AW: Klage gegen Rundfunk-Gebühr
Bist du wirklich sicher, dass es im Internet nur ÖR und Privatfunk als Informationsquellen gibt und dass neben den ÖR niemand glaubwürdig ist und wahrheitsgemäß berichtet (darauf bezog sich ja mein "geht's noch)? Keine Zeitung und kein Magazin?
Ich kenne Gebiete in diesem Land, in denen in der Tat nur noch das öffentlich-rechtliche Dritte in seinem Regionalmagazin zu einigermaßen sauberer Berichterstattung fähig ist, während in allen (gleichgeschalteten) Zeitungen (in denen teils noch die Kader der SED-Blätter von 1989 sitzen) täglich ein unsägliches Lied angestimmt wird. Mein Vater war es irgendwann leid, jede Woche die gleichen Leserbriefschreiber seitenlang ertragen zu müssen (frustrierte alt-Kader) und bestellte das Blatt dann letztlich ab. Herrlich, wie die jammern können, auch mit Sonder-Abo-Angeboten locken sie. Nützt aber nichts, ein Abonnent weniger - sicher nicht nur einer. Das Ländermagazin ist seitdem seine einzige regionale Informationsquelle. Ich wüßte auch nicht, wo sich der 75-jährige Mann die ihn interessierenden (lokal)politischen Themen im Internet zusammenklicken sollte. Und bei den Privaten findet er sie garantiert auch nicht, denn bei den Themen gehts weder um dicke Titten noch um Dinge, die man auf irgendeinem Wege zu viel Geld machen könnte, ebensowenig dürfte sich der Mainstream dafür interessieren (obwohl es angebracht wäre) - also alles uninteressant für die Privaten.
Und was ist eigentlich mit den politischen Abhängigkeiten der ÖR und dem ekelhaften Postengeschacher (siehe ZDF)?
Die ist widerlich. Das ist auch einer der Punkte, die es mir schwer machen, aus vollem Herzen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzutreten. Ich lebe ja schließlich nicht in der Welt mit den öffentlich-rechtlichen, wie ich sie mir vorstelle, sondern in der Welt mit den realen öffentlich-rechtlichen. Und wenn die noch ein bissl so machen und mit sich machen lassen, dürften sie auch bei den letzten ÖR-Verfechtern keine guten Karten mehr haben.
Stimmt. Nur möchte ich nicht gezwungen werden, dafür zu bezahlen.
Ich will einfach den ÖR nicht zwangsweise bezahlen. Und deshalb gehört er verschlüsselt oder abgeschafft. So einfach ist das.
So einfach ist da snicht. Das einzige, was hier offenbar sehr einfach ist, ist die Strickweise Deiner Gedankenwelt und Deiner Schlüsse.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll (!) eine wichtige - ich nenne sie mal so - Hygienefunktion für die Gesellschaft erfüllen. Er soll (!) unabhängig und frei von politischer sowie finanzieller Einflußnahme berichten und somit ein ungefiltertes (!) Bild des gesellschaftlichen Lebens liefern. Er tut dies alles freilich nicht (mehr?) oder zumindest zunehmend massiv eingeschränkt. Deshalb gehört ihm auch derbe auf die Finger gehauen, deshalb müssen Veränderungen passieren.
Die Funktion ist auch nicht an über 60 Hörfunkprogramme und die bisherige Masse an Fernsehprogramme gebunden, da dürfte auch weitgehend Einigkeit herrschen. Früher hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion mit weitaus weniger Programmen weitaus besser erfüllt, behaupte ich zumindest mal.
Die Existenz des ÖR und seine Funktion sind aber äußerst wichtig für die Gesellchaft - auch für diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage sind, diese Bedeutung zu erkennen. In die Krankenversicherung zahlt man ja auch ein, wenn man völlig gesund ist. Ich kenne niemanden, der argumentieren würde, ich bin doch nicht krank, warum sollte ich da einzahlen? Ich muß doch nicht an die Dialyse, meine Nieren sind in Ordnung, ich will kein Geld dafür bezahlen, daß irgendwem anderes Dialyse gemacht wird. Soll er doch selber bezahlen, wenn seine Nieren kaputt sind.
Die Krankenversicherung ist ein Solidarsystem, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist es auch. Seine Funktion und sein Wert für die Gesellschaft mag zwar nicht so hoch eingeschätzt werden, daß es akut um Leben oder Tod ging, aber es geht letztlich darum: er ist die Stimme der Gesellschaft bzw. er sollte es zumindest sein. Die Privatfunker sind das nicht, sie sind die Handlanger von Unternehmern, die mit der Suggestion von Freiheit und Unabhängigkeit versuchen, Geld zu machen. Das kann man finden wie man will, in unserem Gesellschaftssystem ist das alles rechtens. Es darf aber nicht die einzige Stimme sein, denn es ist nicht die Stimme der Gesellschaft.
Und also gehört der ÖR auch von allen Mitgliedern der Gesellschaft finanziert, zumindest meine Meinung.
Wer gründet mit mir die Partei für die Abschaffung der ÖR? Die 5%-Hürde nehmen wir locker.
Ich gründe bestenfalls (man müßte es wirklich tun!) eine Partei zur Rettung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und zwar als Rundfunk, wie er einst gedacht war: unabhängig, kritisch, mutig, frech und selbst zu gesellschaftlichen Umstürzen in der Lage. Nur so wird sein Wert erkannt, nur so kann er wertvoll sein.
Und besäße ich einen Fernseher, die Speicherbelegung sähe wohl so ähnlich aus wie die bei meinen Eltern: ausschließlich öffentlich-rechtliche, keine Privaten. Auf das Titten-Amoklauf-Jugendgerichts-Castingshow-Superstar-Skandalfernsehen kann ich sehr gerne verzichten. Genaugenommen käme ich wohl tatsächlich mit dem Ersten, arte, 3sat, Phoenix, BR alpha und einigen Dritten aus.
Oder hat meine Rechnung einen Fehler?
Ich denke: ja. Das Gebührenaufkommen betrug 2008 laut GEZ
7.26 Milliarden Euro. Für das ganze Jahr. Das gibt geteilt durch 70 Millionen Menschen den Faktor 100 Euro - pro Nase und
Jahr. Dann kommt das auch hin: ein Vollzahler zahlt um die 210 Euro im Jahr, ein nur-Radio-Zahler wie ich nur etwa 1/3 davon.