Wirtschaftsmedien in Deutschland
Der Hörfunkmarkt: WDR5 und Inforadio
(RBB)
Letztes Mal haben wir
Wirtschaftssendungen des öffentlichrechtlichen
und privaten Fernsehens
verglichen, heute geht es um den Hörfunk.
Weil in den letzten Jahren alle privaten
Infokanäle wie Radioropa oder berlin aktuell
93.6 den Sendebetrieb eingestellt haben,
stellen wir zwei öffentlich-rechtliche
Angebote vor, die unterschiedlicher nicht
sein könnten: WDR5 und Inforadio (RBB).
Auf den ersten Blick ähneln sie sich sehr:
WDR5 (Tagesreichweite 3,2 % laut MA
2008 Radio II) gehört zum Westdeutschen
Rundfunk (WDR) und ist in ganz Nordrhein-
Westfalen über UKW zu hören, Inforadio
(5,3 %) ist Teil des Rundfunk Berlin-
Brandenburg (RBB) und in seinem
Sendegebiet flächendeckend über UKW
empfangbar. WDR und RBB sind Anstalten
des öffentlichen Rechts. Sie haben einen
Grundversorgungsauftrag, bestehend aus
Information, Bildung und Unterhaltung, dem
sie im Radio mit mehreren Musik- und
Wortprogrammen nachkommen. WDR5 und
Inforadio (RBB) sind stark regional geprägte
Wortprogramme. Beide Programme senden
rund um die Uhr, Sendungen des Tages
werden nachts wiederholt. Konzeptionell
und in der Höreransprache unterscheiden
sich beide Programme erheblich.
WDR5 (Slogan: “Hören erleben”) startete im
Oktober 1991 als NRW-Welle mit
ausführlichen Lokalsendungen (“Guten
Morgen aus ...”). Nach mehreren Reformen
erhielt es im September 1997 sein heutiges
Format. WDR5 ist ein werbefreies
wortreiches politisches Kulturradio, das die
aktuelle Tagesberichterstattung mit
ausführlichen Hintergrundinformationen
ergänzt. Es hat wesentlich mehr
Anmerkungen, Kommentare und Glossen
als reine Informationsprogramme wie
Inforadio (RBB). Auch Servicemagazine,
Kindersendungen, Hörspiele, Kabarett und
Satire, die WDR-Radioklassiker
“ZeitZeichen” und “Hallo Ü-Wagen” sowie
der ARD-“Presseclub” gehören zum
Programm. WDR5 erklärt komplizierte
Themen mit einfachen Worten, damit sie
jeder versteht und mitreden kann.
Zielgruppe sind alle Menschen in NRW,
unabhängig von Alter, Bildung oder
Geschlecht.
Das Inforadio vom RBB (“Nachrichten mit
Hintergrund”) sendet seit August 1995 und
war bis Mai 2003 eine
Gemeinschaftsproduktion vom Sender
Freies Berlin (SFB) mit dem Ostdeutschen
Rundfunk Brandenburg (ORB). Inforadio
(RBB) bringt Nachrichten im 20-Minuten-
Takt, dazwischen Berichte, Interviews und
Reportagen zum Tagesgeschehen und
kurze Rubriken zu Sport, Wirtschaft und
Kultur. Auch Werbespots gehören zum
Programm. Inforadio ist ein Zweitmedium,
das man häufig einschaltet, aber nie zu
lange. Nach einer Stunde wiederholen sich
viele Inhalte in der starren Stundenuhr. Am
Wochenende gibt es die Fußball-
Bundesliga und kurze Diskussions- und
Magazinsendungen zu Reise-,
Ernährungs-, Wirtschafts- oder
Medienthemen. Der Inforadio-Hörer ist ca.
49 Jahre alt und überdurchschnittlich
gebildet. Das spiegelt sich im Programm
wieder - durch die Themenwahl und den
Gebrauch von Fremdwörtern und
Fachbegriffen. Inforadio (RBB) ist im
Gegensatz zu WDR 5 kein Programm für
alle Menschen, sondern für eine spezielle
Zielgruppe: Entscheider aus Politik und
Wirtschaft, die schnell und umfassend
informiert werden wollen.
Wirtschaftsthemen senden beide
Programme innerhalb der tagesaktuellen
Berichterstattung (bei WDR5 im
“Morgenecho”, “Mittagsecho”, “Echo des
Tages” oder den “Berichten von heute”, im
Inforadio als stündliches 5-Minuten-
Häppchen um 5 nach halb) und in einer
zusätzlichen Magazinsendung. “Profit - Das
Wirtschaftsmagazin” ist Mo.-Sa. von 18:05-
18:30 auf WDR5 zu hören, “Apropos
Wirtschaft - Unternehmen, Märkte und
Gesellschaft” heißt es sonntags von 12:25-
12:40 im Inforadio (RBB).
“Profit” erläutert verschiedene Wirtschaftsund
Verbraucherthemen in leicht
verständlichen Interviews, Beiträgen,
Reportagen und Kommentaren, samstags
wird ein Schwerpunktthema aus
verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Jede Sendung hat 4-6 Beitragsplätze von
etwa 5 Minuten. Die Themen sind breit
gefächert: Aktuelles von der Frankfurter
Börse, Warenhäuser und Banken in der
Krise, Diebesgut bei eBay oder
Arbeitskräfte aus der EU.
“Apropos Wirtschaft” erörtert wöchentlich
ein Wirtschaftsthema mit vielen Aspekten.
Die Sendung ist ein Monolog des
Redakteurs mit kurzen O-Ton-
Einspielungen. Richtige Beiträge gibt es
keine. Einmal im Monat dauert die Sendung
20 Minuten länger. Dann diskutieren
prominente und sachkundige Gäste live vor
Publikum über kontroverse Themen. Das
Themenspektrum reicht von der Braunkohle
und der Druckindustrie in der Region über
die Zukunft der Bahn und des
Innovationsstandortes Berlin-Brandenburg
bis zur Globalisierung und
Mikrofinanzierung. Fremdwörter und
Fachbegriffe werden nicht erklärt. Für
Menschen ohne Vorkenntnisse wird diese
Sendung schnell langweilig.
Auch wirtschaftlich unterscheiden sich
beide Unternehmen sehr. Gemeinsam
haben sie die Finanzierungsstruktur aus
Rundfunkgebühren und Werbeumsätzen.
Aufgrund der unterschiedlichen Größe der
Sendegebiete und Einwohnerzahlen kommt
der WDR mit seinem Gebührenaufkommen
aus, der RBB nicht. Deshalb zahlen große
Rundfunkanstalten wie der WDR im
Rahmen des Finanzausgleiches Geld an
die kleinen Landesrundfunkanstalten wie
den RBB. Beide Anstalten fahren einen
harten Sparkurs und haben das Jahr 2007
mit einem positiven Finanzergebnis
beendet.