Kultursender sind nur gut, um das eigene Ego etwas zu befeuern und sich selbst beweisen zu können, was man für ein toller Typ ist, weil man allerbestens im Bilde ist, was gerade in (hier ein irrelavantes Land deiner Wahl einsetzen) los ist, welches Gift heute in Industrienahrung gefunden wurde und welchen Furz Donald T. gestern gelassen hat. Das ist übrigens auch (mit ganz wenigen Ausnahmen) übler Dudelfunk, nur eben mit Worten.
Da muss ich Dir doch als Hörer "von sowas" heftig widersprechen. Zumindest, wenn es um anständige Programme mit relevanten Inhalten geht.
Wenn auf Bayern 2 einer der letzten Zeitzeugen des Holocaust berichtet, wie die letzten Tage vor der Befreiung 1945 waren, ist das für mich kein "Dudelfunk mit Worten", sondern ein Geschenk, ein sehr schmerzhaftes zwar (es kann vorkommen, dass ich bei sowas vor dem Radio sitze und weinen muss), aber ein sehr wertvolles. Ich fühle dabei eine unmittelbare Verbindung. Letztens bin ich zufällig (wie meist, wenn ich Qualitätsprüfung im Kabelnetz mache) in dieses hier hineingeraten:
http://die-quellen-sprechen.de/tl_files/dqs/audiozmp3/Henry_Rotmensch.mp3 - ich werde mir die
Serie bei Gelegenheit komplett durchhören oder zumindest erstmal sichern.
Als auf BR Klassik ein Portrait des Jazzmusikers Coco Schumann lief, in der es um die Zeit im KZ Theresienstadt ging, war das ein ähnlich wertvolles Geschenk für mich. Und wenn auf OE1 im Radiokolleg eine
Serie über Tiefenökologie kommt, ist das auch wertvoll für mich. Auch Bayern 2 hat sowas schon thematisiert, da arbeitet dann Geseko von Lüpke zu, den ich 2012 auch schon mal auf einem Kanalzug eines Mischpultes anliegen hatte, das ich bediente. Und wenn man in dem inzwischen eingestellten monatlichen Musikmagazin "taktlos" auf BR Klassik erleben durfte, welche Lebendigkeit und Freude die dort zu hörenden Kulturschaffenden mit dem haben, was sie tun, gibt das wenigstens für kurze Zeit etwas Hoffnung, dass es noch nicht komplett vorbei ist mit der Menschheit. Kein Scheiß, geht mir wirklich so.
Die Bierkiste!!!
((c)
https://www.nmz.de/taktlos - im inzwischen aufgegebenen Studio 12 des BR, aus dem auch bis 3/2012 der Zündfunk von diesem steinalten Selbstfahrplatz im Vordergrund kam)
Bei solchen Sendungen hatte auch noch das Personal sichtbar Freude, hier war ja auch noch das erlernte Handwerk gefragt und wertgeschätzt:
((c)
https://www.nmz.de/taktlos - anlässlich einer "Taktlos"-Sendung in der Hauptregie von Studio 9 beim BR, noch zu "analogen" Zeiten, das Neumannpult ist inzwischen raus)
Auf solchen Programmen muss man auch keine Angst haben, dass die Hörer sich nicht daran erinnern, wie das Programm heißt. Da ist nichts austauschbar mit anderen Programmen.
Wenn es natürlich um diesen Magazinitis-Häppchen-Flächen-"Kultur"funk geht, wo zwischen 3-Minuten-Ausschnitte aus populärer leicht-beschwingter Klassik oder Tracy Chapman dann der fluffige Buchtipp oder die ayurvedische Yogaübung des Tages eingeflochten werden, gebe ich Dir vollumfänglich Recht. Da kann ich keinerlei Authentizität erkennen, es wirkt bemüht, es wirkt inszeniert. Es kommt nicht aus einem tiefen inneren seelischen Bedürfnis. Aber sowas muss man ja nicht anschalten.