AW: Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...
Lieber Mcprivat,
die Kostenfrage ist eine gute Frage - und Mr. Holzbrinck wird schon wissen, warum er sie so völlig ausgeklammert hat. Der positive Effekt der Digitalisierung und der damit verbundenen Konvergenz der Medien ist, dass die Übertragungswege zweifelsohne ungleich kostengünstiger werden. (Wenngleich ich persönlich noch lange nicht ans Ende der gedruckten Zeitung glaube. Irgendwann, ja, aber im Moment will der Leser noch Papier in der Hand haben.)
Der negative - und folgenreichere - Effekt ist allerdings, dass Informationen auf diesem Wege auch gewaltig entwertet werden. Jeder kann seinen Kram ins Netz stellen, wo er theoretisch für die gesamte Welt abrufbar ist und gute Unterhaltung (je nach dem, wie man das definieren möchte) lässt sich von Laien, die davon nicht leben müssen, ohne weiteres erstellen. Bezahlter Inhalt im Internet hat sich bisher ebenfalls nicht durchsetzen können. Mindestens also wird das bisherige Verständis der Finanzierung von Medieninhalten gewaltig durchgewirbelt werden. Heute hängt ja alles an Querfinanzierung - sowohl innerhalb der einzelnen Produkte (der Politikteil refinanziert den Kulturteil, der quantitativ betrachtet weniger Kaufanreize bietet), als auch zwischen den Produkten eines Verlages (die Bild finanziert die Welt mit, so ist das eben). Das wird wegfallen, wenn die Rezipienten ihr Angebot individuell zusammenstellen.
Und da befinden wir uns bereits mitten im Problem. Holtzbrinck hat völlig recht: Wer künftig in dem Wust aus Informationen und dem, was eine Information sein will, wahrgenommen werden möchte, muss sich abheben. Qualität ist ein Weg, es gibt aber noch einen billigeren, den über die Effekthascherei, wie hier ja beinahe jede Woche gut belegt wird.
Qualität macht man, indem man kluge, zur Analyse fähige Leute beschäftigt, sich den Luxus erlaubt, sie ordentlich zu bezahlen, ihnen genügend Zeit einzuräumen und ihr Ego zu streicheln. Ich behaupte: Zwischen der Bereitschaft, über längere Zeit Minilöhne zu beziehen und dem Intellekt besteht eine gewaltige Korrelation. Zudem geht guter Journalismus nahezu zwangsläufig mit einem großen Ego einher. Darauf muss sich einlassen, wer gute Leute binden will. Dafür sollte die Finanzierung also auf einigermaßen solider Basis stehen. Nur wird genau das durch die Digitalisierung schwerer werden.
Hinzu kommt die Tatsache, dass sich Qualität eben nicht von allein durchsetzt und das Auf-Sich-Aufmerksam-Machen unter den Rezeptionsbedingungen einer digitalisierten Medienwelt weitere Mittel binden wird. Wenn Du die Gedanken auf das Radio überträgst, kommst Du jedenfalls recht schnell zu einer Antwort auf die Frage, warum sich die Veranstalter mit der Digitalisierung so verdammt schwer tun.
Die These Holtzbrincks ist nicht unschlüssig - mindestens aber sehr verkürzt wiedergegeben worden. Ich halte andere Thesen für plausibler, als die Gleichung "Digitalisierung = mehr Qualität".
1. Qualitätsjournalismus werden jene Medien betreiben, die es heute schon tun und einen entsprechenden Ruf haben. Neue Angebote in dem Bereich werden sehr viel schwerer durchzusetzen sein, als heute schon.
2. Einzelne gute Ideen (egal für welche Zielgruppe) werden es aber leichter haben, sich durchzusetzen, weil ihre Verbreitung ungleich leichter wird. (Für mich das beste Argument, den Prozess der Digitalisierung voranzutreiben.)
3. Darüber hinaus wird alles von der Frage abhängen, wie bereit welche Gruppen sind, für welche Informationen wieviel Geld auszugeben. Da fällt die große Masse wohl schon weg. Und ob die paar, die zahlen würden, die gesamte Last des Qualitätsjournalismus' schultern können? Ich weiß ja nicht.
4. Aus 3. ergibt sich also, dass die Medieninhalte noch viel stärker an die Refinanzierung durch Werbung gebunden sein werden. Und da wird alles davon abhängen, wie sehr sich das Verhalten der Werbewirtschaft durch die Digitalisierung ändern wird.
3. und 4. - die wichtigsten Punkte also - sind allerdings bislang überhaupt nicht hinreichend geklärt. Also gibt es derzeit nur viele Prognosen - und die Spannung, wie es sich entwickeln wird. Aber interessante Diskussion. Kommt ja auch nicht mehr allzu oft hier vor.
Viele Grüße
Die Hexe