AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?
Für eine zuverlässige, einigermaßen aussagekräftige Empirie zu diesem Sachverhalt benötigt es nach meiner Meinung ein Verfahren zur Ermittlung der nötigen Statistik, wie sie auch zur Untersuchung der Wirksamkeit von Medikamenten am Menschen benutzt wird. Es ginge also um die Falsifikation einer Theorie, d.h., man versucht, eine Erwartung entweder zu bestätigen oder kaputtzutesten.
Im Falle der hier gestellten Frage, ob es wirklich zwingend notwendig ist, das Strickmuster der endlos gescholtenen "Hitradios" so zu fahren, wie es sich eingebürgert hat, bedarf es also zunächst namenloser Hörer aus dem gesamten Bundesgebiet. Hier ergibt sich bereits die erste Schwierigkeit. Wie verteilt man die Probanden ihrer Herkunft nach so, dass sich regionale Hörgewohnheiten nicht auf die Statistik auswirken können. Dies betrifft vor allem Betrachtungen der Altersverteilung in den verschiedenen Regionen, Bevölkerungsdichte, wirtschaftliche Relevanz, als auch sprachliche Besonderheiten.
Zusätzlich bedarf es namenloser Programme, die sich ausschließlich in der Musikauswahl unterscheiden, deren übrige Inhalte aber sonst vollständig gleich sein müssen. Im übrigen müssten die Probanden vollständig von anderen Radioprogrammen isoliert werden. Werden sie das nicht, so ist ihr Wegschalten von der Testreihe hin zu "Fremdprogrammen" ebenfalls auszuwerten und in die Statistik einzubeziehen, was jedoch ungünstigen Einfluss auf die Relevanz des Endergebinisses haben wird.
Ansonsten ist interessant:
- Wie lange wurde welches Testprogramm gehört?
- Wie oft wurde gewechselt?
- Wie lange dauert es, bis man sich durchschnittlich auf ein Programm eingestellt hat?
- Zu welcher Tages-/Nachtzeit wird welches der Testprogramme vorzugsweise konsumiert?
... und so weiter. Da dies in der Praxis nicht nicht von Interesse ist, wird es niemanden geben, der ein solches Projekt finanziert. Von Interesse ist nur, wieviele Hörer sich an ein Radio binden lassen, weil darüber die Werbekosten und somit die Umsätze der Sender festgelegt werden.
Solange ein Radio also stumpf die selben Hits abfeuert und den Rest der Zeit mit mittlerweile 9-live-artigen Gewinnspielen sowie stündlich den Highlights aus der Morningshow stopft, ist das ein Konzept, das aufgeht. Somit ist davon auszugehen, dass die Hörer das wollen. Alle anderen müssen sehen, wie sie mit Alternativen klarkommen, was regional bisweilen sehr schwierig ist.