Zitat von Internetradiofan: "Damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage angelangt: Welche Aufgabe hat ein Musikchef? - Dafür zu sorgen, dass ein Programm in qualitativer Hinsicht einen hohen Standard erreicht oder dass die Quote möglichst hoch ausfällt?"
Der Musik-Chef hat eigentlich BEIDE dieser Aufgaben. Jetzt magst Du meinen, das sei die Quadratur des Kreises. Für manch' einen Musik-Chef mag das auch zutreffend sein. Ich kann, basierend auf meine langjährige Berufserfahrung, jedenfalls guten Gewissens sagen, dass ich es nicht als eine solche Quadratur des Kreises empfinde, denn wenn Du ein musikalisches Gespür hast, welches sowohl auf Anspruch und Niveau auf der einen Seite, aber AUCH auf Quote und Popularität auf der anderen Seite "programmiert" ist, dann kann und wird nicht viel schief gehen. "Gefällt DAS, was ich spiele/spielen lasse auch wirklich dem Hörer oder gefällt es nur mir?" Diese Frage solltest Du sofort, quasi "aus dem Stand", aus Deinem "Bauchgefühl" heraus Dir selbst EHRLICH beantworten können - und dementsprechend GEWISSENHAFT das Programm planen!
"Music Research" ist dabei LEDIGLICH ein (ziemlich teures) Tool, welches Dich unterstützen KANN, aber eigentlich benötigst Du dieses Tool gar nicht, denn Dein musikalisches Gespür und Empfinden weist Dir schon den richtigen Weg. Ganz schlimm wird es allerdings, wenn Dich Dein Gespür verlassen sollte und "Music Research" dabei die Rolle des "Musik-Chefs" übernimmt. Also, bleibe am Ball! Sprich mit Deinen Hörern! Höre Dir ihre Sorgen und Nöte an, die sie Dir erzählen. DAS gepaart mit Deinem Gespür, Deiner Ausbildung und mit Deiner Lebenserfahrung macht jegliches "Music Research" EIGENTLICH total überflüssig. Die BWL'ler im Management Deines Senders könnten sich eigentlich sehr darüber freuen, haben sie doch soeben einen ganzen Haufen Geld eingespart.
Zitat von Internetradiofan: "Beides zusammen scheint mit Blick auf die Radiolandschaft in Deutschland offenbar nicht zu funktionieren, oder?"
Na, WARUM ist das wohl so? Das hängt in allererster Linie mit der schwerfälligen Mentalität der Deutschen und mit deren Vollkasko-Denke (immer schön "auf Nummer sicher" und bloß kein Risiko eingehen, nicht wahr?) zusammen.
Zitat von Internetradiofan: "Gute Ideen und Konzepte sind das eine, aber diese müssen unter den in Deutschland vorherrschenden Bedingungen auch umsetzbar sein."
Absolutely true! Und wenn Du dann im schlimmsten Fall auch noch in der Mehrzahl BWL'ler in den eigenen Reihen Deines Sendermanagements hast (Stichwort: "Kathedralen von Zahlen"), dann hast Du als "Kapellmeister" keinen leichten Stand, denn versuche mal Gefühle (beispielsweise Dein oben von mir beschriebenes Bauchgefühl) wissenschaftlich zu erfassen. Emotionen KANN man NICHT wissenschaftlich erfassen und analysieren! Und "Musik" IST in allererster Linie Emotion! Zumindest die Wirkung jener Musik auf den Hörer (bei dem die Emotion dann durch das Anhören eines Musikstücks ausgelöst wird). Erkläre DAS aber mal einem BWL'ler! Viel Spaß dabei...!
Und weil wir hier im "Land der Vollkasko-Mentalität" leben, klingt deutsches Radio so WIE es klingt.
Was sagte Programmdirektor "KK" (ja, "DER BÄRTIGE" von dem Oberhausener Mantelprogrammanbieter) vor mehr als 20 Jahren (damals allerdings in Bezug auf Moderation) einmal zu mir? Er sagte: "Herr V., in Gefahr und in der Not, ist der Mittelweg der Tod!" Also mit anderen Worten: "Seihen Sie bereit, etwas zu wagen! Dann werden sie höchstwahrscheinlich auch erfolgreich sein." Oder in Marketing-Sprache ausgedrückt: "Nur wer bereit ist UNGEWÖHLICHE Wege zu gehen, wird dadurch UNGEWÖHNLICH HOHE und UNGEWÖHNLICH GROSSE ERFOLGE erzielen!" Diesen Spruch habe ich mir aber sowas von verinnerlicht! Weil er RICHTIG ist und STIMMT. Ich habe es selbst schon mehrfach erlebt! Aber wenn ich ein Angsthase, also ein sog. "Schisser" wäre, der nichts wagt und kein Risiko eingeht, dann würde das Programm auch entsprechend "fade" klingen. (Ja, "FADE"! Klingt ähnlich wie "Pfade" und NICHT wie das englische Wort "fade"!). Im musikredaktionellen Bereich werden allerdings keine Angsthasen, sondern "echte, starke Männer" (und selbstverständlich auch starke Frauen!) benötigt. Und mit "Stärke" meine ich KEINE "Muskeln" - obwohl DAS gerade in Bezug auf BWL'ler und andere hausinterne Zauderer und Zögerer wahrscheinlich auch nicht ganz falsch wäre!
Mit "Vollkasko" entsteht jedenfalls KEINE Kreativität und überhaupt KEINE Innovation! Das ist Euch höchstwahrscheinlich von der Mehrheit der bundesdeutschen Hörfunkprogrammen bestens bekannt, nicht wahr? Und genau DESHALB ist "das Radio" hierzulande inhaltlich oftmals eine einzige, aber leider auch permanente "Katastrophe".
Zeit, daran zu arbeiten und dies entsprechend zu verbessern, oder? Gerade im Hinblick auf das aufkommende (und somit "drohende") Digitalradio...!
Oder geht AUCH IHR konventionellen Rundfunkveranstalter lieber "auf Nummer sicher"?
Ich plädiere dafür, eine Kampagne zu entwickeln und durchzuführen, die - in Anlehnung an den Titel des großen nationalen Hits der INA DETER BAND aus 12/82 - den für unser Anliegen abgewandelten Titel trägt:
"Neue Männer braucht die Musikredaktion"...
Und damit meine ich "Ausbildung", "Ausbildung" und nochmals "Ausbildung" - und selbstverständlich entsprechende fachspezifische Förderung der Damen und Herren Musikredakteure. Vor allen Dingen derjenigen, die ganz neu und demnach noch "frisch" in diesem Beruf sind.
Für diejenigen unter Euch, die möglicherweise zu jung sind, um es zu wissen: der von mir erwähnte Hit der INA DETER BAND heisst "Neue Männer braucht das Land" und ist damals erschienen als 7" Vinyl-Single auf dem Phonogram-Label "00211 Fontana" unter der Bestellnummer 6005278. Doch diese Information nur am Rande, damit Ihr den geistigen Bezug herstellen könnt.