillerserie "24".
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Schon rief das Internet seinen Sieg aus. "Die Medien sind nicht mehr im Besitz der Story", triumphierte die Website BuzzFeed, die ihre "Popularitätslisten" aktuell aufmotzte: "Alles, was ihr über die Fahndung wissen müsst."
Doch das war viel zu viel versprochen und viel zu früh gefreut. Websites und Online-Dienste gaben oft nur aufgeschnappte Informationshäppchen vom Polizeifunk weiter, ohne Zusammenhang und mit falschen Schlussfolgerungen. Schließlich platzte dem Boston Police Department der Kragen, es schaltete die Netzverbindung seines Funks ab.
Soziale Netzwerke waren zugleich Brutstätten für wüste Spekulationen, die zeitweise in einer Hexenjagd auf Unschuldige mündeten.
Die Plattform Reddit entschuldigte sich später.
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Sonst wegen ihrer kruden Mischung aus News, Klatsch und PR verlacht, waren sie stundenlang die einzigen, die nüchtern berichteten - und das unter teils lebensgefährlichen Bedingungen.
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Um sechs Uhr früh dann stiegen die zentralen Networks ein. Sie wandelten ihre Frühstücksshows in Marathonberichte aus Boston um. Savannah Guthrie, die als Moderatorin der "Today Show" (NBC) sonst Kochrezepte und watteweiche Interviews präsentiert, blieb sieben Stunden auf Sendung, ruhig, gelassen und kompetent...