Der Begriff "Freie Radios" ist ein weites Feld.
Free Radio, das waren ursprünglich alle jene Sender, die frei waren von jeglicher Einflussnahme, sei sie politischer oder kommerzieller Art. Free Radio, das stand zum einen für die Seesender, die zwar teilweise wohl kommerziell agierten, aber eben als Pendant standen zum staatlich organisierten Rundfunk. Free Radio, das können auch politisch motivierte Sender sein, die gegen staatlich gelenkte Medien ansenden.
Um es auf Deutschland zu begrenzen:
Freie Radios entstanden hier als politische Untergrundbewegung von links, verstärkt Ende der 70er, Anfang der 80er-Jahre, in Verbindung mit der Anti-AKW-Bewegung z.B. in Südbaden (Radio Verte Fessenheim, später R. Dreyeckland oder auch Radio Freies Wendland andernorts). Es gab aber auch freie Radios, die unpolitisch waren, allerdings waren jene in Deutschland die Minderheit. Radio BNL, das aus Ostbelgien sendete, wäre ein Beispiel für ein solches. RTI (an verschiedenen Orten) ein anderes.
Heute spricht man allgemein eher von "nichtkommerziellen (Lokal-)Radios", solche gibt es in Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg, ganz vereinzelt in Bayern und in Sachsen sowie in Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt und Hamburg.
Eine Großzahl dieser freien Radios ist politisch motiviert und positioniert sich hier eindeutig links (R. Dreyeckland, Wüste Welle, Radio Z, Radio fsk) und bietet eine Ansammlung an Sendungen mit politischen Inhalten, mit Minderheitenthemen, Sendungen in diversen Sprachen und musikalische Autorensendungen, darunter gibt es hier und da auch einige Perlen. Der Professionalitätsstatus ist sehr unterschiedlich, es hängt auch vom Organisationsgrad der Station ab. Da gibt es wild basisdemokratische Läden als auch solche, die sich bemühen, handwerklich einigermassen professionell und organisatorisch etwas strukturierter zu arbeiten. Die meisten NKLs in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zählen zu dieser Variante der Freien Radios.
In Niedersachsen gab es vor einigen Jahren eine Neuorganisation. Die dortigen Lokalradios sind mittlerweile eine Mischform aus redaktionellem Programm tagsüber und aus Offenen Kanälen am Abend. Wie es dort mit der politischen Ausrichtung aussieht, weiss ich nicht, da ich sie noch sehr wenig erlebt habe. Ich habe mal Ems-Vechte-Welle und Radio Ostfriesland stundenweise mitbekommen, und das hat mich eher etwas an die niederländischen OLONs erinnert. Lokale Berichterstattung, Lokalsport, gemischte Musik und abends Musikspartensendungen. Das war sogar, meine ich, noch vor der Umstrukturierung.
Die freien Radios im Osten und in Hessen kenne ich gar nicht, dazu kann ich nichts sagen. Ich weiss nur, dass die meisten in Hessen eher mit denen in Baden-Württemberg zu vergleichen sind.
Insofern kann man freie Radios also nicht über einen Kamm scheren nach dem Motto: "Kennste einen, kennste alle", sondern man muss sich jeden Betrieb einzeln anschauen und bewerten. Meine Erfahrungen im anderen Thread bezogen sich auf ein freies Radio in Baden-Württemberg.
Generell halte ich die Form des nichtkommerziellen Rundfunks zumindest für ländliche Räume für die vielleicht interessanteste, evtl. sogar auf Dauer einzig gangbare Variante eines echten Lokalradios. Wenn es gelingt, politisch militante Aktivisten und verbohrte Chaoten (oh je, jetzt wird mich wieder der Blitz des fotoralfs treffen...) von Redaktion und Mikro fernzuhalten, können solche Programme eine große Bereicherung für den Äther sein. Leider ist das vielerorts nicht gelungen und so senden diese Stationen für ein eher kleines Grüppchen im erweiterten Freundeskreis ihrer Macher.