Wen der Hintergrund dieses „Skandals“ interessiert:
Spannende Analyse.
Was mich an dieser "Analyse" stört, ist die politische Verallgemeinerung. Das erinnert mich völlig an meine Jugendzeit. Als wir damals (Ende der 60, Mitte der 70er, Anfang der 80er) Demos gemacht haben, gab es auch sofort die politische Verallgemeinerung. Damals - es gab die DDR noch - hieß es: "Wenn ihr dagegen seid, dann geht doch nach drüben!"
Heute gibt es die DDR nicht mehr. "Drüben" ist also weg. Also wird ein neues Totschlagargument bemüht: DIe Nazi-Keule. Egal was man für eine Meinung hat - sobald sie nicht mit der Meinung anderer konform geht, ist man Nazi. Oder zumindest Rechtsradikaler. Irgend so ein WDR-Laffe hat aus der "Umwelt-Sau-Omi" eine "Nazisau-Omi" gemacht - obwohl 70jährige Omis bei Kriegsende 1945 noch in der Ursuppe geschwommen sind - als gar nicht geboren waren. Die Rechenkünste beim WDR stehen offenbar nicht sehr hoch im Kurs.
Böhmermann (ja, der mit dem ZDF-"Ziegenficker Erdogan") hat pauschal sämtliche Leute, die gegen die "Umwelt-Sau-Omi" protestieren, der politischen Rechten zugeschlagen. Das ist so einfach - und dermaßen bescheuert!
In diversen Kommentaren in Tageszeitungen - ich arbeite mich gerade durch den "Tagesspiegel" - gibt es gleichartige Tendenzen: Dort werden die Diskussionen über die "Umwelt-Sau-Omis" sofort (offenbar reflexgesteuert) als "rechtspopulistisch korrekt" bezeichnet. Geht's noch?
Wenn ich mich öffentlich äußere, dass ich Angst vor einer weitergehenden Kürzung meiner in wenigen Jahren anstehenden Rente habe, muss ich mir dann Nazi-Vorwürfe gefallen lassen? Weil ich dann sage, dass der Sozialstaat jämmerlich versagt hat?
Ich stelle mir gerade vor, der Kinderchor hätte nicht die "Umwelt-Sau-Omi" besungen, sondern einen Text gegen Migranten, Atomkraftgegner, Hartz-4-Empfänger oder Vergewaltigungsopfer intoniert (Satire darf ja angeblich alles - was für ein Falschzitat! Satire darf nicht alles, Satire muss sich gegen diejenigen richten, die die Macht haben, aber nicht gegen Minderheiten. Einfach mal bei Tucholsky nachlesen!). Was wäre dann passiert? Mich wundert ohnehin, dass keine Kommentare aus der Frauenbewegung kommen. Schließlich werden in dem Lied ältere Frauen a) diskriminiert und b) als Hauptverursacher der Klimakatastrophe hingestellt.
Und zum Kinderchor (und den dafür verantwortlichen Erwachsenen):
Wie hoch ist der Altersdurchschnitt der Kunden bei McDonald's und Burger King? Hauptsächlich über 50 - oder doch jünger?
Wie viele Schulkinder (sagen wir: bis 18 Jahre) gehen zu Fuß oder fahren mit dem Fahrrad zur Schule, zum Sportverein, zur Nachhilfe, zur irgendwelchen Hobbyveranstaltungen? Und wie viele nutzen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (von Papi oder Mami oder vom ÖPNV)?
Wie viele unter 50-jährige (inkl. Kinder) fahren in Urlaub ans Mittelmeer, an die Nord- oder Ostsee, in die Berge zum Skiurlaub und hinterlassen dabei einen ordentlichen CO2-Fußabdruck?
Wie oft kauft sich die werberelevante Bevölkerungsgruppe von 14 bis 49 Jahren neue Klamotten? Wie oft werden Kleidungsstücke getragen, ehe sie im Altkleidercontainer entsorgt werden?
Wer braucht alle zwei Jahre ein neues Handy oder die neueste Variante einer Spielekonsole? Die Umwelt-Sau-Omi mit 70 Jahren? Oder doch jemand anderes?
Warum muss ausgerechnet der Kinderchor, der die "Umwelt-Sau-Omi" besungen hat, zu einem Auftritt per Flieger nach Südkorea gebracht werden?
Wer hat schon mal folgende Szene an der Supermarktkasse erlebt? Da steht eine grauhaarige Dame und soll 6,23 Euro für ihren Einkauf zahlen (u. a. auch für die Billig-Wurst oder das Billig-Kotelett). Sie macht ihre Geldbörse auf und kramt umständlich das nötige Kleingeld heraus. Warum macht sie das? Warum legt sie nicht einfach einen Geldschein auf den Tisch? Weil sie keinen Geldschein hat! Mehr als die paar Euro und Cent in Münzen hat sie nicht. Sie kann sich keine Bio-Wurst oder Öko-Kotelett mit Preisaufschlag leisten. Denn am Ende von ihrer Mindestrente ist noch verdammt viel Monat übrig. Diese alten Menschen gehen (!) dann irgendwann zu den "Tafeln". Und müssen sich als "Umwelt-Sau-Omis" beschimpfen lassen.
Da ich gerade am "Tagesspiegel" hänge - ich finde auch folgende Aussage sehr bemerkenswert: (Zitat) "Nicht das Lied des WDR-Kinderchors ist daneben, sondern die Debatte darüber". Warum bemerkenswert? Weil die Diskussion (und damit eine akzeptable Lösung) eines Problems weggeschoben wird. Es wird über die Art und Weise der Diskussion gesprochen, nicht über das eigentliche Problem. Und wir haben in diesem Land viele Probleme. EU-Krise, Flüchtlingsproblem, Wohnungspreise, Renten, Pflegenotstand, Klimaschutz. Es sind teilweise extrem schmerzhafte Probleme. Durch eine Vorgabe, wie eine Debatte stattzufinden hat, lösen wir die Probleme nicht. Wir spalten die Diskussion nur - und wundern uns dann, dass eine Partei wie die AfD solchen Zulauf hat.
Spaltet nicht! Redet miteinander! Löst die Probleme!